"Die Finals":Regelwerk für die Rebellen

Lesezeit: 2 min

Neuer Deutscher Meister: M17, der mit bürgerlichem Namen Mario Eckel heißt. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Trendsportarten wie Speedklettern, BMX oder Breaking liefern nicht nur bei den "Finals" spektakuläre Bilder, sondern immer öfter auch bei Olympia. Das schafft Aufmerksamkeit - bringt aber auch neue Konflikte.

Von Ulrich Hartmann, Duisburg

"Langweilen wir euch etwa?", rief der Moderator mit gespielter Entrüstung in sein Mikrofon, als das Publikum in der brütenden Hitze auch mal ruhiger wurde. Er erntete auf Anhieb die erwünschte Empörung samt energischem Applaus. Mehrere Hundert Zuschauer begeisterten sich am Wochenende in einer stillgelegten Fabrikhalle für jene jungen Menschen, die da zu wummernden Hip-Hop-Beats tanzten, Salti schlugen und auf der Bühne bisweilen zappelten wie Fische auf dem Trockenen. Das schafften sie mit beeindruckender Körperbeherrschung und in mitreißendem Rhythmus. Am Ende jedes dieser Tanzduelle stimmte eine Jury über den Sieger ab, so oft, bis die deutschen Meister feststanden: M17, der in Köln als Mario Eckel lebt, und Jilou, die mit vollem Namen Sanja Jilwan Rasul heißt und in Berlin lebt.

Offiziell Breaking heißt diese Tanzsportart (nicht: Breakdance!), die sich für ihre Kreativität, ihre Spontaneität und für eine gewisse rebellische Attitüde rühmt, weshalb nun mancher befürchtet, dass bei der olympischen Premiere nächstes Jahr in Paris all die stilbildenden und imageträchtigen Tugenden an den Kommerz veräußert werden. "Schwierig!", findet die Vereinbarung von getanztem Freigeist und olympischer Bewertungs- und Vermarktungskonformität mit ernster Miene der Bronzegewinner Dennis Dressel aus Fürth. Er war am Samstagabend im ZDF-Sportstudio zu Gast und berichtete angetan von der Stimmung in der Fabrikhalle im Duisburger Landschaftspark. "Die Location war nice und die Stimmung sehr gut", sagte er lächelnd, "auch wenn die Leute nicht so ganz viel Ahnung vom Breaking haben."

Dennis Dressel zu Gast im ZDF-Sportstudio. (Foto: Martin Hoffmann/Imago)

Doch gerade dem Kennenlernen sollten sie ja auch dienen, die sogenannten "Finals", bei denen neben konventionellen Sportarten wie Leichtathletik und Schwimmen, Kanu und Triathlon, Turnen und Tischtennis auch die jungen, hippen Sportarten Breaking, BMX, Speedklettern und Bouldern (Felsenklettern) gezeigt wurden - alles im Rahmen deutscher Meisterschaften. Auch das Speedklettern ist im kommenden Jahr als Einzelwettbewerb erstmals olympisch. Die vier Wettkämpfe hatte man wunderbar in die schwermetallene Industriekulisse des ehemaligen Meidericher Hüttenwerks integriert. Lautstarke Moderatoren mit lockerer Zunge kommentierten das Geschehen zum besseren Verständnis. In Duisburg fühlten sich die Finals an wie ein Festival - mit Sport statt Musik auf den diversen Bühnen.

Die Speedkletterwand in Duisburg. (Foto: Uwe Kraft/Imago)

In Düsseldorf wurde das Bild vom Rhein und dem Medienhafenbecken geprägt, neben letzterem schossen die Bogenschützen auf ihre Ziele, an der Rheinuferpromenade überquerten Stabhochspringer die Latte, und auf dem Burgplatz spielten die Basketball-Dreiermannschaften gegeneinander auf den einen Korb, und bei jedem Dunk und jedem Dreier schrie der Moderator entzückt in sein Mikro.

Die facettenreiche Mixtur aus Trendsportmesse und olympischem Feeling war beabsichtigt. ARD und ZDF übertrugen an jedem der Wettkampftage stundenlang, was allen televisionär bisweilen vernachlässigten Sportarten eine nicht gekannte Präsenz verlieh. Es ging aber nicht nur um Vermarktung, sondern auch um Nachwuchsakquise. Stephan Keller, Oberbürgermeister der selbsternannten "Sportstadt Düsseldorf", erhofft sich von den Finals auch "große Rückwirkungen auf den Breitensport". Wegen Olympia in Paris pausieren die Finals nächstes Jahr. 2025 sollen sie in Dresden stattfinden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSport
:Die Naivität der Deutschen beim Thema Olympia

Die European Championships waren toll. Und nun? Olympia in Deutschland! Dieser Reflex kommt einem allzu bekannt vor. Ganze sieben Mal versuchte das Land eine Bewerbung - und scheiterte an der trüben Realität.

Von Thomas Kistner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: