Copa Libertadores:Der Sündenfall von Madrid

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Dario Benedetto von Boca Juniors (links) und Gonzalo Montiel von River Plate beim Copa-Libertadores-Finale. (Foto: Getty Images)

Das Endspiel der Copa Libertadores in Madrid zeigt: Nicht nur Fußballer, auch ganze Wettbewerbe werden nun aus Südamerika auf andere Kontinente exportiert.

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Das also soll das mit allen Superlativen überfrachtete Finale gewesen sein? Das längste Endspiel der Welt, der ultimative Superclásico zwischen River Plate und Boca Juniors, der aus Südamerika nach Madrid verpflanzt worden war und durch Verschiebungen und Suspendierungen 28 Tage dauerte? Nimmt man die reine Qualität der 120 Minuten, die mit Rivers 3:1-Sieg endeten, so ließe sich leicht die Nase rümpfen: Auf der Bühne namens Estadio Santiago Bernabéu wirkten die Aktionen mitunter so deplatziert wie Auftritte autodidaktischer U-Bahn-Musiker in der Scala. Nur: Was hatte man erwartet?

Lateinamerika, vor allem Argentinien und Brasilien, war einst für den Weltfußball das, was Potosí für die spanischen Kolonisatoren war. Ein Ort, wo aus unerschöpflichen Minen scheinbar unendlich viel Silber zu schürfen war. In Potosí, Bolivien, ist heute kaum mehr als Zinn zu holen - ein Sinnbild dafür, dass Lateinamerika ein Kontinent mit offenen Adern ist. Auch im Fußball: Zurzeit verdienen rund 2000 argentinische Profis ihr Geld im Ausland. Diejenigen, die im Lande blieben, auch bei Kultklubs wie den Libertadores-Finalisten, sind weit davon entfernt, zu den besten Interpreten des Landes zu zählen. Es waren Kicker von der Resterampe, die in Madrid aufspielten; gelähmt von der Angst zu verlieren. Und voilà: Wegen ihres Reichtums an Nervosität, Ungenauigkeit, Fehlern erinnerte das Megafinale an zweitklassige Partien, mit Vintage-Elementen wie dem hierzulande vergessenen indirekten Freistoß im Strafraum. Und doch war es ein historisches Finale. Weil es ein komplett entwurzeltes Endspiel war.

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Dass das Libertadores-Finale über den Atlantik verschoben wurde, war den Gewalttätigkeiten vor dem ersten (von dann zwei abgeblasenen) Rückspielterminen geschuldet. Logische Reaktionen des Verbandes wären gewesen, das Finale abzusagen und Boca wegen der Angriffe von (angeblich) River-Fans zum Sieger zu erklären. Oder hinter verschlossenen Türen zu spielen. Doch die TV-Sender drohten, bei Absage die Gelder zu sperren. Ausländische Großsponsoren lockten den Verband Conmebol in ihre jeweiligen Heimatländer, wegen der angeblichen Unfähigkeit der Argentinier, die Sicherheit zu garantieren. Nun klopft Spaniens Innenminister seiner Polizei auf die Schulter, weil Ausschreitungen ausblieben. Das freilich war kein Wunder: Auch Randale bedarf eines gesellschaftlichen Kontexts, und Spanien ist nun mal nicht das krisengeplagte Argentinien.

Spanien erhielt den Zuschlag nicht wegen seines Organisationstalents. Sondern vor allem, weil die Großbank Santander ein wichtiger Libertadores-Sponsor ist, und weil Florentino Pérez als Präsident von Real Madrid das Bernabéu gratis zur Verfügung stellte. Wobei Pérez' Altruismus weniger beeindruckend wirkt, wenn man um die millionenschweren Geschäftsinteressen seiner Baufirma ACS in Argentinien weiß. Oder um seine engen Beziehungen zum früheren Boca-Präsidenten und heutigen Staatschef Mauricio Macri, der wiederum - welch Zufall! - just am Tag des Zuschlags für Madrid ein Dekret veröffentlichte, das eine ACS-Tochter gegen die Abwertung des argentinischen Peso panzert. Ein Privileg, von dem argentinische Fans nur träumen können. Die gleichen Fans, die ohnmächtig zusehen müssen, wie nicht nur Fußballer exportiert werden, sondern ganze Wettbewerbe. Ein Sündenfall - mit dem fatalen Segen der Fifa von Gianni Infantino.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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