Film über die Basketball-EM 1993:In die Geschichtsbücher gedunkt

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Triumph in München: Deutschlands Basketballer beim EM-Sieg 1993. (Foto: Imago)

Die lebendige BR-Doku "Das Traum Team" zeichnet eine der größten Sport-Überraschungen Europas nach: Den EM-Gewinn der deutschen Basketball-Nationalmannschaft vor 20 Jahren. Der Spagat zwischen Erinnerungen, alten TV-Aufnahmen und der Jetztzeit gelingt erstaunlich gut.

Von Jonas Beckenkamp

Natürlich musste auch Dirk Nowitzki dabei sein, als in München im heißen Sommer 1993 die Sport-Geschichte auf den Kopf gestellt wurde. Der 15-jährige Blondschopf machte sich mit seinen Cousins auf den Weg in die Olympiahalle, um die Nationalmannschaft im EM-Finale gegen Russland anzufeuern.

Beim Stand von 70:68 für die favorisierten Gäste passierte dann das, was Deutschlands bester Basketballer der Geschichte so beschreibt: "Kai Nürnberger zieht zum Korb, legt ab auf Chris Welp und der dunkt ihn rein mit Foul." Die Partie endete 71:70 für die Deutschen - es war der Erweckungsmoment einer ganzen Sportart in diesem Land.

Seitdem hat sich einiges getan: Es folgte die Ära des Streetballs, als plötzlich jugendliche Dribbelknirpse auf den Freiplätzen der Republik so sein wollten wie "Flying" Henning Harnisch, der langhaarige Nationalspieler und Student mit dem Stirnband. Basketball erlebte einen Boom, die Hosen wurden schlabbriger und sogar Uli Hoeneß schlug sich die Nächte um die Ohren, um die NBA-Finals mit Michael Jordan oder Detlef Schrempf im TV zu bewundern. Von den Universitäten wanderte der Sport in die Mitte der Gesellschaft - plötzlich war Basketball cool und der Dunking mindestens so populär wie so manche Teenieband.

Und noch etwas hat sich verändert: Die Helden der DBB-Auswahl von damals sind alt geworden. Und so stehen sie mit grauen Bärten und etwas mehr Speck auf den Hüften auf der Baustelle der Münchner Olympiahalle, um ihr 20-jähriges Klassentreffen zu feiern. Dabei begleiten die BR-Filmemacher Andreas Egertz, Christoph Nahr und Jan Wiecken die Europameister mit der Kamera. Ihre Doku "Das Traum Team" versucht den Spagat zwischen den Erinnerungen der Beteiligten, alten TV-Aufnahmen und der Jetztzeit - was erstaunlich gut gelingt, denn die Sportler erweisen sich als dankbare Protagonisten.

Aufbauspieler Nürnberger zum Beispiel, sei wendig und kräftig gewesen, sagt Stephan Baeck über seinen Kollegen, "er war ein kleiner Baum, aber ein Baum!" Baeck, Harnisch, Hansi ("der König") Gnad, Nürnberger (mittlerweile ein runder Baum) oder Mike Koch berichten rückblickend von dem Turnier, das mit einer Pleite vor halbleeren Rängen gegen Estland eigentlich so frustrierend begann. Den ulkigen Klassensprecher gibt dabei Harnisch ("Die Halle war so dunkel - ein kafkaeskes Bild"), der mit 30 beschloss, lieber Filmwissenschaften zu studieren als sich weiter mit Profisport zu quälen.

Deutsches Basketball-Nationalteam
:Nowitzkis Erben greifen an

Dirk Nowitzki macht Pause - wer soll das deutsche Basketballteam nun durch die EM in Slowenien führen? Per Günther könnte der neue Leader werden, Robin Benzing muss noch ein paar Muskelsehnen zulegen und auch in Tibor Pleiss schlummert beachtliches Potenzial. Der deutsche Kader in Einzelporträts.

Von Jonas Beckenkamp

Schnell wird klar, dass diese Typen nicht nur blumig daher reden können, sondern auch wirklich etwas zu sagen haben. Hier erfährt der Zuschauer, wie es in den bedeutendsten 13 Tagen des deutschen Basketballs zuging. Wo Sönke Wortmanns "Sommermärchen" über die Fußball-WM 2006 ins Belanglose abdriftet, funkeln beim "Traum Team" authentisch die Augen der in die Jahre gekommenen Riesen. Geschichte wird greifbar, der Sport lässt sie nicht los.

Beim Bier in der Kneipe wundern sie sich noch immer, wie ihnen der Coup damals gelungen ist und es zeigt sich: Der Geist des Underdogs schweißt diese Athleten noch immer zusammen. Es wird gelacht, geflapst und gefachsimpelt - nicht zuletzt über die eigentümlichen Jubelrituale von Center Welp, der im Viertelfinale und im Endspiel zum entscheidenden Mann avancierte und dann einfach aus der Halle spurtete.

Dass der in Amerika lebende Eigenbrötler als einziger nicht zum Wiedersehen erscheint, tut der Stimmung keinen Abbruch. Dafür begegnen die Basketballer dann für ein Gaudispiel anlässlich des eigenen Jubiläums ihrem früheren Trainer Svetislav Pesic, der heute den FC Bayern coacht.

Was der "Alte" (Gnad) für ein gnadenloser Optimist ist, wird deutlich, als die Autoren Aufnahmen des jungen Pesic zu Tage bringen. "Unser Ziel muss eine Medaille sein," sagte der damals 43-jährige Serbe tatsächlich - er schien das ernst zu meinen, dabei waren die Deutschen 1993 trotz Heimvorteil der vielleicht größte Außenseiter des Wettbewerbs.

Passenderweise lässt das Filmteam dann auch die ARD-Livebilder des Finals im Originalkommentar von Fritz von Thurn und Taxis für sich sprechen: "Ich kann es nicht begreifen, was diese Mannschaft hier leistet," japst der aufgeregte Reporter - sowas hatte es in Deutschland noch nicht gegeben. Ein Glück, dass das Fernsehen dabei war.

Mit Episoden wie diesen schafft es die Doku auf lebendige Weise, das Ausmaß dieser sportlichen Großtat nachzuzeichnen. Denn Europameister wurden die Deutschen auch mit Dirk Nowitzki (EM-Zweiter 2005) nicht mehr. So ist letztlich auch die einzige Schwäche des Films zu verkraften: Der etwas steif wirkende Sprecher ("Bassssssketball"), der die wenigen Erzählpassagen aus dem Off bieder wie ein Finanzbeamter vorträgt. Aber vielleicht passt das ja auch zu einer Sportart, die in Deutschland bis ins Jahr 1993 nicht mehr als miefigen Turnhallen-Charme versprühte.

("Das Traum Team", Samstag 12.10.2013 um 17.00 Uhr im Bayerischen Fernsehen)

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