Sportpolitik:Die Fifa zieht's nach Paris

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Weiß, dass die Uefa bei seinen Plänen nicht mitmachen wird: Fifa-Boss Gianni Infantino. (Foto: Fadel Senna/AFP)

Der Fußball-Weltverband eröffnet ein zweites Quartier in der französischen Hauptstadt - auffällig ist mal wieder die Nähe zum Emirat Katar.

Von Thomas Kistner

Kaum ist der außerordentliche Bundesanwalt, der Gianni Infantinos Umtrieben in der Schweizer Justiz nachgespürt hat, unter fragwürdigen Umständen aus dem Amt befördert, hat der Boss des Fußball-Weltverbandes den nächsten Coup parat. Die Fifa wird, nach Informationen der SZ und der französischen Tageszeitung Le Monde, ein zweites Standquartier beziehen: in Paris.

Aus dem gigantischen Rechteck, das zu Beginn der Nullerjahre sechs Stockwerke tief in den Züricher Hausberg gerammt wurde, soll eine Hundertschaft Fifa-Leute in die französische Hauptstadt ausgelagert werden. Residiert wird künftig im Hôtel de la Marine, einem Prachtbau aus dem 18. Jahrhundert, der vier Jahre lang aufwändig renoviert worden ist und neben den Ballbediensteten fortan auch die private Kunstsammlung großzügiger Gönner beherbergen soll: der königlichen Familie von Katar.

Zufälle gibt's. Das Gerücht, dass es Infantino nach Paris zieht, hält sich seit Jahren hartnäckig, wobei die Fifa den Teilumzug nicht einmal jetzt bestätigen will. Verkündet werden sollte der Coup eigentlich erst am Donnerstag, von Staatschef Emmanuel Macron persönlich, bevor das Nobeldomizil ab Samstag wieder der Öffentlichkeit und insbesondere solventen Kunstinteressierten zugänglich gemacht wird.

Unterm Dach mit Katar fühlt sich Fifa-Boss Infantino offenkundig wohl

Die Zurückhaltung der Fifa könnte, einmal mehr, mit der klebrigen Nähe des Themas zum Veranstalterland der nächsten Fußball-WM 2022 zusammenhängen. In Paris heißt es, dass das Emirat für das Gebäude eine Million Euro Miete überweise, alljährlich über einen Zeitraum von 20 Jahren. Auch die Einnahmen aus der Kunstschau von Scheich Hamad bin Abdullah Al Thani, die aus mehr als 6000 Juwelen und Gemälden von der Antike bis zur Gegenwart besteht, verbleiben an der Seine. Dort, wo Katar auch den nationalen Fußballstolz finanziert: das Team von Paris Saint-Germain um Superverdiener wie Neymar und Mbappé.

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Unterm Dach mit Katar fühlt sich Fifa-Boss Infantino offenkundig immer wohler. Seine Geheimtreffen mit dem (über dieselben gestrauchelten) Schweizer Chefankläger Michael Lauber hielt er vorzugsweise im Berner Nobelhotel Schweizerhof ab, das dem Emirat gehört und gleich neben dem Besprechungszimmer praktischerweise die eigene Botschaft beherbergt. Oft haben Strafverfolger in Deutschland und anderswo beklagt, die Fifa übe in allfälligen Ermittlungsverfahren nicht den erwünschten Druck auf Doha aus: Vom deutschen Sommermärchen, wo eine 6,7-Millionen-Euro-Zahlung der WM-Organisatoren auf rätselhafte Art in Doha versandet ist, bis zu den US-Strafprozessen, die auch um die Kernfrage kreisen, wie es dazu kam, dass der Fifa-Vorstand Ende 2010 in hellen Scharen für eine Fußball-WM im Wüstensand eines Emirats votierte, das die Größe von Nordhessen besitzt.

Bis heute gilt der Verdacht, dass für diese Kür gewisse sporttypische Finanzargumente den Ausschlag gaben - immerhin bewahrten im Zuge der folgenden Ermittlungen von damals 24 Fifa-Vorständen nur zwei eine weiße Weste.

Infantino weiß: Einflussreiche Freunde kann man als Fifa-Boss nie genug haben

Interessenskonflikte deuten sich auch an anderer Stelle an. Die Fifa-Familie nistet sich in einen aus Doha mitfinanzierten Prachtbau ein, während einige Arrondissements weiter die Nationale Finanzstaatsanwaltschaft (PNF) ein Ermittlungsverfahren wegen Privatkorruption und des Verdachts auf Bildung einer "kriminellen Vereinigung" rund um die umstrittene Fifa-Vergabe der WM an Katar führt. Seit 2016 läuft der Strafkomplex, inzwischen sind zwei Untersuchungsrichter am Werk, es geht auch um Vorfälle in der Ära von Macrons Vorvorgänger: Nicolas Sarkozy war gleichfalls ein glühender Katar-Fan, der wenige Tage vor der umwitterten WM-2022-Kür seinen Landsmann Michel Platini im Elysée-Palast mit dem heutigen Emir zusammenführte.

Platini, damals Uefa-Präsident und Fifa-Vize, ließ sich zwischen Hors d'oeuvre und Dessert von der Notwendigkeit eines Weltturniers in Katar überzeugen, auf die Schnelle verhalf er sogar noch zwei, drei europäischen Vorstandskollegen zu dieser Erkenntnis. Dass sein Sohn wenig später einen Spitzenjob in einem katarischen Sportunternehmen antrat, hatte mit Platinis "Ja" zu Katar natürlich nichts zu tun.

Wie sich das Ganze für die Fifa steuerlich auswirkt, bleibt zunächst offen. In Zürich genießt sie, als Verein nach Schweizer Privatrecht, steuerliche Vorzüge: Nur zwölf Prozent sind abzuführen. In Frankreich will sie jedenfalls nicht auf Privilegien gepocht haben.

Offiziell will die Fifa in Paris ihre Drähte zur französischsprachigen Fußballwelt, aber auch zu Institutionen wie der Unesco verbessern. Einflussreiche Freunde, das hat die seit 2016 währende Ägide des umstrittenen Infantino gezeigt, kann man als Fifa-Boss nie genug haben. Der Justizskandal um sein Techtelmechtel mit der Berner Bundesanwaltschaft hat den Boden für Infantino in der Schweiz ein bisschen verbrannt. Aber die Fußballwelt ist groß.

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