Es gibt immer mehr Bilder zu Ahmad Ahmad, alle erzählen dieselbe Geschichte. Jene Bilder aus Paris vom Juni zum Beispiel, als ihn die französische Polizei aus dem Hotel, in dem der Fußballweltverband Fifa gastierte, abführte zum Verhör. Auch sind da Dokumente, Abrechnungen, Zeugenberichte, die Zeugnis ablegen von Geschäftsuntreue und Korruption in dem seit 2017 von Ahmad gelenkten Afrika-Verband Caf. Zudem sind Vorwürfe von sexuellen Übergriffen bis zu versuchter Vergewaltigung Teil der Untersuchungen.
Ahmad bestreitet alles. Aber sogar das Ethikkomitee der Fifa, das vielen nur als Hilfstruppe des Weltverbandschefs Gianni Infantino gilt, muss gegen Ahmad ermitteln, zu erdrückend ist die Aktenlage. Andererseits: Dass gegen einen Fifa-Vizepräsidenten auf so stabiler Basis ermittelt wird, ohne dass er suspendiert wurde - auch das ist Merkmal der Sport-Autokratie, in die Infantino die Fifa verwandelt hat.
Der Chef des Afrika-Verbandes, Ahmad Ahmad, steht im Fokus diverser Anschuldigungen
Nun setzt Infantino einen groben Keil drauf. Beim Caf-Kongress am Donnerstag in Kairo ließ er Ahmad eine Art Putsch durchführen, das Resultat: Afrika wird künftig aus Zürich regiert! Eine Rechtsbasis gibt es dafür nicht, der Verband Caf ist nicht einmal Mitglied der Fifa. Trotzdem rückt am 1. August die Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura als Chefaufseherin bei der Caf ein. Oppositionelle Funktionäre, aber auch Infantinos Vorgänger Sepp Blatter sehen das als Akt der "Kolonialisierung". Die Botschaft an die Welt im 21. Jahrhundert lautet: Afrikas Fußball erklärt sich unfähig zur Selbstverwaltung.
Der Coup von Kairo ist im korruptionsverseuchten Weltsport beispiellos. Und er ist nicht das, was der Kongressbeschluss suggerieren soll: die Antwort auf einen Hilferuf des afrikanischen Fußballs. Ausgeheckt wurde der Putsch von Infantino und Ahmad - offenbar, weil das Haltbarkeitsdatum des Caf-Bosses so rasant verfällt. Und wer würde dann ins Machtvakuum stoßen? Was wird aus all den kleinen und großen gemeinsamen Geheimnissen? Das scheint das Motiv hinter der Groteske zu sein: dass kein kritischer Caf-Funktionär, schon gar keine juristische Instanz auf Ahmads Spuren geht. Samoura übernimmt, und kaum jemand zweifelt daran, dass die Senegalesin ihre Order aus Zürich erhält.
Während bei der Fifa die Compliance-Experten reihenweise von Bord gehen, zuletzt Chief Officer Ed Hanover, erzählt Infantino, man werde den Caf wieder geschäftstüchtig machen. Aber beim Afrika-Putsch geht es erkennbar nicht um saubere Geschäftskultur, sondern um Ahmad. Der Funktionär mit dem epischen Sündenregister spielt Doppelpässe mit Infantino, seit dieser Fifa-Boss ist. Als solcher benötigt er Afrikas stets für Förderversprechen empfängliche Wahlleute, und die waren ihm anfangs nicht so zugeneigt. Das änderte sich, als Ahmad im Mai 2017 mit Infantinos Hilfe den Thron eroberte. Damals war der Mann aus Madagaskar nur aus dem Fifa-Sumpf bekannt: 2010 hatte er den (wegen Korruption gesperrten) Katarer Mohamed bin Hammam um Geld angefragt, es soll auch geflossen sein. Aber Ahmad tat Infantino auch Gutes. Der frühere Fischereiminister stellte dem Fifa-Boss eine Freundin vor, die für das regionale UN-Ernährungsprogramm zuständig war: Fatma Samoura. Kurz darauf wurde die Senegalesin zur Top-Hauptamtlichen im Weltfußball. Ihr Salär im Jahr 2018 betrug 1,5 Millionen Euro.
Drei Vizepräsidenten wurden in Kairo installiert: Sie illustrieren das Milieu
Was die Topmanagerin des Weltfußballs seit 2016 tat, wofür sie steht, weiß bis heute niemand. Im Fifa-Haus regiert nur Infantino, der sich aber bezüglich Samoura eine entlarvende Andeutung leistete. "Wir haben in Fatma eine Frau als Generalsekretärin", rief er beim Kongress in Paris in die Halle, "und sie ist auch keine Europäerin!" Im selben Moment tauchte das Gesicht der Westafrikanerin auf der riesigen Leinwand auf - jeder konnte sehen, wie Samoura diese Zurschaustellung empfand.
Nun soll die Frau, die Ahmad ihre Traumgage verdankt, dessen sportpolitische Sickergrube leeren. Aber was die Fifa unter Aufräumen versteht, hat sie schon in Kairo gezeigt. Hinter Ahmad wurden drei Vizepräsidenten installiert, die für das Milieu stehen. Erster Caf-Vize ist Constant Omari: Im Vorjahr wurde er in seiner Heimat Kongo im Zuge einer Untreue-Ermittlung festgesetzt, es geht um eine Million Dollar, die aus der Staatskasse für vier Fußballspiele vorgesehen waren. Der Fall ist noch anhängig. Zweiter Vize wurde Fouzi Lekjaa: Marokkos Verbandschef hatte zu Wochenbeginn eine Disziplinaranhörung geschwänzt, er soll nach dem Finalrückspiel im Confederation Cup des Caf in Alexandria den äthiopischen Referee attackiert haben. Die Disziplinarkammer beklagt offen, sie sei zum Rückzug aus diesem Fall gezwungen worden und habe ihn an den Caf abgeben müssen.
Dritter Vize: Danny Jordaan. Zu Hause in Südafrika wird ihm Vergewaltigung vorgeworfen. Und das FBI verdächtigt Jordaan, Organisationschef der WM 2010 am Kap, der Mitwirkung an einer korrupten Zehn-Millionen-Dollar-Spende an den Fifa-Vorstand Jack Warner. Eine hübsche Bilanz unter Ahmads Regie kommt da zustande, dessen vormalige Stellvertreter schon abdanken mussten: 2018 zunächst Kwesi Nyantakyi wegen Korruption; dabei hatte Infantino den Ghanaer just in den Vorstand einer obskuren neuen Fifa-Stiftung berufen. Und jetzt in Kairo Amaju Pinnick: Nigerias Verbandschef war zu Monatsbeginn vor ein heimatliches Gericht zitiert worden, es geht um den Verbleib von 8,4 Millionen Dollar Fifa-Fördergeldern. So bleibt alles bleibt beim Alten in der neue Afrika-Abteilung des Weltfußballs. Und bei einer Führungsriege, die sich wie ein Fahndungsregister liest.