Fifa-Boss Sepp Blatter:Nur noch ein Witz

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Mit den PR-Beratern in seiner Wagenburg: Fifa-Boss Sepp Blatter. (Foto: Clive Rose)

Rücktritt vom Rücktritt? Es darf längst nicht mehr ernst genommen werden, was aus der Schweizer Wagenburg von Sepp Blatter dringt. Die großen Verbände müssen raus aus den Trümmern der Fifa.

Kommentar von Thomas Kistner

Es ist ein bisschen schade, dass Sepp Blatter und sein Generalsekretär Jérôme Valcke ausgerechnet jetzt, in diesen nahezu fußballfreien Sommerwochen, zu sehr beschäftigt sind, um mal kurz bei der Frauen-WM in Kanada vorbeizuschauen, auf nordamerikanischem Boden. Ja, es ist sogar eine nie dagewesene protokollarische Zurücksetzung dieses Wettbewerbs. Nicht bekannt ist, welche bedeutungsvolle Aufgabe die beiden Fifa-Granden an der Reise in nordamerikanische Hoheitsgefilde hindert. Dass es aber keineswegs die Furcht vor den überall in der Welt laufenden FBI-Ermittlungen ist, haben sie oft genug betont. Insofern ist das halt nur wieder mal eine zeitliche Koinzidenz der Ereignisse. So, wie es in Blatters Fifa fester Brauch ist.

Die Europäer würde ein solcher Affront düpieren

Zuletzt ist dem Boss ja auch ganz zufällig - vier Tage, nachdem er erneut ins Amt gewählt worden war - der Gedanke gekommen, dass er eigentlich abtreten will, weil ihm die Unterstützung in weiten Teilen der Fußballwelt fehle. Diesen Rücktritt hat er allerdings so verkündet, wie ein Blatter alles verkündet, was in eigener Sache läuft: vage, nach allen Seiten offen. Irgendwann in nächster Zeit machen wir mal einen Wahlkongress, oder so. Oder nicht. Diese Verkündigungspolitik steht in der festen Tradition von Aussagen, wie er sie beispielsweise auch über sein mutmaßlich enormes Einkommen in der Fifa zu treffen pflegt, eines der größten Mysterien, das noch auf Enthüllung wartet: Er verdiene "eine Million, vielleicht ein bisschen mehr". Wenn's dann am Ende ein bisschen sehr, sehr viel mehr sein sollte, hat der Blatter ja nicht gelogen, oder?

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Insofern darf nicht mehr ernst genommen werden, was aus der Schweizer Wagenburg des Fifa-Patrons dringt. Gerade erst hat sein Krisenkommunikator Walter de Gregorio abgedankt, schon werfen die nächsten PR-Berater ihre Nebelkerzen: Blatter trete vom Rücktritt zurück - Afrikaner und Asiaten bräuchten ihn. Ein Witz? Klar. Er gibt aber einen erhellenden Hinweis: Nun kann die Sportwelt sehen, welche Ideen dem 79-jährigen Fifa-Guru noch immer durch den Kopf spuken.

Europas Funktionäre winken müde ab. Sie empfinden Blatters Vorstoß in den heimatlichen Medien als bizarr. Andererseits: Wäre es nicht durchaus wünschenswert, wenn er es tatsächlich wagen sollte, unter Verweis auf den Zuspruch von Funktionären in Afrika und Asien den Rücktritt vom Rücktritt zu vollziehen? Höchsten Unterhaltungswert besäße ja dann der Aufruhr unter Europas Fußballmächten; von München über Mailand bis Manchester, von der Premier League bis in die Bundesliga. Wie würde sich das einzig reale Zentrum der Fußballwelt, durch das mehr als 80 Prozent der Milliarden- einnahmen dieses Geschäfts laufen, zu einem derart dreisten Affront stellen?

Es blieben zwei Möglichkeiten: Entweder teilt Europa die Sicht der Fußball- und Antikorruptionsexperten aus Simbabwe und Burundi, Guam und Guinea, Vanuatu und von den Marshall-Inseln, und ließe sich erneut brav unter Blatters Joch zwingen. Interessant wäre dann aber, wie sich Politik und Publikum zu so einer grotesken Sportskameraderie stellen. Vorneweg die sieben Millionen allein im DFB organisierten Mitglieder, denen jüngst von Präsident Wolfgang Niersbach ein Thesenpapier zur Blatter-freien Fifa-Zukunft unterbreitet worden ist.

Als Alternative zum Duckmäusertum bliebe nur, dass die großen Verbände endlich Ernst machen. Ob Boykott, Ausstieg, Gründung eines eigenen Dachverbands: Jedenfalls nichts wie raus aus den Trümmern einer Fifa, in der Blatters letztes Lachen bald verhallt sein wird.

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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