Fifa beim Confed Cup:Tränengas zum Champagner

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Trotz der Proteste in Brasilien machen die Fifa und ihr Boss Sepp Blatter weiter wie bislang. Die Ausgaben werden sozialisiert, die Einnahmen privatisiert innerhalb der Schampus schlürfenden Fifa-Familie. Doch der Confed Cup bringt der Fußball-Clique eine ganz neue Erfahrung: Es wird einsam um sie.

Von Thomas Kistner, Rio de Janeiro

Am Mittwoch sagte Sepp Blatter, die Proteste hätten gar nichts mit dem Fußball zu tun. Am Donnerstag gab es ein riesiges Plakat: "Fifa go home!" (Foto: WHITAKER/Reuters)

Auch die Fifa tut ihr Bestes, um die Stimmung in Brasilien dem vorrevolutionären Frankreich anzugleichen. Während im WM-Land die Straßen brennen, verkündete der Fußball-Weltverband gerade einen neuen Sponsor: Den "offiziellen Champagner"-Status für die WM 2014 erhält die Edelmarke Taittinger. Sie kommen gar nicht mehr nach im Veranstalterland, die Tollheiten der Fußballbosse so flott zu geißeln, wie sie verzapft werden.

Als etwa am Mittwoch Sepp Blatter erklärt hatte, die Proteste hätten gar nichts mit dem Fußball zu tun, entrollten die Fans am Donnerstag beim Halbfinale in Fortaleza ein riesiges Plakat: "Fifa go home!"

Aber an Blatter perlt alles ab. Er ist die Fifa, und er geht nicht heim. Vielmehr ist ihm zuzutrauen, dass er der Welt am Ende dieser rauchenden Party erzählt, dass der neue Weg, den Brasilien beschreitet, nie möglich gewesen wäre ohne das segensreiche Wirken der Fifa im Lande. So aalglatt reagiert seine Organisation ja gerne; jetzt auch auf die Empörung über die Schampus-Nummer: Eilig wird versprochen, diese Einnahmen würden gespendet. Man sollte das sehr genau prüfen.

Denn noch ist ja nicht Schluss, noch heißt es für die angefeindete Kolonialmacht und ihre Sponsoren: Achtung Fußball - volle Deckung, bloß die Leute nicht noch mehr reizen! Stündlich, so hat es den Eindruck, müssen die Sicherheitsmaßnahmen um Blatters Hofstaat erhöht werden, das Finale am Sonntag im Maracanã-Stadion könnte auf den Ausnahmezustand zusteuern. Und Blatter und die Seinen müssen wenigstens geschützt werden, wenn sie schon nicht mehr zu retten sind.

Der Preis fürs Ausharren? Es wird einsam um sie. Gut zu sehen ist das an Brasiliens verflossenen WM-Helden: Die hatten sich zu Beginn der Proteste noch brav bei den Mächtigen des Ballgeschäfts eingereiht. Nun merken auch sie, dass diese Leute mit Fußball eher am Rande zu tun haben.

Der große Pelé etwa hatte anfänglich selbst schwer protestiert gegen die Proteste: "Vergessen wir die Konfusion im Lande, diese ganzen Proteste, denken wir lieber daran, dass die Seleção unser Land ist, unser Blut!" Woraufhin die Menschen in seiner Geburtsstadt Três Corações dem dortigen Pelé-Denkmal den Mund zuklebten. Mit einem dicken, gelben Klebestreifen. Jetzt beschwört Pelé seine historische Volksnähe und ist strikt für die Proteste.

Von Ronaldo steht so engagierte Abwehrarbeit noch aus. Der gelernte Kicker hatte zur Sozialdebatte im Land den Hinweis beigesteuert, dass man "mit Krankenhäusern keine WM veranstalten kann". Zwar hat auch er nun den Schuss gehört, doch als offizielles Gesicht des Organisationskomitees COL ist er weiter in beiden Welten zu Hause; fast könnte man sagen, zwischen Taittinger und Tränengas. So erträgt er tapfer, in den Medien als "Judas" gescholten zu werden und als einer, der immer noch glaube, "Brasiliens Nationalbank werde vom lieben Gott aufgefüllt".

Der liebe Gott speist leider keine Konten; schlimmer, er vergibt nicht einmal Sport-Turniere. Sollte sich unter politischen Entscheidungsträgern einmal herumsprechen, dass WM oder Olympia keine göttlichen Gaben sind, die man mit gebeugtem Knie empfängt, dann könnte weithin die Erkenntnis dämmern, dass der Big Deal mit den Cartolas prinzipiell so abläuft wie just zwischen Zuckerhut und Amazonas: Die Ausgaben werden sozialisiert, die Einnahmen privatisiert - und zwar innerhalb der Schampus schlürfenden Fußball-Familie. Veranstalterländer künftig als Fifa-Wirtstiere zu bezeichnen, wäre vielleicht ein erster Schritt.

Der brasilianische Frühling geht aufs Finale zu. Der Frühling des Fußballs muss noch ein wenig warten. Aber Vorboten sind da: Wie nie zuvor stellt dieser Confed Cup die klare Trennung her zwischen dem Fußball, der hier gefeiert und gefördert wird, und seinen Funktionären. Die zwar parasitär wie immer an der Veranstaltung hängen, aber schmerzhaft lernen müssen, auf welch breite Ablehnung sie stoßen. Ihr Platz ist, in der Fußballsprache ausgedrückt, im Abseits.

So verhalten sie sich bereits. Sepp Blatter ist zu den Halbfinalspielen nur noch kurzfristig an- und sofort wieder abgereist. Dem Internetportal UOL erklärte er trotzdem noch einmal die Proteste: "Das sind soziale Probleme Brasiliens und nicht des Fußballs. Der Fußball bringt nur Freude für die ganze Welt." Ob er sich sicher fühlt, der Botschafter der Freude? "Natürlich." Darauf ein Schlückchen von dem guten Tropfen. Auf die Einsatztruppen von der Nationalgarde.

© SZ vom 29.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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