Josef Ferstl in Kitzbühel:40 Jahre nach Papa

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Josef Ferstl gewinnt den Super-G. (Foto: Joe Klamar/AFP)
  • Josef Ferstl gewinnt den Super-G von Kitzbühel. Es ist erst sein zweiter Weltcup-Sieg.
  • Er siegt mit der Startnummer 1 - der erste Fahrer des Tages gilt eigentlich als "Testpilot".
  • Vor genau 40 Jahren gewann sein Vater ein Rennen an gleicher Stelle.

Von Johannes Knuth, Kitzbühel

Die erste Reaktion: ein zartes Grinsen. Ein kurzer Gruß ins Publikum. Josef Ferstl konnte jetzt ja schlecht in seiner Freude baden, er hatte zwar die Bestzeit erzielt, aber als erster Starter in diesem Super-G von Kitzbühel hatte er nur an sich selbst vorbeikommen müssen. Und Startnummer eins gewinnt selten in der kurvigeren Speed-Disziplin, es gibt keine Trainingsläufe, die Fahrer dürfen die Piste nur einmal besichtigen. Der erste Starter ist da meist der Testpilot. Ferstl plumpste also erst mal in stiller Zufriedenheit auf den Sitz, den sie im Zielraum für den Führenden reserviert hatten.

Und da blieb er dann. Und blieb und blieb. Als Vincent Kriechmayr verflixt schnell unterwegs war, hatte es kurz den Anschein, als wolle Ferstl seinen Platz räumen - aber dann fuhr der Österreicher vor dem Hausberg einen Umweg. Ferstl plumpste verdattert auf den Sitz. Und so ging das immer weiter, aufstehen, hinsetzen, ungläubig dreinschauen, der Franzose Johan Clarey, am Ende Zweiter, kam auf acht Hundertstelsekunden heran, Dominik Paris wurde Dritter. Bis irgendwann niemand mehr übrig war, der Ferstls Zeit unterbieten konnte.

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Ferstl litt immer ein wenig unter der Bürde seines Vaters - das dürfte nun vorbei sein

Die deutschen Skirennfahrer und Kitzbühel, das war irgendwie schon immer eine spezielle Beziehung. Felix Neureuther, lange gesegnet mit großem Talent fürs Skifahren und für Flausen ebenso, gewann hier 2010 seinen ersten Weltcup. Der Vater, der 1979 schon den Kitz-Slalom gewonnen hatte, wartete damals im Ziel, die Mama natürlich auch. Wobei die Rosi sich erst mal ärgerte, dass der Bua ihr mit Turnschuhen durch den Schnee entgegenkam - was hätte der sich erkälten können! Vor einem Jahr gewann Thomas Dreßen dann auf der Streif, es war sein erster Weltcupsieg überhaupt. Er hatte einst den Vater, seinen ersten Trainer, bei einem Unglück verloren, er wollte es auch deshalb immer in den Weltcup schaffen. Kitschiger", sagte Dreßen damals, "geht's eigentlich nimmer".

Nun, kitschiger geht es dann doch irgendwie immer. Erst gewinnt Papa Ferstl 1978 und 1979 auf der Streif, dem schwersten, mit Mythen überfrachteten Hügel im Weltcup. Nun der Sohn, 40 Jahre später. Da war es auch wurscht, dass der Junior den Super-G gewann, der erst seit 2000 ständig im Programm steht (und bei dem es bis zuletzt nie ein Deutscher aufs Podium geschafft hatte). "Unfassbar", "sprachlos", so knüpfte Ferstl die Superlative aneinander. Irgendwann kam der Vater dazu, der wieder im Publikum gesessen hatte - in Kitzbühel kommt ja nichts weg - und erzählte, wie er den Sohn nur einmal zu etwas gedrängt hatte: Als er den sechs Jahre alten, plärrenden "Stöpsel" in Kitzbühel durch die Traverse schickte. Aber "vielleicht war das ja ein Vorteil", fand der Senior. Später, bei der Siegerehrung, überreichte er dem Sohn die Gams-Trophäe, die dritte also, die in den Familienbesitz übergeht.

Josef Ferstl vom SC Hammer ist kein animalischer Abfahrer wie Hermann Maier, kein Lebemann wie Alberto Tomba, keine Überfigur wie Neureuther. Er wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in Waging am See, fährt "ganz gut" Bagger, weil der Vater ein Tiefbau-Firma unterhält. Ansonsten sei Ferstl, wie Cheftrainer Mathias Berthold einmal sagte, "nett, sensibel, sehr talentiert". Aber bis er das Talent konstant in hochwertige Ergebnisse überführte, habe es halt gedauert. "Ich war früher schon ein bisschen a Spitzbua", hat Ferstl mal gesagt, er mache vieles nach Bauchgefühl, früher verpasste er schon mal fast den Start. Vor drei Jahren riss ihm das Kreuzband, aber er kam zurück - auch, weil die Teamkollegen Andreas Sander und Dreßen einen Sog entfacht hatten, der am Sonntag auch Dominik Schwaiger auf Rang zwölf zog. Und seit Ferstl Vater ist, nehme er den Sport schon wichtig, aber nicht zu sehr. Der Spitzbua, hat Sander vor einem Jahr gesagt, sei erwachsen geworden.

Im Dezember 2017 gewann er sein erstes Weltcup-Rennen

Ferstl profitierte auch davon, dass sie vor fünf Jahren neue Trainer im DSV installierten: Berthold und Christian Schwaiger, letzteren als Abfahrtscoach. Bevor man flott geradeaus fahren dürfe, lehrte Schwaiger, müsse man sich erst mal einen guten Riesenslalom-Schwung antrainieren. Aus dieser Kurvenfertigkeit wachse alles Weitere: Vertrauen ins eigene Können, Lust am Risiko. Und dann, sagte Schwaiger, "hast du in diesem Sport immer eine Chance". Das war wichtig für Ferstl, "der immer ein wenig unter dieser Bürde des Vaters gelitten hat", wie Sportdirektor Wolfgang Maier am Sonntag sagte.

Im Dezember 2017 gewann er seinen ersten Weltcup, den Super-G in Gröden, es ging noch ein wenig auf und ab und wieder bergauf. Und dann kam der Sonntag, an dem Ferstl all das bündelte, was ihm die Trainer immer wieder aufgetragen hatten: Die Gedanken nicht an das ketten, was mal war oder sein könnte. Das Beste aus allem machen, auch aus einer ungünstigen Startnummer. "Ein unglaublicher Befreiungsschlag" sei das nun, sagte Maier, nach den Kreuzbandrissen von Dreßen und Sander oder den Debatten um den aberkannten Weltcup-Erfolg von Stefan Luitz: "Man kaschiert das nach außen, aber intern hinterlässt das Spuren."

Ein Streif-Sieg macht gelassener, er taucht alles in ein wärmeres Licht: die Vergleiche mit dem Vater, die Sprüche, der junge Ferstl packt es nicht, solche Sachen. Er habe jetzt nur noch ein Wunsch, scherzte Ferstl: er wolle jetzt schon seine eigene Gondel haben, die sie in Kitzbühel jedem Sieger widmen. "Und nicht irgendeine Ausbesserung", von den Modellen des Papas.

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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