Ferrari vor dem GP in Monza:Demnächst unbesiegbar

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Beim Heimrennen in Italien schaut an diesem Wochenende alles auf die roten Flitzer: Obwohl Ferrari in der Formel 1 derzeit seinem Anspruch hinterher fährt, sieht man bei der Scuderia dennoch eine rosige Zukunft. Dabei bauen die Verantwortlichen auf Fernando Alonso als Spitzenfahrer - und planen bereits für die kommende Saison.

Michael Neudecker, Monza

Und jetzt steht da dieser Elefant im Fahrerlager, 1,60 Meter hoch, 65 Kilo schwer, steht da, ein sonderbares Grinsen ins Gesicht gemalt, die Kunststoffhaut glänzt in der Sonne. In Mailand findet bald eine Elefantenparade statt, eine Wohltätigkeitsveranstaltung, da wird der Elefant teilnehmen, er wird der Star der Parade sein.

Titeljagd 2012: Die aktuelle Rennsaison haben sie bei Ferrari quasi schon abgeschrieben - der Fokus liegt auf der WM im kommenden Jahr.  (Foto: AP)

Sie haben ihm den technisch klingenden Namen Nello T gegeben, und man kann schon über die Bedeutung von Kunststoffefanten in Formel-1-Fahrerlagern streiten - aber nicht in Monza. Nello ist rotweiß, er steht vor dem Motorhome von Ferrari, und als sie ihn am Donnerstag enthüllten, wuselten um ihn herum viele Menschen mit Fotoapparaten. Sie wirkten aufgeregt. In Monza ist vieles anders als anderswo in der Formel 1, jedenfalls immer dort, wo Ferrari ist.

Monza ist das Heimrennen des ältesten noch aktiven Formel-1-Teams der Geschichte; an diesem Sonntag fahren sie zum 62. Mal über die Rennstrecke von Monza, auf keinem Kurs wurden mehr Formel-1-Rennen ausgetragen. "Unsere Mechaniker haben ihre Familien und Freunde hier auf der Tribüne", sagt Ferrari-Fahrer Fernando Alonso, "wir geben ja immer 100 Prozent, aber in Monza geben wir noch mehr." Vom Sieg spricht Alonso nicht, das kann er nicht: Es läuft nicht für Ferrari in dieser Saison.

Bei den bisher zwölf Rennen war Alonso zwar immerhin sechsmal auf dem Podium, aber er gewann nur einmal, und in der WM-Wertung ist er Dritter: Das ist zu wenig für Ferrari. "Ferrari ist zum Siegen verdammt", sagt Teamchef Stefano Domenicali, "wir werden es uns nie erlauben können, über einen zweiten Platz zu lächeln." Schon beim ersten Rennen in Melbourne war Alonso Sebastian Vettel hoffnungslos unterlegen, er wurde Vierter, Vettel gewann, und das, sagte Domenicali dieser Tage der Zeitung La Repubblica, sei "inaccettabile e scioccante" gewesen: inakzeptabel und schockierend. Aber so ging das weiter, und auch, wenn Alonso inzwischen etwas aufgeholt hat: "Es sollte eigentlich besser laufen für uns", sagt Alonso, er blickt ernst.

Wenn im Sport die Ergebnisse fehlen, werden Menschen entlassen, Ferrari hat das natürlich auch gemacht: Noch vor der Saison wurde Chefingenieur Chris Dyer als Konsequenz aus dem verpassten Titel 2010 gefeuert, und dann, nach fünf Rennen, auch Technikchef Aldo Costa. Das Problem seien ja nicht Alonso oder sein Kollege Felipe Massa, sondern das Auto, befand man.

Ferrari hat gerade, was die Aerodynamik angeht, in der Tat ein paar Entwicklungen verpasst, insbesondere im Vergleich zum Siegauto von Red Bull. Hinzu kamen anfangs Konstruktionsfehler am Auspuff und das noch immer bestehende Problem, dass das Auto Schwierigkeiten hat, die Reifen bei kühlerem Wetter auf Renntemperatur zu bringen. "Das müssen wir jetzt endlich in Griff kriegen", sagt Domenicali. Am besten sofort: Die Menschen in Monza erwarten nichts als den Sieg.

In Monza konzentriert sich all die Euphorie der Italiener, ihre Leidenschaft für den Rennsport und seine Helden, und wenn das Rennen beginnt, dann droht sie zu explodieren. "Hier zu fahren und in einem Ferrari zu sitzen", sagt der langjährige Ferrari-Fahrer Michael Schumacher, "das ist schon aufregend."

Am Donnerstag war die Boxengasse offen für die Zuschauer, nur ein hüfthohes Absperrgitter trennte sie von den Garagen der Teams, sie drängten sich an das Gitter, vor ihnen übte das Ferrari-Team Reifen wechseln, und dann kam Schumacher aus der benachbarten Mercedes-Box zum Autogramme schreiben.

Die Menschen schrien, kreischten, die Ordner stemmten sich mit aller Kraft gegen das Gitter, aber die Menge war schon ein nicht mehr zähmbares Wesen geworden, das Schumacher folgte, wohin er ging. Er hat mit Ferrari fünf Mal die Weltmeisterschaft gewonnen, im Grunde verhält es sich so: Die meisten Ferrari-Fans glauben an Gott, aber dann kommt schon Michael Schumacher.

Am Sonntag ist die Boxengasse für die Zuschauer gesperrt, aber wenn das Rennen vorbei ist, werden sie wieder zu Tausenden auf die Strecke strömen, bis zur Plattform, wo die Siegerehrung stattfindet, so ist das immer hier. "In Monza auf dem Podium zu stehen ist eine der schönsten Erfahrungen überhaupt", sagt Schumacher, "man kann hier in die Gesichter der Fans schauen." Schumacher hat dieses Gefühl oft erlebt, er hat hier fünfmal mit Ferrari gewonnen. Fernando Alonso ist das immerhin schon einmal mit Ferrari geglückt: im vergangenen Jahr.

Es ist nicht auszuschließen, dass Alonso das jetzt wieder gelingen kann. Stefano Domenicali findet, die Umstrukturierungen im Team würden bereits Wirkung zeigen, belegbar durch ordentliche Rennleistungen von Alonso in den vergangenen Wochen: in den zurückliegenden fünf Rennen war er viermal auf dem Podium.

Sie wollten um Alonso herum ein Team aufbauen, sagt Domenicali, so wie sie es schon bei Schumacher gemacht haben, und so ein Prozess brauche eben Zeit, aber nun sei er so gut wie abgeschlossen. Die aktuelle Meisterschaft sei "verloren", aber wenn die neue Saison komme, sagt Domenicali, sei Ferrari bereit, wieder um den Titel zu fahren. Mehr noch: "Ich bin davon überzeugt, dass wir gerade das Fundament für eine unbesiegbare Struktur aufbauen." Stefano Domenicali arbeitet seit 1991 bei Ferrari. Er weiß, was die Fans jetzt brauchen.

© SZ vom 10.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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