Ferrari in der Formel 1:Vettel befeuert die Roten

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In Singapur genießt Sebastian Vettel seinen deutlichen Sieg auf dem Podium. (Foto: dpa)
  • Als Mercedes beim Großen Preis von Singapur schwächelt, schlägt Sebastian Vettel zu.
  • Die wiedererlangte Stärke spiegelt sich in neuer Taktik und neuem Team-Geist wider.
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Von Elmar Brümmer, Singapur

Dem Großen Preis der Überraschungen folgt der Grand Prix der Gesten. Sebastian Vettel weiß gar nicht mehr wohin mit dem Adrenalin. Nach seinem dritten Sieg im ersten Formel-1-Jahr mit Ferrari poliert er erst die Fahrzeugspitze des roten Rennwagens, dann küsst er das stolze Wappenpferdchen der Scuderia, schließlich klopft er dreimal auf die Karosserie. So geht es auch mit den Mechanikern weiter, Schläge auf die Schulter, Knutscher auf die Stirn. Die Truppe aus Maranello wirkt wie wiederbelebt, und der Heppenheimer ist der leitende Notarzt bei dieser Operation.

Als er nach zwei Stunden über die Ziellinie des Marina Bay Street Circuit geschossen war, brüllte er auf Italienisch ins Helmmikrofon: "Die Reise beginnt erst, Jungs." Oben auf dem Podium sang er die deutsche Hymne mit, bei der Il Canto degli Italiani klopfte er sich dreimal auf den Overall, dorthin wo das Herz sitzt. Alle aus der Mannschaft unten in der Boxengasse hatten sich ineinander verhakt. Was für ein Ausdruck des Zusammenhalts. So groß, dass Tumulte im Parc fermé ausbrachen, wofür sich Teamchef Maurizio Arrivabene beim Veranstalter entschuldigen musste.

Vettel jagt die Rekorde

Drei Siege in 13 Rennen, dazu die erste Pole-Position in Rot - das hebt Vettel auf das Niveau seines Freundes und Vorbilds Michael Schumacher. Und es lässt ihn in der ewigen Bestenliste der Formel 1 mit 42 Siegen an Ayrton Senna vorbei auf Rang drei ziehen. Jene Marke, die WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton erreichen wollte, bevor eine lockere Schraube seinem Mercedes-Turbo die Luft ausgehen ließ.

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In der Karriere von Sebastian Vettel geht es nie ohne den Vergleich zu Schumacher und schon gar nicht, seit er bei Ferrari ist. Auf die Frage, ob er noch dessen Rekord von 91 Grand-Prix-Erfolgen zu knacken gedenke, antwortet der 28-Jährige: "Diese ganzen Rekorde von Michael . . . Sich damit zu vergleichen, das ist lächerlich. Das ist ganz weit weg. Nehmen wir die 23 Kurven der Strecke von Singapur als Vergleich. Dann sehe ich mich in Kurve eins, Michael in Kurve 23."

Vettel will den Moment genießen, er weigert sich, in die Zukunft zu blicken. Höchstens in die nähere - am kommenden Sonntag steht in Suzuka in Japan schon das nächste Rennen auf dem Programm, mit einer ganz anderen Streckencharakteristik. "Da dürfte Mercedes zurückkehren", prophezeit Vettel, der Analytiker. Die bis zu eineinhalb Sekunden, die den Silberpfeilen in Singapur pro Runde auf Ferrari und Red Bull fehlten, hatten viel mit einer unerklärlich schwachen Reifennutzung zu tun.

Wie alarmierend der zweite technische Ausfall in Serie der Mercedes-Flotte wirklich ist, darüber kann nur spekuliert werden. Zufall, oder der Tribut für eine nochmals gesteigerte Leistung, um die Aufholjagd von Ferrari zu kontern? Teamchef Toto Wolff weiß, dass der Moment bei allem Vorsprung gerade besonders heikel ist, um Schwächen an den Tag zu legen. Die WM geht in das letzte Drittel, da spielt das Mentale eine entscheidende Rolle. "Es ist der erste Schlag dieser Art, den wir hinnehmen müssen. Und wir betrachten ihn als charakterbildende Maßnahme", sagt Wolff. Der Österreicher weiß, was jetzt zunächst folgen wird: Verschwörungstheorien, Unruhe, noch höhere Anspannung.

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Sebastian Vettel weiß das auch, und genau deshalb spielt er - bei 41 Punkten Rückstand - ganz genüsslich dieses Spiel. "Ich denke, die Silbernen werden in Suzuka zurückkommen. Aber wenn wir Wochenenden wie dieses haben, sind wir noch im Titelrennen. Wir müssen dabei einfach nur auf uns selbst und unsere Leistung schauen. Vielleicht können wir das Unmögliche möglich machen. Versuchen werden wir es jedenfalls. Maximale Attacke!"

Ferrari taktiert geschickt

Dass der Umbauprozess der Scuderia tatsächlich schneller als gedacht voranschreitet, hat mit der Kombination zweier Entwicklungsprogramme zu tun. Einerseits baut Manager Arrivabene nach einem ersten radikalen Schnitt im letzten Jahr punktuell um und verbreitet einen neuen Teamgeist; Vettel assistiert dabei als eine Art Mannschaftskapitän. Parallel dazu betreibt der britische Technikchef James Allison die laufende Entwicklung nach anfänglicher Behutsamkeit inzwischen auf Hochtouren. Schon der Sieg im zweiten WM-Lauf festigte die Taktik, immer dann da zu sein, wenn Mercedes schwächelt. Anders als früher unterliegt der Einsatz der Ressourcen dabei einem genauen Timing. So hatte man früh antizipiert, dass es im Kurvengeschlängel von Singapur eine Erfolgschance geben würde.

"Wenn es nach der Motivation ginge, würden wir die WM schon anführen", hatte Teamchef Maurizio Arrivabene in Singapur schon nach der Pole-Position gesagt. Dem Triumph im Rennen schickte er ein heiseres "Du bist ein Magier, Seb" über Funk hinterher. "Was er leistet, erinnert mich an die ganz großen Rennfahrer der Vergangenheit. Wir sind wirklich stolz", so Arrivabene über Vettel.

Vom Fiat-Vorsitzenden Sergio Marchionne kam umgehend ein weiteres Glückwunschschreiben, das allerdings mehr Verpflichtungserklärung war: "Im Namen von allen Ferrari-Mitarbeitern verspreche ich, dass dieser Erfolg keine Eintagsfliege war, sondern ein großer Schritt auf unserem Weg zurück zur Spitze. Wir wollen die italienische Hymne noch öfter hören."

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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