Zehn Zylinder der Formel 1:Alles explodiert um Vettel herum

Den Sieg in Singapur feiert Vettel ausgelassen wie einen WM-Titel. Dem 17-jährigen Max Verstappen gelingt ein seltenes Kunststück und endlich sitzt mal wieder ein Ami im Cockpit. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Singapur

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Alexander Rossi

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Quelle: AP

Am Dienstagmorgen hat er erfahren, dass er für Manor Racing sein erstes Formel-1-Rennen fahren soll, abends saß Alexander Rossi im Flugzeug nach Singapur. Seit drei Jahren hofft er auf eine Grand-Prix-Chance, und plötzlich macht ein Sponsor so viel Druck, dass er einen Sitz bekommt. Zwar beim Schlusslicht, aber immerhin. "Auf so einen Anruf musst du immer vorbereitet sein. Ich bin es, seit ich Rennen fahre", sagt der 23-Jährige. Er ist der erste US-Amerikaner seit Scott Speed in der Saison 2007. Einziges Ziel in den fünf Rennen, die er den Spanier Roberto Merhi ersetzen darf: Teamkollege Will Stevens schlagen. In Singapur ist ihm das mit Platz 15 gelungen, obwohl er im Training sein Auto noch gegen die Mauer gelenkt hatte. Ende Oktober erlebt er dann beim Großen Preis der USA in Austin sogar ein Heimspiel. Zufall ist die Verpflichtung daher vermutlich nicht. Eher Werbetrommel.

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Sebastian Vettel

Ferrari Formula One driver Vettel of Germany hugs a team mate after winning the Singapore F1 Grand Prix

Quelle: REUTERS

Und dann explodiert alles um Sebastian Vettel herum, ein standesgemäßes Feuerwerk für die nächste große Formel-1-Überraschung des Jahres. Pole-Position, die erste für Ferrari seit 2012, und ein Start-Ziel-Sieg, sein vierter in der Marina Bay. Er trommelt erst aufs rote Auto, dann knutscht er es, und weil zur Hälfte der Distanz die Trinkflasche versiegte, stillt er den Durst mit Champagner. Siegestrunken ist der Heppenheimer, im Wortsinn. "Was für eine Reise" hat er auf Italienisch ins Helmmikrofon gebrüllt. Sie soll noch nicht zu Ende sein. Vettel hat den Lauf und ruft zur "maximalen Attacke" auf: "Vielleicht machen wir das Unmögliche möglich." Sprich: Hamilton in noch sechs Rennen einzuholen, bei 49 Punkten Rückstand. Aber erst muss dieser Moment gelebt und weiter begossen werden: "Es muss eines meiner besten Rennen gewesen sein, auf jeden Fall eines der intensivsten."

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Lewis Hamilton

Singapore Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Der Brasilianer Ayrton Senna, 1994 ums Leben gekommen, war bis zur Sonntagnacht von Singapur die Nummer drei der ewigen Siegerliste der Formel 1. 41 Siege, das wollte Lewis Hamilton einholen, und damit mit seinem Kindheitsidol gleichziehen. Statt dessen addierte Vettel, der schon bei 41 Grand-Prix-Erfolgen lag, einen weiteren hinzu. Auf die Frage, ob er nun Michael Schumacher mit 91 und Alain Prost mit 51 Siegen noch einholen könnte, antwortete der 28-Jährige: "Sich mit den ganzen Rekorden von Michael zu vergleichen, das wäre lächerlich. Das ist ganz weit weg. Nehmen wir die 23 Kurven der Strecke in Singapur - dann sehe ich mich in Kurve eins, Michael in Kurve 23. Es ist doch auch unmöglich, die Zukunft vorherzusagen." Hamilton hat bereits angekündigt, dass er den "Staffelstab" für Senna weitertragen werde, wenn er dessen Bestmarke egalisieren kann.

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Daniel Ricciardo

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Quelle: AP

Im vergangenen Jahr, als sie noch gemeinsam für Red Bull Racing an den Start gingen, verstanden sie sich nicht besonders, der junge Australier und der vierfache Weltmeister Vettel. In Singapur standen die beiden erst einträchtig in der ersten Startreihe und später auch auf dem Podium. Der zweite Platz ist das beste Saisonergebnis für Ricciardo, dem es in diesem Jahr angesichts des schwachen Antriebs von Renault so geht wie dem Deutschen im Vorjahr: er hätte fast die Lust, und für den Dauer-Grinser schlimmer noch, sein Lachen verloren. Ohne die beiden Safety-Car-Phasen, daran glaubt er fest, hätte er sogar eine Siegchance gehabt. Die Spezial-Vorbereitung vor dem anstrengendsten Rennen des Jahres hat sich damit ausgezahlt: er hatte in einem Skianzug in einer speziellen Hitzekammer in Australien für die Schwüle Südostasiens trainiert.

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Der Irrläufer

Safety Car

Quelle: dpa

Schock in Runde 37 für Sebastian Vettel, als er einsam und mit Tempo 280 auf eine Schikane zusteuert. Plötzlich sieht er einen Schatten die Strecke queren und funkt das sofort an die Box, das Rennen wird neutralisiert. Tatsächlich bewegt sich ein Fußgänger entlang der Betonbarrieren auf dem Seitenstreifen, nicht mal besonders schnell - denn der junge Mann will noch schnell ein Foto machen, ehe er durch eine Öffnung im Fangzaun wieder verschwindet und verhaftet wird. Der dritte Flitzer in der Geschichte der Formel 1 war ein sichtlich angetrunkener Engländer. Nach dem Rennen kann der Sieger über die Schrecksekunde schon wieder schmunzeln: "Das war schon kurios. Ich musste zweimal hingucken, weil ich dachte, ich seh' nicht richtig. Aber wenn das Foto nicht verwackelt ist, muss es ein Gutes sein, weil ich mit drauf bin..."

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Maurizio Arrivabene

F1 Grand Prix of Italy - Practice

Quelle: Getty Images

"Wenn es nach der mentalen Verfassung ginge, wären wir schon Weltmeister", hatte der Ferrari-Teamchef schon nach der ersten Pole-Position von Sebastian Vettel in Rot gemutmaßt. Dem Triumph im Rennen schickte er ein heiseres "Du bist ein Magier, Seb" über Boxenfunk hinterher. "Was er leistet, erinnert mich an die ganz großen Rennfahrer der Vergangenheit. Wir sind wirklich stolz", sagt der Manager, die die Truppe innerhalb von einem Jahr umgekrempelt hat - mit Vettel als Mannschaftskapitän. Dem 58-jährigen Rennstall-Manager Maurizio Arrivabene droht jetzt die Einlösung eines Versprechens. Denn vor der Saison hatte er gesagt: "Zwei Siege wären in Ordnung. Drei wären perfekt. Wenn wir vier Mal gewinnen, dann laufe ich ohne Schuhe hundert Kilometer nach Maranello." Da ist der Firmensitz von Ferrari.

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Carlos Ghosn

The IAA Frankfurt Motor Show Preview Day 1

Quelle: Bloomberg

Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung reichte es dem spanischen Vorstandschef von Renault dann: "Es ist vorbei. Immer, wenn es ein Problem im Team gibt, wird als Erstes mit dem Finger auf uns gezeigt", ereifert sich Renault Unternehmenschef Carlos Ghosn über den Partner Red Bull Racing, der keine Gelegenheit ausgelassen hat, das anfällige Hybrid-Aggregat der Franzosen öffentlich zu geißeln. Der Vertrag wird aufgelöst, und Renault steigt in großem Stil selber wieder mit einem Werksteam ein - eine entsprechende Vereinbarung mit dem Lotus-Rennstall ist inzwischen unterzeichnet. Damit bleibt der Motorenhersteller der Formel 1 erhalten. Wettbewerber Mercedes hat dem Kontrahenten sogar Schützenhilfe zugesagt. Und wie das Renn-Schicksal so spielt: Auf dem fordernden Kurs von Singapur landen alle vier Renault-Fahrer in den Top Ten, Daniel Ricciardo sogar auf dem zweiten Platz. Späte Genugtuung. Zumal Red Bull noch keinen neuen Ausrüster gefunden hat.

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Toto Wolff

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Quelle: AP

Was sagt man, wenn der eigene Spitzenfahrer zum ersten Mal seit 19 Rennen ausfällt. Wenn zum zweiten Mal in zwei Wochen ein überlegener und zuverlässiger Motor seine Sieges-Dienste verweigert. Wenn ein vierter Platz von Nico Rosberg schon als Niederlage gilt? Dann sagt der Österreicher Toto Wolff, Chef des Mercedes-Rennstalls: "Es ist der erste Schlag dieser Art, den wir hinnehmen müssen. Und wir betrachten ihn als charakterbildende Maßnahme." Die Erklärung liegt irgendwo zwischen Reifen und Asphalt, zwischen Hitze und Motor. "Vom ersten Moment an auf dem Marina Bay Street Circuit ging es für uns rückwärts", stellt der Manager fest. Dass man sich das technisch nicht erklären kann, ärgert ihn am meisten. Denn er weiß, was jetzt folgen wird: Verschwörungstheorien, Unruhe, noch höhere Nervenanspannung. Da braucht es einen starken Charakter.

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Kimi Räikkönen

Singapore Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Dass er in Monza beim Ferrari-Heimspiel beim Start nicht richtig weggekommen war, hatte böse Konsequenzen für Kimi Räikkönen. Der Finne wurde in die Rennfabrik nach Maranello zitiert und musste im Simulator das Prozedere üben - angeblich 1000 Mal. In Singapur ging alles gut, von Rang drei gestartet und als Dritter ins Ziel gekommen. Trotzdem war der 35-Jährig enttäuscht, obwohl er es erst zum zweiten Mal in diesem Jahr aufs Podium geschafft hat, und zum ersten Mal überhaupt zusammen mit Sebastian Vettel. Er ist unglücklich mit dem Handling seines Ferrari, der vielleicht mehr auf seinen deutschen Kumpel zugeschnitten ist. Vettel lobte einmal mehr die gute Beziehung der beiden: "Von meinem ersten Tag in der Formel 1 an war Kimi derjenige, der mir den meisten Respekt entgegengebracht hat. Und das hat sich bis heute kein bisschen verändert."

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Max Verstappen

F1 Grand Prix of Singapore - Practice

Quelle: Getty Images

Am Start stehen bleiben, mit einer Rund Rückstand ins Rennen gehen, und dann noch als Achter ins Ziel kommen - der jüngste Formel-1-Pilot hat in Singapur endgültig die Reifeprüfung bestanden. Von kaum einem anderen Fahrer wurden mehr Überholmanöver als von dem 17 Jahre alten Niederländer gezeigt. Und der hat einmal mehr Härte bewiesen, gegen seinen Teamkollegen Carlos Sainz. Denn obwohl der Spanier die besseren Reifen hatte, hat sich Verstappen der klaren Stallorder widersetzt, den Rivalen vorbeizulassen: "Umgekehrt hätte er das auch nicht gemacht." Was sagt Teamchef Franz Tost, der den Rennkindergarten von Red Bull zu beaufsichtigen hat: "Max hatte Recht, Carlos war zu langsam." Rücksicht und Verständnis lernt man anderswo, aber sich nicht beim Formel-1-Hardliner.

© SZ.de/cmy/schma/lala
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