FC Schalke 04:Raúl gibt's wirklich

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Bisher kannten ihn die Mitspieler nur von der Playstation. Beim ersten Kurz-Turnier zieht Raúl alle Aufmerksamkeit auf sich und entscheidet das Finale gegen den FC Bayern mit zwei Toren.

Ulrich Hartmann

Gelsenkirchen - Als Raúl González Blanco am Samstag um 16.43 Uhr zum ersten Mal im Trikot des FC Schalke 04 in die Arena einläuft, berührt er mit der rechten Hand den Rasen und bekreuzigt sich. Viele Fußballer südeuropäischer Provenienz machen das so. Raúl muss noch lernen, dass christliche Riten auf Schalke vernachlässigbar sind, denn der Traditionsklub im Herzen des Ruhrgebiets pflegt seine eigene Religion, die auf Kohle, Kumpanei und Fußball basiert. "Tausend Freunde, die zusammenstehen, dann wird der FC Schalke niemals untergehen", steht auf einem großen Schild, unter dem die Profis am Ende des Spielertunnels in den Arena-Innenraum treten.

Raúl Gonzalez Blanco in seinem ersten Schalker Finale gegen Diego Contento vom FC Bayern. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der beschwörende Satz ist eine elementare Zeile aus dem Vereinslied "Blau und Weiß, wie lieb ich dich". Auch Raúl tritt unter dem übergroßen Spruch hindurch, und wenn er die deutschen Worte auch nicht versteht, so weiß er doch spätestens seit seiner Präsentation vor zigtausend Fans am Samstagnachmittag neben dem Stadion um die religionsartige Zuneigung der Fans. "Ein großartiges Ambiente", so nennt er die Stimmung drinnen während seiner Premiere im Halbfinale des Kurz-Turniers gegen den HSV, das Schalke 2:1 gewann.

Am Abend danach konnte das Klublied umgedichtet werden, beispielsweise in: Blau und Weiß liebt nur Dich! Oder Ähnliches; jedenfalls etwas, was diesem Raúl gefallen könnte. Mit 3:1 gewann Schalke das vergleichsweise bedeutungsarme Kurz-Turnier im Finale gegen den FC Bayern, und Raúl spielte die Hauptrolle: Das 1:1 gelang ihm mit einem Stürmer-typischen Abstauber, das 3:1 mit einem Geniestreich - von der Strafraumkante sah er, dass Bayern-Schlussmann Sattelmaier zu weit vor dem Gehäuse stand, schneller Blick, schneller 16-m-Lupfer, grenzenloser Jubel. Raúl, der 16 Jahre lang nur für Real Madrid gespielt hat (228 Tore in 550 Ligaspielen), krönte seinen Einstand, der am Samstag noch eindrucksvoll, aber ohne Tor im Halbfinale gegen den HSV begann.

"Er will keine Extrawürste", sagt der Trainer Felix Magath mit Stolz in der Stimme, "er will Erfolg mit allen anderen zusammen." Viele der zahlreichen guten Chancen, die sich Schalke gegen den HSV herausspielte, beklatschte Raúl demonstrativ. Vor dem 1:1 durch Edu hatte er selbst Jefferson Farfan steil geschickt. "Das war genial", lobte Magath überschwänglich, "man hat gesehen, dass unser Spiel nach vorne schon besser läuft als in der vergangenen Saison."

Sogar das eine oder andere Mal zu oft haben die Schalker probiert, während des Spiels den Ball explizit an Raúl weiterzugeben. "Mit ihm zu spielen ist wie ein Traum, ich kannte ihn bislang nur von der Playstation", sagte Alexander Baumjohann ehrfürchtig, und Ivan Rakitic erklärte, warum jeder am liebsten nur zum Spanier spielen wollte: "Ihm den Ball zu geben ist ein bisschen, als würde man sein Geld einer Schweizer Bank anvertrauen." Raúl versprach, das Vertrauen zurückzuzahlen und mit dem Ball kein Schindluder zu treiben. "Ich will Tore schießen, damit alle hier glücklich sind", sagte der kleine Madrilene keck und ist gespannt, wen ihm Magath im Sturm noch an die Seite stellt. "In der Offensive wird auf jeden Fall noch was passieren", sagt Magath. Einen Sturmpartner für Raúl und einen offensiven Mittelfeldspieler könnten die Schalker gut gebrauchen. "Wir sind dabei, hier etwas zu entwickeln", sagte Magath und klang erstmals seit Wochen zuversichtlich.

Die Ankunft des Phänomens Raúl hat offenbar sogar den knallharten Trainer besänftigt. Der gern als "Quälix" belächelte Fitnessfanatiker hätte seinen spanischen Heilsbringer am Samstag sogar noch extra schonen und auf der Tribüne belassen wollen, aber Raúl bestand auf seinem Einsatz. "Er wollte unbedingt spielen", sagte Magath, während Raúl erklärte, dass er nach einem Jahr in Madrid mit wenigen Einsätzen nun viel Matchpraxis benötigt. "Ich muss erst richtig in Form kommen und dafür viele Minuten Einsatz sammeln." Auf Schalke freilich hat er auch in halbfertiger Verfassung schon alle verzaubert.

© SZ vom 02.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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