Schalke 04:Ein unwürdiger Schluss-Akt

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Nachdem die Schalker aus dem Mannschaftsbus ausgestiegen waren, wurden sie attackiert. (Foto: Fabian Strauch/dpa)

Schalkes Abstieg endet mit einem besonders schaurigen Kapitel. Was bei den Attacken auf Mannschaft und Umfeld passierte, ist stumpfe, brutale, kriminelle Gewalt.

Kommentar von Philipp Selldorf

Als Schalkes Fußballprofis nach dem vollbrachten Bundesligaabstieg in Bielefeld in die Mannschaftsbusse stiegen, hieß es vom Zielort Gelsenkirchen, auf dem Vereinsgelände habe sich ein Empfangskomitee von 60, vielleicht auch 70 Klubanhängern versammelt. Im Laufe der Heimreise wurde dann zwar bekannt, dass die Menge deutlich angewachsen sei. Aber nach der akut anberaumten Lagebesprechung an einer Raststätte entschieden die Verantwortlichen, die Fahrt planmäßig fortzusetzen. Selbst als bei der Ankunft am Stadion rund 500 tendenziell dunkle Gestalten zur Begrüßung beisammenstanden, hielt man die Situation noch für beherrschbar. Angeblich sollte es bei einer Strafpredigt für die Absteiger durch einen Sprecher der Fans bleiben - Gerald Asamoah, der zuständige Teammanager, sagte den Fußballern: "Wir gehen raus. Es wird nicht gesprochen, wir hören zu, was sie zu sagen haben."

Die versprochene Standpauke gab es tatsächlich, doch bekanntlich blieb es nicht bei strengen Worten. Die Lage eskalierte. Spieler und Angestellte des Vereins wurden beschimpft, bedroht, geschlagen, getreten, übers Gelände gejagt, bis vor die eigene Haustür verfolgt. Angst und Schrecken herrschten unter den Angegriffenen. Asamoah stand noch zwei Tage später erkennbar unter Schock. Zwei Momente dieser Nacht werde er immer im Kopf behalten, sagte er: das Bild eines Mitarbeiters, der am Boden liegend getreten wurde - "und die Angst in Buyos Augen". Gemeint war Co-Trainer Mike Büskens, der mitten in den gewaltsamen Tumult geraten war, ausgerechnet er: wie Asamoah eines der wenigen im Klub verbliebenen Idole aus besseren Zeiten.

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Die Aggressoren hätten wahrscheinlich sogar heimliche Sympathien in der Schalker Gemeinde geweckt, wenn sie es dabei belassen hätten, die ankommenden Teambusse mit den mitgeführten Eiern zu bewerfen. Das wäre ein expressiver Akt des Publikumsaufruhrs wie im Skandal-Theater gewesen, Ausdruck des aufgewühlten, beleidigten und wütenden Empfindens, das keinem Schalker Anhänger nach dieser horrenden Saison zu verdenken ist. Aber was in der Nacht zum Mittwoch geschehen ist, das war bloß stumpfe, brutale, kriminelle Gewalt.

Sportchef Knäbel stellt den Spielern frei, ob sie noch mal auflaufen wollen

Ein weiteres besonders schauriges Kapitel in dem Untergangsdrama, das der Klub seit mehr als einem Jahr mit scheinbar selbstzerstörerischer Lust aufführt. Und als hätte die Vereinsorganisation mit ihrer dezimierten, erschöpften und entmutigten Belegschaft nicht schon genug Probleme, so muss sie nun auch noch einen erhöhten Schwierigkeitsgrad meistern, um den sicheren und korrekten Abschluss dieser Schreckenssaison zu gewährleisten.

Der Sportchef Peter Knäbel hat die betroffenen Spieler im Namen des Klubs um Entschuldigung gebeten für die erlittenen Ängste und das überforderte Sicherheitsmanagement und ihnen freigestellt, ob sie sich noch an den verbleibenden Pflichtspielen beteiligen möchten. Diese Konzession ist eine angemessene Form der Fürsorge: Einzelne Spieler erhielten von radikalen Fans Warnungen, besser nicht mehr für den Klub anzutreten. Allerdings hat das Angebot auch Folgen, die über den Gelsenkirchener Horizont hinausgehen. Schalke trifft noch auf Gegner, die mitten im Kampf um große Themen stehen: Eintracht Frankfurt, Hertha BSC, der 1. FC Köln. Zwar ließe sich angesichts der sportlichen Bilanz fast ohne Zynismus behaupten, dass es relativ einerlei ist, ob das bisher tätige Profi-Team auf den Platz geht oder die Regionalliga-Vertretung. Aber ein Unterschied besteht natürlich schon, und der Eindruck von Wettbewerbsverzerrung muss unbedingt vermieden werden.

Dieser insgesamt reichlich unwürdigen Saison zu einem würdigen Ende zu verhelfen, das ist jetzt für alle Beteiligten sowohl die Herausforderung als auch ein lohnendes Ziel: für den Verein, der eine komplett neue Mannschaft benötigt und dafür sorgen muss, eine gute Adresse für mindestens zweitligataugliche Profis zu bleiben, und für jene Spieler, die Schalke verlassen werden. Auch sie müssen einen Ruf retten, ihren eigenen.

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