FC Ingolstadt 04:Plötzlich Jäger

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Eng geht's zu da oben an der Spitze: Das Remis hilft Rostocks Torwart Markus Kolke (unten) anders als im Bild zu vermuten aber mehr als Ingolstadts Filip Bilbija. (Foto: Stefan Bösl/Imago)

Der FC Ingolstadt bestimmt das Spitzenspiel der dritten Liga in Rostock, muss aber trotzdem einen empfindlichen Rückschlag im Aufstiegskampf hinnehmen.

Von Johannes Kirchmeier, Rostock/München

Geht das überhaupt? Nach einem Fußballspiel glücklich und gleichzeitig noch ein Stück unglücklicher zu sein? Zumindest einen ersten Beweis dieser antithetischen Durchmischung der Gefühle trat Tomas Oral am Dienstag an. Der Trainer des FC Ingolstadt 04 hatte gerade ein starkes Drittliga-Spitzenspiel seiner Mannschaft gesehen und analysierte bei Magentasport hörbar zufrieden: "Wir haben über weite Phasen das Spiel im Griff gehabt", über 90 Minuten sei sein Team "die bessere Mannschaft" gewesen, hatte "die klareren Chancen" beim 1:1 (0:0) beim FC Hansa Rostock.

Doch sichtbar zufrieden wiederum blickte er dabei weniger drein, sondern viel mehr wie ein unterlegener Feldherr, der nach seiner Heimkehr den Landsmännern und -frauen diesen vermaledeiten Krampf erklären muss. Der Ingolstädter Torschütze Dennis Eckert Ayensa drückte die Stimmung nach dem Schlusspfiff so aus: "Ehrlich gesagt fühlt es sich so kurz nach dem Spiel an wie eine Niederlage."

Drei Spiele vor dem Saisonende bedeutet das Remis beim zwei Punkte besseren Tabellenzweiten nämlich vor allem eines: Erstmals seit Januar steht der FCI wieder abseits des Podests auf dem vierten Rang, der zwar zur DFB-Pokalteilnahme berechtigt - aber in Sachen Aufstieg zu schlicht nichts. Sagenhafte neun Punkte lag das Team vor einigen Wochen noch vor dem Verfolger TSV 1860 München, nach nur einem Sieg aus sechs Partien rangiert es nun punktgleich und mit dem deutlich schlechteren Torverhältnis hinter den Löwen. Zwei Punkte hinter dem Führungsduo Dynamo Dresden und Rostock. Plötzlich - und nicht unbedingt zum günstigsten Zeitpunkt - findet sich der FCI in der Rolle des Jägers wieder.

"Jedes Spiel, das wir vor der Brust haben, ist ein Endspiel", sagt der Sechser Robin Krauße

"Wir gehen direkt hoch. Punkt", hatte der Vorstandsvorsitzende Peter Jackwerth noch vor der Partie zum Donaukurier gesagt. Darum geht es den Oberbayern in ihrem zweiten Drittliga-Jahr, schließlich dürfte ein Verbleib auch einen Umbruch bedeuten. Der Etat würde sinken und die Mannschaft, aktuell eine Mischung aus erfahrenen Erst- und Zweitliga-Recken sowie jungen Kickern aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum, würde so weiter verjüngt werden.

Aus eigener Kraft ist der Aufstieg ohne den Umweg Relegation aber nicht mehr möglich: Denn von den direkten Konkurrenten spielt nur noch der TSV 1860 am letzten Spieltag am 22. Mai in Ingolstadt. Zwölf Minuten war der FCI am Dienstag nach dem Führungstor zwischenzeitlich schon Zweiter, doch dann schlug Rostock zurück. "Wirft man einen Blick auf die Tabelle, sieht es nun natürlich wieder schwieriger für uns aus, doch es steckt verdammt viel in diesem Team", sagte Eckert Ayensa.

Das zeigte die Mannschaft. Allerdings verpasste sie es wie bereits in den vergangenen Wochen, den nötigen Ertrag aus einer guten Partie zu ziehen: Filip Bilbija scheiterte mit der besten Chance im Fünfmeterraum am krakenhaft reagierenden Hansa-Torwart Markus Kolke (11. Minute), Stefan Kutschke rutschte beim Abschluss im Strafraum weg (23.) und Bilbija schoss auch beim zweiten Abschluss Kolkes Handschuhe an (28.). Erst Eckert Ayensa erzielte nach einer Ecke von Marc Stendera die überfällige Führung (57.). Es ist ein bekanntes Muster: Fast die Hälfte seiner 48 Tore hat der FCI nach ruhendem Ball geschossen. Doch ebenso bekannt ist das Muster, dass es Ingolstadt nach einer Führung lockerer angehen lässt: Während Kutschke sich alleine vor Kolke den Ball zu weit vorlegte, nutzte auf der Gegenseite John Verhoek dieses eine Missverständnis von FCI-Innenverteidiger Björn Paulsen mit Torwart Fabijan Buntic, ging als einziger zum Ball und traf zum Endstand (69.).

"Wichtig war, dass wir wieder dieses Gesicht gezeigt und gesehen haben, dass wir dort oben wirklich eine große Rolle mitspielen können", sagte Oral dennoch. Schnell wurde klar: Sie wollen sich an der Leistung in Rostock hochziehen für den Endspurt. Und in Oral haben sie einen Coach, der als sogenannter "Feuerwehrmann" im Schlussakt erprobt ist. Mit bisweilen kuriosen Mitteln: Durch eine Waschanlage wie einst beim FSV Frankfurt hat er seine Spieler in Ingolstadt noch nicht geschickt - aber wer weiß, vielleicht braucht es den Kniff in dieser schwierigen Saison noch. Neun Punkte aus den vier Abschlussspielen, prognostizierte Jackwerth, seien nötig für den Aufstieg. Die wären mit drei Siegen noch zu erreichen. Aber das Restprogramm ist das schwerste der Aufstiegskandidaten: "Jedes Spiel, das wir vor der Brust haben, ist ein Endspiel", sagt der Sechser Robin Krauße. Am Samstag (14 Uhr) kommt der Fünfte Saarbrücken, dann geht es nach Duisburg, ehe die seit Anfang März ungeschlagenen Sechziger im Sportpark gastieren - im besten Fall geht es dann für beide Teams noch um den Aufstieg.

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