FC Chelsea in der Premier League:Wie Mourinho es will

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Der Stoppelbart ist weg: José Mourinho (Foto: AFP)

Nicht einmal das Provozieren schien José Mourinho noch Spaß zu machen - doch nun hat der Chelsea-Trainer es geschafft, die von Eigentümer Roman Abramowitsch zusammengekaufte Elf wieder ganz zu seinem Team zu machen. Einem Chelsea, das so spielt, ist fast alles zuzutrauen.

Von Raphael Honigstein, London

Als das Duell schon fast abgepfiffen war, hob er die Arme ein letztes Mal beschwörend zum Himmel und wurde sogleich erhört: Donnerndes Gebrüll aus 40.000 Kehlen erfüllte das Areal. Bald darauf konnte José Mourinho mehr als einen "großen Sieg gegen ein großes Team" feiern, wie er sagte. Und damit viel mehr als nur die drei Punkte, die den FC Chelsea als Dritten in Lauerstellung (mit zwei Zählern Rückstand auf Tabellenführer FC Arsenal) ins neue Jahr gehen lassen.

Das 2:1 der Südwest-Londoner gegen den überraschend seriösen Meisterschafts-Mitbewerber FC Liverpool markierte am vergangenen Sonntag nicht weniger als die krachende Rückkehr der blauen Dreifaltigkeit an der Stamford Bridge: Trainer, Mannschaft, Publikum stehen wieder eng zusammen wie von 2004 bis 2007, als der Rädelsführer an der Seitenlinie schon einmal auf den Namen Mourinho hörte.

Nur sechs Monate hat der Portugiese nach seiner Rückkehr gebraucht, um die nach den Wünschen von Eigentümer Roman Abramowitsch zusammengekaufte Elf wieder ganz zu seinem Team zu machen. Der fußballerische Schwerpunkt der Mannschaft hatte sich dank der Vielzahl guter Techniker im Kader unweigerlich aus der Zentrale dreißig Meter nach vorne verlagert, das birgt aus Sicht des Ergebnis-Fanatikers Mourinho unangenehme Risiken und Nebenwirkungen.

Noch vor vier Wochen wirkte er ob der gelegentlichen Unwucht seiner Elf ziemlich entmutigt, nicht einmal das Provozieren schien ihm noch Spaß zu machen. Zu seinen lustlosen Auftritten passte seine irritierend unförmige Erscheinung. Die Kombination aus Stoppelbart, Do-it-yourself-Haarschnitt, Trainingsanzug und kleinem Bauch verströmte eher Hausmeister-Flair, nicht mehr den weltläufigen Charme von einst.

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Doch seit seine Elf vor wenigen Tagen Spitzenreiter Arsenal in klassischer Chelsea-Manier (harte Zweikämpfe, Konter wie vom Reißbrett) ein 0:0 abtrotzte, scheint "Mou" seine Mitte wieder gefunden zu haben. Die Dinge laufen plötzlich nach seinem Geschmack. Der FC Chelsea schwang sich gegen die Reds trotz des frühen Rückstands durch Martin Skrtel (3.) zur besten Saisonleistung auf. Das Team kämpfte zum Teil überhart um jeden Grashalm und attackierte nach Ballgewinn mit Klarheit und Tempo. "Fantastische Propaganda für den Fußball" sei dies gewesen, freute sich Mourinho.

Der Belgier Eden Hazard war nicht nur wegen seines feinen Ausgleichstreffers der prägende Mann der Partie. In Sachen Arbeitsaufwand und Effizienz (zehn Saisontore) wird Hazard in dieser Spielzeit erstmals seinem enormen Talent gerecht; sein Reifeprozess steht stellvertretend für den von Mourinho, 50, vorgenommen Mentalitätswechsel im Kader. "Ich will nicht sagen, dass er vorher faul war", sagte er über den 38-Millionen-Euro-Mann, "aber er hat Fußball wie ein Kind auf der Straße gespielt, nur mit Spaß. Er hat jetzt verstanden, dass man auf diesem Niveau andere Qualitäten braucht."

Selbst schöngeistig veranlagte Federgewichte wie Oscar verwandeln sich unter Anleitung des Trainers in wilde Kämpfer. Der Brasilianer trat in der Nachspielzeit Landsmann Lucas böse um und tat es dabei Samuel Eto'o nach, der nach nur einer Minute Jordan Henderson rotwürdig umgesenst hatte. Howard Webb, der seit dem 2:0-Sieg von Inter Mailand (damals unter der Regie Mourinhos) im Champions-League-Finale 2010 gegen den FC Bayern als der Lieblingsschiedsrichter des Portugiesen gilt, zückte nicht einmal die gelbe Karte. "Das ist englischer Fußball", stellte Mourinho fest.

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In der Schlussphase übersah Webb zudem ein elfmeterreifes Foul von Eto'o an Liverpools Stürmer Luis Suárez. "Simulation, ein akrobatischer Sprung ins Schwimmbecken", behauptete Mourinho mit einer Unverfrorenheit, die für ungläubiges Lachen im Presseraum sorgte. Der Uruguayer Suárez sei ja ein toller Spieler, aber ab und an ginge dessen "wilde Natur" mit ihm durch, dozierte Mourinho. Anschließend gab er mit dem Pathos eines Volkstheater-Helden den Bewahrer der ehrlichen Fußballkultur auf der Insel. Obwohl selbst Ausländer, erachte er es als seine Verantwortung, "britische Werte zu verteidigen", erklärte er.

Es folgte eine hintersinnige Eloge auf den Tabellenzweiten Manchester City: "Sie haben Qualität, Reife, viele gute Spieler, Körperlichkeit - und ein Stürmer wie Edin Dzeko ist nur dritte Wahl. Sie sind der Favorit." Dazu passend mimte er grandios unaufrichtig den Unschuldsengel. Ob er mit dem Lob Druck auf City aufbauen wolle? "Wer, glauben Sie, bin ich? Glauben Sie, dass ich dazu in der Lage wäre?", säuselte er vergnügt. Die Antwort auf diese rhetorische Figur erübrigte sich.

Einem Chelsea, das spielt, wie Mourinho es will, ist 2014 (fast) alles zuzutrauen. Welche guten Vorsätze er fürs neue Jahr gefasst habe, wollte jemand wissen. Mourinho überlegte kurz und schüttelte den Kopf: "Gar keine!"

© SZ vom 31.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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