FC Bayern:Wer sich ins leere Bett von Ancelotti legen soll

Lesezeit: 2 min

Läuft sportlich derzeit nicht: Der FC Bayern nach dem 2:2 gegen Wolfsburg. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der FC Bayern sucht einen Nachfolger für Carlo Ancelotti. Gebraucht wird jetzt ein moderner Trainer, ein Animateur - aber nicht unbedingt ein neuer Freund.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein, sonn

So ein bisschen ist das jetzt wie Geschichtsschreibung. Die sich weniger der Frage widmet, warum es zu Ende gegangen ist. Sondern nur noch forscht, warum es so ungeheuer früh in der Saison zu Ende ging. In einem Oktober hatte Uli Hoeneß einmal Jupp Heynckes entlassen (1991), zwei Jahrzehnte bevor beide wieder konkret zusammenfanden und 2013 die Champions League gewannen. In einem November erwischte es Dettmar Cramer (1977). Und mit Erich Ribbeck (1993) oder Felix Magath (2007) schleppte sich Hoeneß, der ewige Vereinsdirektor, zumindest noch bis in die Winterpause. Aber so früh, an einem Tag im September, nach nur sechs Bundesligaspielen, war beim Rekordmeister nie zuvor der Trainer futsch.

Der Grund ist bekannt: galoppierende Entfremdung. Dokumentiert durch jenen denkwürdigen Hoeneß-Satz, dem in der Vereinschronik sicher ein eigenes Kapitel gewidmet werden wird: "Der Feind in deinem Bett ist der gefährlichste."

FC Bayern
:Wie schwer wiegt der Ausfall von Franck Ribéry?

Der kriselnde FC Bayern muss in der Hinrunde auf seinen Flügelspieler verzichten. Die besten Zeiten liegen hinter dem Franzosen. Aber ein besonderer Spieler ist er noch immer - wenn man ihn lässt.

Von Christopher Gerards

Denn das ist ja das Erstaunliche: Von Feinden, also von Spielern mit Revolutionärs-Attitüde, war in der Vita des Carlo Ancelotti nahezu nie die Rede. Fast immer nur von guten Freunden, mit denen man allenfalls nach einigen Gläsern Rotwein samt üppigem Abfindungsscheck auseinanderging. Und wenn doch mal hinterher gerufen wurde, dann in jenem Tonfall, in dem dies nun David Beckham tut: "Ich liebe Carlo. Für mich ist er der Beste, einer der unglaublichesten Trainer und Menschen, die ich kenne."

Bei den Zärtlichkeiten bildeten die Münchner nur die Kulisse

Mit Beckham hatte Ancelotti 2013 bei Paris St. Germain gearbeitet. Das heutige Paris jedoch ist das von Neymar, es hat mit jenem von Beckham nicht mehr viel zu tun. Drei Spieler von damals standen nun noch im Champions-League-Duell mit dem FC Bayern in der Startreihe: Verratti, Motta, Thiago Silva, die Ancelotti vor dem Anpfiff alle herzte, tätschelte und in die Wange zwickte. Der italienische Signore umarmte tout Paris; länger und inniger als üblich.

Die Szene wirkte vor den Kameras der Welt deshalb so seltsam, weil diverse Münchner mit versteinerter Miene die Kulisse für die Zärtlichkeiten bildeten: Boateng, der auf die Tribüne befohlen wurde, Robben und Ribéry, die auf die Bank abkommandiert waren. Man hat dann auch schon Teams mit größerer Körperspannung in solch ein Duell einsteigen sehen - nach 85 Sekunden stand es 0:1. Und am Ende stand dieses krachende 0:3 und der Rauswurf von Carlo aus der Schlafstatt.

Es werden gerade Tausende Gründe eingesammelt zur Frage, warum Ancelotti, dieser Spielerversteher, der Beckham, Ronaldo, Ibrahimovic auf seine Seite ziehen konnte, in München ausgerechnet an den Spielern scheiterte. An einer Elf mit Stars und Sternchen, aber keinem Mega-Star, der in der Hierarchie einsam oben thront. Einer Elf, die zwar in die Jahre gekommen und renovierungsbedürftig ist, die aber lange darauf dressiert wurde, dass ihr Trainer, der damals noch Guardiola hieß, der einzige Weltstar ist. Und die heute wieder - nach einem Jahr der Erholung vom Pep-Pep-Pep-Stress - moderne Inhalte einfordert.

Wenn jetzt also gesucht wird, wer sich ins leere Bett des Carlo legen darf, sollten die Fahnder des FC Bayern daraus ihre Schlüsse ziehen: Erwartet wird ein Fußball-Trainer, auch ein Animateur, aber nicht unbedingt ein neuer Freund.

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Bayern
:Frühe Lösung oder späte Lösung?

Sofort Thomas Tuchel? Im Sommer Julian Nagelsmann? Beide Trainer-Optionen werden beim FC Bayern diskutiert, bis Montag soll eine Entscheidung fallen. Im Fall eines Übergangstrainers fragen sich aber alle: Wer soll das machen?

Von Christof Kneer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: