FC Bayern verliert in Leverkusen:"Heute hat es keinen Spaß gemacht"

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Ein offener Streit zwischen Müller und Boateng, Torwart Neuer faustet ein Luftloch, Arjen Robben schwärmt von der niederländischen Nationalmannschaft: Der FC Bayern hakt nach der 0:2-Niederlage in Leverkusen die Meisterschaft ab. Die Profis haben derzeit zu sehr mit sich selbst zu tun, um sich aufeinader verlassen zu können.

Jürgen Schmieder, Leverkusen

Es war eine Szene von strahlender Beweiskraft, wie es derzeit zugeht beim FC Bayern: Flügelspieler Thomas Müller und Abwehrspieler Jérôme Boateng waren sich bei der 0:2-Niederlage in Leverkusen in der ersten Halbzeit ein Mal recht uneinig. Nein, es geht nun nicht um die kleine Auseinandersetzung, die sich die beiden lieferten - es geht vielmehr um die Szene, die sich wenige Sekunden zuvor ereignet hatte.

Arjen Robben hatte beim Spiel gegen Leverkusen keinen Spaß - und auch Thomas Müller dürfte sich über den Streit mit Jérome Boateng wenig amüsiert haben. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Müller ließ seinen Gegenspieler laufen, weil er darauf vertraute, dass Boateng den Ball locker würde erlaufen können. Boateng lief aber nicht zum Ball, weil er seinerseits darauf vertraute, dass Müller seinem Gegenspieler hinterherlaufen würde. Am Ende hatte der Gegenspieler den Ball - und Müller und Boateng brüllten sich an. "Das passiert im Fußball, da muss man sich auch mal was sagen können. Wir sind ja keine Mädchen", sagte Boateng nach dem Spiel.

Es gehört zu den elementaren Grundzügen dieses Spiels, dass Mitspieler einander vertrauen und sich aufeinander verlassen - das gilt auf der Mikorebene einer einzelnen Situation wie der zwischen Müller und Boateng. "Emotionen gehören dazu, das war früher so und wird immer so sein", sagte Trainer Jupp Heynckes nach dem Spiel, "das sollte man nicht überbewerten."

Es gilt aber auch auf einer höheren, ein komplettes Spiel umfassenden Ebene: Ein Stürmer muss sich darauf verlassen können, dass er von den Kollegen angespielt wird - dafür dürfen die darauf vertrauen, dass der Angreifer den Ball ins Tor schießt. Der Abwehrspieler muss seinem Torhüter vertrauen, dass der den Ball bei einer Faustabwehr aus dem Strafraum und zur Not auch auf die Tribüne faustet.

Doch in Leverkusen vergaben die Angreifer allerbeste Chancen, obwohl sie immer wieder sehenswert freigespielt worden waren. Die defensiven Mittelfeldspieler ermöglichten dem Gegner stets gefährlich Konter - und Manuel Neuer faustete den Ball vor dem entscheidenden 0:1 nach 79 Minuten nicht auf die Tribüne. Er faustete den Ball gar nicht, sondern bewegte nur Luft.

So gesehen war vor allem die zweite Halbzeit der Münchner in Leverkusen ein Indiz dafür, dass sich jeder Akteur des FC Bayern derzeit irgendwie auf den anderen verlässt, sich jedoch nicht verlassen kann - und dass die Elf vor allem in jenen Momenten, in denen eine Partie knifflig wird, einfach in sich zusammenfällt und nun erst einmal nicht mehr um die Deutsche Meisterschaft spielt.

"Ich warne davor, den Titel jetzt schon zu vergeben. Wir müssen den 34. Spieltag abwarten", sagte Jupp Heynckes zwar, doch seine Vorgesetzten widersprachen sogleich. "Nach so einem Spiel braucht man nicht von der Meisterschaft reden", schimpfte Vorstand Karl Hopfner beim Hinausgehen. Sportdirektor Christian Nerlinger sagte gar, dass sich bei den Resultaten der Rückrunde ein Gedanke an die Deutsche Meisterschaft verbiete.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Unsichtbare Retter und böse Verschmähte

Philipp Lahm sprintet 90 Minuten lang und präsentiert sich als Retter, Mario Gomez wirkt wie einer, der gerettet werden muss. Und alle Offensivspieler außer Ribéry brauchen dringend eine Aktion, die zu einem Münchner Treffer führt. Der FC Bayern beim 0:2 in Leverkusen in der Einzelkritik.

Jürgen Schmieder, Leverkusen

Die Münchner hatten ganz formidabel begonnen in Leverkusen, selbst der unendliche Platz des Internets würde nicht ausreichen, um alle Torchancen des FC Bayern aufzuzählen - es hätte nach 30 Minuten auch 3:0 heißen können. "Wenn wir den ersten Treffer machen, dann sieht das Spiel anders aus", sagte Heynckes. Das allerdings ist ein Satz, den man zuletzt häufig von Spielern oder Verantwortlichen gehört hat.

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Philipp Lahm sprintet 90 Minuten lang und präsentiert sich als Retter, Mario Gomez wirkt wie einer, der gerettet werden muss. Und alle Offensivspieler außer Ribéry brauchen dringend eine Aktion, die zu einem Münchner Treffer führt. Der FC Bayern beim 0:2 in Leverkusen in der Einzelkritik.

Jürgen Schmieder, Leverkusen

Der FC Bayern machte diesen Treffer nicht - und als Leverkusen in der zweiten Halbzeit aggressiver und offensiver agierte, da schickte Heynckes den angeschlagenen Ribéry aufs Feld. "Wenn man der Partie eine Wende geben und sie gewinnen möchte, dann glaube ich, dass diese Maßnahme eine richtige Entscheidung war", sagte Heynckes, der dafür Mario Gomez vom Feld genommen hatte.

Nun allerdings verließen sich Ribérys Kollegen darauf, dass der Franzose die Partie bitteschön alleine entscheiden möge wie in der Vorwoche gegen Schalke. Ribéry mühte sich, er dribbelte, er flankte, er schoss. Es fielen ja auch zwei Tore - allerdings für Leverkusen.

"Wir haben in der zweiten Halbzeit umgestellt", sagte Stefan Kießling, der Schütze des ersten Treffers, "vor allem waren wir leidenschaftlich und engagiert, wir sind gerannt und haben gekämpft." Das Rennen und Kämpfen schlug sich in der Schlussminute noch im 2:0 durch den eingewechselten Karim Bellarabi nieder. Tatsächlich wurde der FC Bayern an diesem Samstag nicht ausgespielt, sondern niedergerungen. Kießling fragte: "Deshalb haben wir verdient gewonnen, oder?" Er hatte jedenfalls nicht Unrecht.

Die Münchner Spieler waren nach der Niederlage nicht wirklich gesprächig, einer nach dem anderen marschierte wortlos oder wortkarg Richtung Mannschaftsbus. Lahm sprach kurz über die "sehr gute erste Halbzeit", Ribéry erklärte kurz, dass er nicht eher hätte eingewechselt werden können, Kroos begrüßte ein paar Freunde aus Leverkusener Zeiten.

Nur Arjen Robben sprach ausführlich. Der Holländer hatte sich ja nach dem Länderspiel bitter über die Behandlung in Deutschland und auch beim FC Bayern beschwert. "Ich spüre das Vertrauen bei Oranje, es ist herrlich, hier mit einem Trainer zu arbeiten, der dir Vertrauen gibt, die Spieler entspannen lässt und dich dein Ding machen lässt."

Robben sprach auch am Samstag viel, doch nur ein Satz war wirklich von Bedeutung: "Am Mittwoch hat es mir Spaß gemacht, heute hat es mir keinen Spaß gemacht." Diese Worte sind ebenfalls ein recht eindeutiges Indiz dafür, welche Stimmung derzeit beim FC Bayern herrscht.

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