Uli Hoeneß und der FC Bayern:Big father is watching you

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Zum 70. Geburtstag von Uli Hoeneß stellt sich die Frage: Ist er wirklich schon im Ruhestand - oder ist er immer noch da? Die neue Klubführung des FC Bayern muss darauf gefasst sein, dass der Seniorchef sie genau beobachtet.

Kommentar von Christof Kneer

Das Büro, in dem Uli Hoeneß immer saß, gehört jetzt Herbert Hainer. Hainer hat das Büro neu eingerichtet, die Rattanmöbel gibt's nicht mehr, auch seinen Schreibtisch hat Hoeneß mit nach Hause genommen. Auf dem Gelände des FC Bayern ist Uli Hoeneß inzwischen offiziell obdachlos. Allerdings kann er sich darauf verlassen, dass sie ihn nicht auf dem Flur stehen lassen oder gar in den Presseraum verfrachten, wenn er einmal die Woche an der Säbener Straße erscheint.

Es gilt die Absprache: Er darf weiter in sein altes Präsidentenbüro, wenn Herbert Hainer nicht da ist. Und wenn Hainer da ist, öffnen sie ihm den Konferenzraum, der praktischerweise in der Nähe seiner ehemaligen Sekretärin liegt. Die kann ihm dann auf kürzestem Dienstweg die Post bringen, die Hoeneß nach wie vor in seinen beiden Funktionen empfängt, als Aufsichtsrat des FC Bayern sowie als Uli Hoeneß.

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Von Philipp Schneider

Ist Hoeneß schon im Ruhestand oder immer noch berufstätig? Ist er mehr da oder mehr weg? Oder ist es vielleicht so, dass selbst in seinem "weg" noch sehr viel "da" steckt? Solche Fragen stellen sie sich beim FC Bayern immer noch jeden Tag, auch jetzt, da Hoeneß seinen 70. Geburtstag feiert und längst kein operatives Amt mehr bekleidet. In jedem Interview, das der neue Präsident Hainer und der noch neuere Vorstandschef Oliver Kahn geben, werden sie gefragt, was sie anders machen als Hoeneß, und immer antworten sie, dass sie natürlich andere Typen seien, aber höchsten Respekt vor Hoeneß' Verdiensten hätten. Was bei diesen Interviews aber immer am wichtigsten ist: Dass um des weißblauen Himmels willen nichts drinsteht, was den Alten am Tegernsee ärgern könnte.

Uli Hoeneß (rechts) und Karl-Heinz Rummenigge haben den FC Bayern so gelebt, wie sie es für richtig gehalten haben. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Big father is watching you: So empfinden sie das in diesem Verein, der sich seine Rüttel- und Schüttelarbeiten am Organigramm dank einer exzellenten Mannschaft und eines exzellenten Trainers im Moment leisten kann. Die Herausforderungen, die Kahn/Hainer bewältigen müssen, unterscheiden sich im Kern nicht sehr von jenen, die auch Hoeneß/Rummenigge bewältigen mussten, es geht in erster Linie immer darum, den Klub auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu halten, ohne die Lust an der Bundesliga zu verlieren. Aber noch haben sie im Klub kein klares Gefühl dafür entwickelt, wie Kahn sich seinen FC Bayern im praktischen Alltag vorstellt - jenseits des theoretischen (und gewiss verdienstvollen) BayernAHEAD-Programms, das er mit hohem Aufwand und großem Engagement hat ausarbeiten lassen.

Fußball ist keine Branche, in der die neue Generation einen technologischen Umbruch vorantreiben kann

Hoeneß und Rummenigge haben nie Grundsatzprogramme verfasst, sie haben den FC Bayern so gelebt, wie sie es für richtig gehalten haben (was zum Problem wurde, wenn sie wieder mal unterschiedliche Vorstellungen von ,richtig' hatten oder eine Pressekonferenz ansetzten, auf der sie mit dem Grundgesetz um sich warfen). Kahn hat bisher viel Papier produziert, aber seine öffentlichen Aussagen klingen mitunter noch so defensiv, wie der FC Bayern niemals spielen würde. Man ahnt, dass Kahn, von Unternehmensberater-Logik geprägt, die Bayern in Shanghai gerne noch größer machen würde. Hoeneß, von seinem Bauch gelenkt, würde eher dafür polemisieren, dass man die Fans in Zwiesel nicht vergisst.

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Es ist das klassische Übergabeszenario: Der Vater übergibt dem Sohn den Hof, der Sohn hat das Recht, sich vom Seniorchef zu emanzipieren, und die Pflicht, das Erfolgsrezept nicht zu riskieren. Kahn ist ein intelligenter und neugieriger Mann, aber er wird es nicht leicht haben, eigene Akzente zu setzen. Er kann nicht wie in anderen Branchen für sich in Anspruch nehmen, dass es eine neue Generation braucht, um den technologischen Umbruch voranzutreiben. Der FC Bayern ist kein Verbrennungsmotor, den man auf einen E-Antrieb umrüsten muss. Das Kernprodukt des Unternehmens ist der Fußball - und der floriert.

Oliver Kahn hat als Spieler fast alles erreicht, was er sich vorgenommen hat. Man darf ihm das auch jetzt zutrauen. Aber was ihm mit diesem FC Bayern wirklich gelingt, kann man wahrscheinlich erst beurteilen, wenn Uli Hoeneß 75 wird.

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