Tuchel beim FC Bayern:Schon ist Mangel

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Ernstfall vor dem Spitzenspiel: Bayern-Trainer Thomas Tuchel hatte es befürchtet. (Foto: Norbert Jansen/Fohlenfoto/Imago)

Wochenlang hat Trainer Thomas Tuchel gewarnt, dass der Kader des FC Bayern zu dünn besetzt sei. Jetzt kommt schon im Spitzenspiel gegen Leverkusen die erste Notlage auf ihn zu.

Von Carsten Scheele

Und jetzt? Ist der Ernstfall da. Eine Notlage, vor der Thomas Tuchel seit einigen Wochen und Monaten gewarnt hat. Hier und da hat sich der Fußballtrainer des FC Bayern einen Rüffel von seinen Bossen eingefangen, wenn er mal wieder aufgezählt hat, dass ihm im Kader zwei Spieler fehlen. Er möge nicht so viel lamentieren, hieß es da und dort nach diesem verpatzten Transferfinale, für das Tuchel noch ein Rechtsverteidiger und ein defensiver Mittelfeldspieler in Aussicht gestellt worden waren - er aber keinen davon bekam.

Es werde personell sehr eng, hat Tuchel anschließend prophezeit; "auf Kante genäht" sei dieser Kader. Das werde sich spätestens in den englischen Wochen in der Bundesliga zeigen, wenn die Belastung höher und das Risiko für die Spieler, mal eine Blessur zu erleiden, größer wird.

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Joao Palhinha ist schon in München, absolviert den Medizincheck - doch Fulham verweigert dem Mittelfeldspieler in letzter Sekunde den Wechsel. Der letzte Transfertag endet für die Bayern im Chaos - und mit einem Kader, der an manchen Stellen kaum betriebssicher ist.

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Nun ist es früher passiert, direkt nach der Länderspielpause schon, denn aus jener ist Mittelfeldakteur Joshua Kimmich leicht lädiert wiedergekehrt. Nichts Dramatisches, jedoch leidet Kimmich an muskulären Problemen, die ihn schon im zweiten Länderspiel gegen Frankreich zum Zuschauen zwangen. "Jo ist fraglich", bestätigte Tuchel für das Bundesliga-Gipfeltreffen mit dem verlustpunktfreien Tabellenführer Bayer Leverkusen (Freitag, 20.30 Uhr) - und war schon wieder mittendrin in den Kaderbefindlichkeiten.

De Ligt auf der Sechs? "Das war kein Test", sagt Tuchel

Kritische Worte adressieren muss Tuchel dabei nicht mehr, die Mängel sind klar ersichtlich. Das Zahlenspiel geht so: Fällt Kimmich aus, wonach es am Donnerstag aussah, hat Tuchel nur zwei defensiv orientierte Mittelfeldspieler zur Verfügung: Leon Goretzka und Konrad Laimer. Letzterer hat bei der vergangenen Bundesligapartie in Gladbach als Rechtsverteidiger gespielt, ziemlich gut nebenbei, sodass Tuchel ihn auf dieser Position gerne weiter eingeplant hätte - was nun nicht mehr möglich ist. Er muss Laimer ins Zentrum rücken und hinten rechts Noussair Mazraoui aufstellen, den einzigen Rechtsverteidiger im Kader; dem Marokkaner schenkt Tuchel, das ist kein Geheimnis, etwas weniger Vertrauen als Laimer auf dieser Position, insbesondere auf die Distanz von 90 Minuten.

So könnte es in den kommenden Bayern-Wochen - mit sieben Spielen in 19 Tagen in drei Wettbewerben - ungewohnt wild zugehen, mit der ein oder anderen Aufstellung, die aussieht, als hätte sich jemand am Computer vertippt. So wie gegen Gladbach, als Tuchel in der Schlussphase plötzlich Innenverteidiger Matthijs de Ligt in die Rolle eines Sechsers presste, um sich den Gladbachern, die auf den Ausgleich drängten, in der Zentrale mit mehr Wucht entgegenzustellen.

Wobei, ein Experiment? Sieht Tuchel nicht so. "Das war kein Test, wir haben ihn im Mittelfeld gebraucht", sagte Tuchel nun und blickte schon voraus: "Wir werden jeden benötigen in Zukunft, vielleicht auch auf ungewöhnlichen Positionen. Daran müssen wir uns gewöhnen."

Nagelsmann als Bundestrainer? "Natürlich kann er das", sagt Tuchel

Und das gegen einen Gegner am Freitagabend, den Tuchel hoch einschätzt. Leverkusen sei "sehr stark", erklärte Tuchel: "Sehr gute Mannschaft, sehr guter Trainer. Sehr stabil und sehr homogen." Von Xabi Alonso, dem früheren Bayern-Profi und heutigen Leverkusener Übungsleiter, habe er "viel über den Fußball gelernt", sagte Tuchel. Und zwar nicht im Gespräch, sondern "indem ich Xabi Alonso beim Spielen zugeguckt habe". Eine besondere Aufgabe dürfte werden, das Wirken von Stürmer Victor Boniface einzuschränken. Dieser habe einen "beeindruckenden Start hingelegt", befand Tuchel: "Es liegt nun an uns, den Pauseknopf zu drücken."

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Über noch einen Trainerkollegen hat Tuchel am Donnerstag ein paar Worte verlieren müssen: über Julian Nagelsmann, seinen Vorgänger beim FC Bayern. Nicht aus freien Stücken, aber Tuchel wurde gefragt, ob er Nagelsmann den Job als Bundestrainer zutraue. "Natürlich, natürlich", sagte Tuchel, trank einen Schluck Wasser: "Natürlich kann er das." Nagelsmann sei ein "herausragender Trainer, an der fachlichen Qualität und an dem Know-how und an den Skills wird es nicht scheitern".

Und fand dann selbst, dass er schon genug gesagt habe zur Bundestrainer-Causa. Klar, der Verband durchlebe aktuell "wilde Zeiten", aber das sei eine andere Baustelle. DFB-Sportdirektor Rudi Völler habe sich zuletzt auch nicht zum FC Bayern geäußert: "Da bin ich ihm sehr dankbar dafür", sagte Tuchel: "Deshalb wird er mir genauso dankbar sein, wenn ich mich jetzt nicht zum DFB äußere."

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