Toto-Pokal:Ein Rasen würde dem Spiel guttun

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Wäre der Regen doch nur das einzige Problem: Hier ist Türkgücü Gast im Grünwalder Stadion, gegen die U23 des FC Bayern (li. Lucas Copado). (Foto: DiZ-PiX/Imago)

Die Odyssee Türkgücü Münchens auf der Suche nach einem Austragungsort fürs Totopokal-Spiel gegen Ingolstadt wird am Ende zur Farce. Das oft verzweifelte Bemühen des Regionalligisten nach freien Spielstätten verdeutlicht ein grundlegendes Problem des Fußballstandorts München.

Von Christoph Leischwitz

Die gute Nachricht zuerst: Das Toto-Pokal-Viertelfinale beim FC Pipinsried an diesem Samstag wird stattfinden (13.42 Uhr, live im Bayerischen Fernsehen), da sind sie sich im Dachauer Hinterland sicher. Klar habe es viel geregnet, aber mei: Sechzig kommt, dann sei der Rasen danach halt hin.

Auch Türkgücü München sah am Freitag einem Pokalspiel entgegen, das tags darauf gegen den FC Ingolstadt stattfinden sollte, doch Geschäftsstellenleiter Oktay Kaya wartete am Mittag noch auf Rückmeldung aus Rosenheim. Dort sollte das Heimspiel der Münchner stattfinden, es wäre also nicht ihr Rasen, der danach hin wäre.

Rosenheim sollte eigentlich die letzte Station einer Odyssee sein, über die sich der Münchner Verein nun aufregen könnte - was er aber nicht tut. Zu sehr haben sie sich an solche Irrfahrten gewöhnen müssen. Und diesmal war diese besonders lang: Weil Türkgücü nur zwölf Spiele pro Saison im Grünwalder Stadion austragen darf, passt ein zusätzliches Pokal-Heimspiel nicht in den Kalender. Dass das Regionalliga-Spiel des aktuellen Tabellendritten gegen den Vierten TSV Aubstadt am Mittwoch wegen unbespielbaren Rasens ausfiel, ist unerheblich, denn es wird an selber Stelle nachgeholt.

Die zweite Heimstätte, beim SV Heimstetten, fiel ebenfalls aus. "Wir haben eine Vereinbarung getroffen, dass wir dort nicht im Winter spielen", erklärt Kaya. Als Nächstes fragte der Verein beim SC Fürstenfeldbruck nach, dort kam dem Stadtrat die Anfrage zu kurzfristig. Einige Lokalpolitiker liegen im Clinch mit der SC-Vereinsführung, das vereinfacht die Sache nicht. Weitere Absagen gab es dem Vernehmen nach aus Garching und Ismaning, in Unterhaching lässt man prinzipiell keine anderen Vereine Heimspiele austragen. Auch ein Heimrechttausch klappte nicht, in Ingolstadt werde am Rasen gearbeitet, hieß es. Kein Rasen frei in einer Länderspielpause? Es dauerte, bis Türkgücü beim TSV 1860 fündig wurde, also: beim TSV 1860 Rosenheim.

Auf Giesings Höhen ist der Mietvertrag von Türkgücü auf ein Dutzend Spiele pro Saison beschränkt, es ist eine Notlösung. Auf SZ-Nachfrage bestätigt das Münchner Sportamt, was oft kolportiert wird und doch viele nicht wissen: dass im Grünwalder Stadion maximal 50 Spiele pro Saison ausgetragen werden dürfen, aus Gründen des Emissionsschutzes. Allein die Ligaspiele des TSV 1860 München und der U23 des FC Bayern summieren sich auf 36. Dazu zwölf Türkgücü-Partien, macht 48. Zwei Spiele Puffer wurden eingebaut für den Fall, dass beispielsweise die Sechziger DFB-Pokalspiele austragen müssen (was 2024 der Fall wäre, sollten sie heuer den Toto-Pokal gewinnen).

Bald wird am Olympiastadion und dann am Grünwalder gebaut

Türkgücü ist also der Mieter mit dem geringsten Einfluss, und wie zu hören ist, hat der Verein bei der Stadt auch nicht das Standing, um etwaige Sondergenehmigungen zu erwirken. Natürlich wäre es toll, findet Kaya, wenn sein Klub eine einzige, feste Spielstätte hätte, aber "das Grünwalder ist so ein Highlight, dass wir darauf nicht verzichten wollen". Für die Sechziger kommt es natürlich nicht infrage, eigene Spiele auszulagern, der Verein zahlt mit Abstand am meisten Miete, und bald steht wegen der Löwen ein millionenschwerer Umbau an. Und beim FC Bayern sehen sie es so, dass sie ja schon mit dem Umzug der Frauenmannschaft ins eigene Campusstadion kompromissbereit waren. Die U23 soll nahe der Vereinszentrale bleiben, überdies wäre fraglich, ob das Campusstadion die Auflagen für Regionalliga-Spiele erfüllen würde.

Der bayerische Verbandspokal legt damit ein strukturelles Problem im Münchner Sport offen: Es fehlt seit jeher ein weiteres Stadion für gehobenen Amateur- und für Profifußball. In Diskussionen zwischen Stadt und Vereinen soll dies immer wieder Thema gewesen sein, wobei die Stadt darauf verwies, dass man ja nie wissen könne, in welcher Liga welcher Verein in den kommenden Jahren spiele. Geld ausgeben auf Verdacht, möchte keine Partei dem Wahlvolk erklären.

Das Problem wird sich in den kommenden Jahren jedoch verschärfen. Das Olympiastadion wird wegen des geplanten Umbaus lange nicht zur Verfügung stehen, nicht mal für die wenigen, die sich die Miete dort leisten könnten. Und wenn das Grünwalder Stadion zur Baustelle wird, möglicherweise im Jahr 2027, muss nicht nur Türkgücü überlegen, wo es stattdessen spielt. Die Sechziger noch viel mehr, zumal für den Fall, dass sie bis dahin aufgestiegen sein sollten. In München gibt es nämlich kein zweitligataugliches Stadion außer der Allianz Arena, und die ist für andere Vereine tabu.

Oktay Kaya bekam dann am Freitagnachmittag den Anruf aus Rosenheim: Das Spiel wurde wegen des Dauerregens abgesagt. Die Odyssee ging also weiter. Und dann kam am Abend auch noch das Gerücht auf, das Spiel werde nun am kommenden Sonntag ohne Zuschauer in Ingolstadt ausgetragen. Dem Vernehmen nach wollte der Verband das Spiel so schnell wie möglich ausgetragen haben. Das musste offenbar erst noch klargestellt werden.

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