FC Bayern: Trainingsauftakt:Van Gaal kommt zu spät

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Mit Stoppuhr, Pfeife und Clown: Mit dem ersten Training beginnt beim FC Bayern die Ära von Trainer Louis van Gaal. Der Niederländer genießt zu Beginn viele Vorteile im Vergleich zu seinem Vorgänger.

Johannes Aumüller

Die neue Ära des FC Bayern beginnt mit ein wenig Verspätung. Für 10.30 Uhr haben sich etwa 1500 Fans und einige Dutzend Journalisten am Trainingsgelände an der Säbener Straße eingefunden, doch selbst um kurz nach elf ist auf dem Platz wenig zu sehen - außer ein paar weißen, gelben und roten Hütchen für die anstehenden Übungen. Und Maskottchen Berni, das in der Hitze sehnend die Bayern-Stars erwartet.

(Foto: Foto: Getty)

Während Louis van Gaal drinnen noch eine Ansprache an die Mannschaft hält, interviewen sich draußen die Fernsehkollegen gegenseitig, um Stimmen für ihre Beiträge zu bekommen: Der niederländische Fernsehkollege erklärt dem deutschen Fernsehkollegen, was van Gaal in den Niederlanden so ausgezeichnet habe, und der deutsche Fernsehkollege erläutert im Gegenzug, was man in München so alles von van Gaal erwarte. Doch um 11.11 Uhr können sie dann aufhören, sich gegenseitig zu interviewen; um 11.11 Uhr beginnt nach einiger Warterei die Zukunft des FC Bayern, als Trainer Louis van Gaal, seine Assistenten und insgesamt 24 Spieler auf den Rasen kommen.

Van Gaal soll ja in seinem Tun den Anti-Klinsmann geben; erfahren, autoritär und streng, aber dennoch herzlich. Falls sich van Gaal vorgenommen hatte, diese Klischees direkt in seinem ersten Training zu bestätigen, so gelingt ihm das vollends. Das Gespür des routinierten Fußball-Pädagogen setzt er ein, als sich die Spieler zu Pass-Übungen in Pärchen formieren. Das aus Holland geholte Pärchen Braafheid/Pranjic muss sich ebenso trennen wie das bisherige Amateur-Duo Badstuber/Müller. Die Russisch sprechende Fraktion Timoschtschuk/Olic muss sich Partner suchen, die nicht Russisch sprechen, und für eine Weile müssen sich selbst die Kumpels Franck Ribéry und Daniel van Buyten trennen. Als ob van Gaal schon von Training eins an signalisieren wolle, dass er keine Grüppchenbildung mag.

Genau so signalisiert er schon von Training eins an, warum ihn viele als autoritär und pedantisch beschreiben. Auf den Platz kommt er in altmodischster Trainermanier mit Pfeife und Stoppuhr um den Hals, und selbst beim Gruppenfoto des neuen Trainerteams übernimmt er den Part des Einweisers und dirigiert seine Assistenten in eine Formation, die den Fotografen und ihm passt. Auf dem Platz selbst bedarf es nur der ersten etwas komplizierten Übung, damit van Gaal aus sich rausgeht. "Hey, das war nicht gut", fährt er Braafheid an, als der zu langsam auf den Ball geht. "Sosa, zu früh", schimpft er in die Richtung des Argentiniers. Das Publikum erfreut sich an solchen Szenen - vor allem, als die Übung endlich schnell und koordiniert läuft und van Gaal das mit einem lauten "Okay" und viel Applaus registriert.

Die meisten Lacher aber erntet nicht van Gaal, sondern sein neuer Ko-Trainer Hermann Gerland, zu dessen ungeschriebenen Aufgaben auch zählt, eine emotionale Bindung zum Fan-Volk aufzubauen. Weil Lúcio und Luca Toni noch im Urlaub sind und Bastian Schweinsteiger verletzt ist, stehen für die Partnerübungen nur 21 Feldspieler bereit, also springt Gerland ein. Der Mann mit der Mütze wirkt als Pausenclown, und van Gaal wäre wohl nicht van Gaal, wenn er nicht lächelnd zu seinem Ko-Trainer gehen würde, um ihn auf eine falsche Passtechnik aufmerksam zu machen.

Ein mittrainierender Ko für die Volksseele ist ja längst nicht die einzige Neuerung, die der FC Bayern in der Saison 2009/10 für seine Fans und die Öffentlichkeit bereithält. Ein neuer Cheftrainer, ein neues Trainerteam von fast Klinsmann'scher Größenordnung, sieben neue Akteure, einen neu gestalteten Innenbereich für die Spieler und einen neuen Masten auf dem Gelände, von dem aus Kameras jede Bewegung der Spieler im Training filmen. Vieles ist neu bei den Münchnern. Und wären die Begriffe Video, Umbruch und Experiment in der Bayern-Welt nicht so untrennbar mit Jürgen Klinsmann verbunden, sie wären eigentlich die besten Begriffe, um zu erklären, was den FC Bayern in dieser Saison erwartet.

Dabei geht der Niederländer im Vergleich zu Klinsmann mit einigen großen Vorteilen in sein erstes Bayern-Jahr. Erstens hat der FCB im Vorjahr keinen Titel gewonnen, und während Klinsmann zu einem frischgebackenen Double-Gewinner wechselte, kann van Gaal seine Vorstellungen bei einem Klub umsetzen, der in der Liga nur Zweiter wurde und in der Champions League wie im Pokal vorzeitig scheiterte.

Zweitens hat der FC Bayern viel Geld in die Hand genommen, um van Gaals Wünsche zu erfüllen. Unter den 21 Feldspielern des ersten Trainings sind alle prominenten Zugänge, die insgesamt rund 50 Millionen Euro gekostet haben; vom ukrainischen Mittelfeldspieler Anatolij Timoschtschuk über den kroatischen Allrounder Danijel Pranjic bis hin zu Angreifer Mario Gomez. Nicht dabei sind aber ein neuer Torwart und ein neuer Rechtsverteidiger - und damit Spieler für die Positionen, auf denen die Bayern im internationalen Maßstab am meisten hinterherhinken und für die sich viele Beobachter Verstärkungen erwartet hatten.

Und drittens hat van Gaal all diese prominenten neuen Spieler und auch all die alten Spieler vom ersten Tag seines Wirkens an beisammen. Bei Klinsmanns erster Übungseinheit war vor einem Jahr die Zahl der Assistenten fast größer als die Zahl der mittrainierenden Spieler, weil sich etliche Nationalspieler noch im EM-Urlaub befanden.

Dabei dreht sich um Abwehrspieler Lucio trotz seiner Abwesenheit eine der drängendsten Fragen rund um den neuen FC Bayern. Rund vier Wochen vor dem ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal gegen Neckarelz scheint ein Verbleib des Brasilianers beim FC Bayern offener denn je: "Bayern und die Berichte über mich haben eine Situation kreiert, die alles andere als schön ist. Deshalb ist ein Wechsel sinnvoll, wenn es ein tolles Angebot gäbe", sagte er der tz.

Uli Hoeneß erwiderte dazu zum Trainingsstart: Dies seien "Gerüchte ohne jegliche Hintergründe. Von unserer Seite und von Louis van Gaals Seite ist in dieser Richtung nie was gesagt worden."

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