Thiago Alcántara nahm den Ball rund 25 Meter vor dem Tor an, er schaute und setzte dann zu seinem Solo an, das fast schon an seinen ehemaligen Vereinskollegen Lionel Messi vom FC Barcelona erinnerte. Zunächst ließ Thiago den Mainzer Malong Kunde stehen, er lief weiter in den Strafraum, streichelte den Ball mit der rechten Schuhsohle und zog diesen damit durch die Lücke zwischen Jeremiah St. Juste und Leandro Barreiro, deren Nachnamen auch gut zu Karibikinseln passen könnten. Und als sich Torwart Robin Zentner näherte, vollendete der Flaneur Thiago mit Eleganz, Präzision und Wucht ins untere Toreck. Mit links, versteht sich.
Es war ein Treffer wie geschaffen für einen Highlight-Zusammenschnitt. Vor allem aber steht das Tor nun für Thiagos markanten Formanstieg. In der Hinrunde der Bundesliga hatte der 28 Jahre alte Spanier kein einziges Tor für den FC Bayern erzielt. Nun traf er in jedem der drei Rückrundenspiele einmal und vereint sein technisches Vermögen mittlerweile mit konstant guten Leistungen. Das gilt für sein Spiel nach vorne wie für seine Dienste in der Defensive, wo er mit einer resoluten Zweikampfführung auffällt. "Der macht das sehr, sehr gut. Er spielt sehr souverän, ordnet unser Spiel, zusammen mit Josh", sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic nach dem 3:1 (3:1)-Sieg in Mainz und fügte zur B-Note hinzu: "Sieht sehr gut aus."
FC Bayern in der Einzelkritik:Thiago trickst, lupft und schlenzt
Der Mittelfeldspieler hat Laune, Lewandowski nicht immer. Boateng rauscht nicht mit Goretzka zusammen, aber kurz mit dem Schiedsrichter. Die Bayern beim 3:1 gegen Mainz in der Einzelkritik.
Konstant hohes Niveau
Wenn der Gegner angreift, lässt sich Thiago fallen, um mit Joshua Kimmich eine Doppelsechs zu bilden. Haben die Bayern den Ball, gibt Thiago den Verteiler im Mittelfeld und schaltet sich dabei inzwischen zunehmend im letzten Drittel mit ein, um selbst zu Torabschlüssen zu kommen. Auffällig ist zudem, dass ihm mittlerweile nur noch selten Ballverluste unterlaufen und er auf einem konstant hohen Niveau spielt. Das konnte ihm seit seinem Wechsel nach München 2013, den der frühere Bayern-Trainer Pep Guardiola vehement in Auftrag gegeben hatte ("Thiago oder nix"), zuvor eher selten nachgesagt werden. Nun aber freute sich Hansi Flick "ungemein, dass sich Thiago in die Torschützenliste eingereiht hat, das dritte Mal in Folge", wie er erinnerte. Und wie schon beim 4:0-Sieg bei Hertha BSC und beim 5:0 gegen Schalke habe Thiago "nun wieder eine sehr gute Leistung gebracht", lobte der Trainer.
Thiago steht mit seinem Formanstieg auch stellvertretend für die verbesserte Spielweise des FC Bayern insgesamt. Dabei hatte Flick nach seiner Amtsübernahme von Niko Kovac zunächst gar nicht auf den Hochbegabten gesetzt, der sich in seiner Münchner Zeit eher den Ruf eines schlampigen Genies erworben hatte, das in großen Spielen nicht selten abtaucht. In den ersten fünf Partien unter Flick war Thiago entweder gar nicht im Kader oder schaute als Ergänzungsspieler überwiegend den Kollegen zu. Doch seit Dezember darf sich Thiago als ziemlich unverzichtbare Stammkraft fühlen.
Die nun wichtige Rolle dürfte auch Thiagos Verhandlungsposition in den Gesprächen über seine Zukunft stärken. Bis 2021 läuft sein Vertrag noch beim FC Bayern, und sollte der Verein nicht längerfristig mit Thiago planen, müsste dieser im kommenden Sommer verkauft werden, um noch eine Ablöse einzustreichen. Hält Thiago allerdings sein aktuelles Niveau, spricht mehr für eine Ausdehnung der Zusammenarbeit. Auch unabhängig von seinem bemerkenswerten Solo in Mainz.