Als Hansi Flick später auf die Nachlässigkeiten seiner Mannschaft einging, sprach aus ihm ein zufriedener Trainer, der Nachsicht angemessener findet als allzu viel Kritik. Natürlich hatte es ihm nicht gefallen, dass der FC Bayern nach einer starken ersten halben Stunde den Rest des Arbeitstages damit verbracht hatte, das schnell entschiedene Spiel überwiegend im Stile einer Verwaltungsbehörde zu beenden. "Nicht Bayern-like" seien die letzten 60 Minuten gewesen, tadelte Flick und monierte zudem das laxe Defensivverhalten, welches das Gegentor von Jeremiah St. Juste ermöglicht hatte (45.). Doch vernehmbar mehr Gewicht hatte für Flick der übergeordnete Eindruck dieses 3:1 (3:1)-Sieges bei Mainz 05 durch die frühen Tore von Robert Lewandowski (8.), Thomas Müller (14.) und Thiago Alcántara (26.). Seine Mannschaft habe danach zwar das Tempo rausgenommen, sagte Flick, "aber das ist auch mal zu akzeptieren".
Es war die Milde eines Fußballlehrers, der für den Schongang seiner Belegschaft auch deshalb Verständnis aufbringen konnte, weil nun die erste englische Woche des Jahres mit dem Pokalachtelfinale gegen die TSG Hoffenheim am Mittwoch und dem Ligagipfel gegen RB Leipzig am kommenden Sonntag ansteht. Vor allem aber erkannte Flick mit Freude an, dass seine Elf zunächst ihre fast schon beängstigende Frühform in Mainz bestätigt hatte nach den ersten beiden Siegen der zweiten Saisonhälfte bei Hertha BSC (4:0) und gegen Schalke (5:0). "In den ersten 30 Minuten war ich begeistert von meiner Mannschaft", sagte Flick und verwies mit viel Selbstgewissheit auf deren "enorme Qualität", die in der Liga ihresgleichen suche. "Aber auch nur, wenn wir als Team zusammenarbeiten", schränkte er vorsichthalber ein. Nach dem 2:2 der Leipziger gegen Gladbach sind die Münchner jedenfalls auch tabellarisch wieder das Maß aller Dinge.
FC Bayern in der Einzelkritik:Thiago trickst, lupft und schlenzt
Der Mittelfeldspieler hat Laune, Lewandowski nicht immer. Boateng rauscht nicht mit Goretzka zusammen, aber kurz mit dem Schiedsrichter. Die Bayern beim 3:1 gegen Mainz in der Einzelkritik.
Zunächst hatte das gegen ehrfürchtige Mainzer beeindruckend geklappt. Lewandowski brachte die Bayern mit seinem 22. Ligator dieser Saison in Führung und hatte dabei zu seinem Kopfball ähnlich ungestört ansetzen dürfen wie zuvor Benjamin Pavard zu seiner Maßflanke von der rechten Seite. Ein bisschen mehr Gegenwehr erlebten die Münchner zwar vor ihrem zweiten Tor, doch auch der Zusammenprall von Torwart Robin Zentner mit Lewandowski genügte nicht, um das 0:2 zu verhindern. Leon Goretzka nahm den Ball auf und legte leicht schräg zurück auf Müller, der aus rund zehn Metern zur Vorentscheidung nach nicht einmal einer Viertelstunde vollendete. Müller hatte das Tor mit seinem Steilpass auf Lewandowski auch eingeleitet.
"Man merkt, wie hungrig alle sind, um die Ziele zu erreichen. Deswegen kommt sowas dabei raus"
Dass die Mainzer diesem Spiel noch eine Wende verleihen können, wäre wegen der Spielfreude, Kombinationssicherheit und Dominanz der Münchner eine sehr gewagte These gewesen. Und das, obwohl Flicks Mannschaft schon im ersten Drittel durchaus mit ein paar Nachlässigkeiten in der Defensive auffiel. Durch diese kamen die Mainzer zu Leandro Barreiros Pfostenschuss nach Ridle Bakus Hereingabe (22.). Doch spätestens, als Thiago nach einem Solo an drei Mainzern vorbei zum 3:0 traf, durften die beiden vorherigen Siege als bestätigt gelten. "Man merkt, wie hungrig alle sind, um die Ziele zu erreichen. Deswegen kommt sowas dabei raus", sagte David Alaba später.
Daran änderten 60 Minuten im Schongang sowie das Gegentor durch St. Juste wenig, wenngleich auch bei diesem zu sorglose Bayern zu beobachten waren. Nach Daniel Brosinskis Eckball setzte sich St. Juste im Kopfballduell gegen Goretzka durch, von dessen Hinterkopf der Ball ins Tor abgefälscht wurde. Es war beinahe eine Wiederholung der ersten Mainzer Torchance aus der sechsten Minute gewesen, als St. Juste nach Brosinskis Eckball Goretzka übersprungen, aber mit seinem Kopfball das Tor von Manuel Neuer um Zentimeter verfehlt hatte.
Als kleine Warnung nach den drei Siegen aus den ersten drei Spielen der zweiten Saisonhälfte waren die Makel in der Defensive durchaus einzustufen. Zumal der eingewechselte Adam Szalai nur knapp das 2:3 verpasste, als er bei seinem Solo durch den Münchner Strafraum weitgehend Bewegungsfreiheit genoss. Erst Thiago und Neuer verhinderten mit vereinten Kräften das zweite Mainzer Tor. "Wir müssen versuchen, unser Spiel über 90 Minuten zu halten", sagte Alaba selbstkritisch. Und auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic warnte vorsichtshalber vorm Pokalspiel gegen Hoffenheim: "Das ist auch ein Gegner, den man sehr ernst nehmen muss. Sie sind in sehr guter Form, deswegen sage ich: Obacht!" Dann machte er sich zufrieden auf den Heimweg nach München.