FC Bayern spielt in Neapel 1:1:Auch Bayern sind nur Menschen

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Vergebene Chancen, verschenkte Punkte, hadernde Spieler: All dies kannte der FC Bayern zuletzt nicht. Nach dem 1:1 beim SSC Neapel verteidigt Trainer Jupp Heynckes seine Spieler trotz diverser Fehler vehement. Die Bayern sind auf bestem Weg ins Achtelfinale - auch weil die Spieler ihr Kopfproblem leicht abstellen können.

Carsten Eberts, Neapel

Was Bayern-Torwart Manuel Neuer beim Weg zum Aufwärmen entgegenschallte, dürfte er selbst als Schalke-Keeper im alten Dortmunder Westfalenstadion nicht erlebt haben. Das Stadion San Paolo zu Neapel schrie, ätzte, pfiff, wie es nur konnte - und Italiener können sehr laut pfeifen. Vom Mittelkreis aus schoss Neuer den ersten Ball in Richtung Tor, er verfehlte das Gehäuse knapp, was die Neapolitaner nur noch lauter brüllen ließ. Willkommen in Neapel, lieber Manuel!

Wie Schweinsteiger voraussagte: "Wir können uns nur selbst schlagen." Verteidiger Badstuber lenkt den Ball ins eigene Tor.  (Foto: AP)

Der Lautstärkepegel wurde Minuten später noch übertroffen: als der SSC Neapel zum Aufwärmen kam. Nun schrie San Paolo seine Freude heraus. Ganz Neapel, oder zumindest seine 60.000 enthusiastischen Vertreter, begrüßten jene Mannschaft, auf die die Stadt neuerdings wieder so stolz ist. Kurz vor dem Anpfiff brannten die roten Bengalos, dichter Nebel zog auf, es wurde gesungen und sehr laut. Man hatte fast vergessen, wie beeindruckend Fußball auch in Italien sein kann.

Dann kam der Anpfiff. Und 96 Sekunden später führten die Bayern 1:0.

Das Spiel endete zwar 1:1, was die Bayern mit sieben Punkten aus drei Partien an der Spitze der Champions-League-Gruppe A verbleiben lässt. Wie cool sich der Rekordmeister in dieser Atmosphäre jedoch anfangs präsentierte, war schon außergewöhnlich: Erster Angriff, Jérôme Boateng flankte in die Mitte, Toni Kroos verarbeitete den Ball brillant am Fuß und schoss überlegt ins linke, untere Eck. Die Bayern führten - in diesem Moment verstummte San Paolo tatsächlich.

Dass viele Bayern am Ende dieses Abends doch nicht zufrieden waren, hatte vielerlei Gründe. Zum einen, weil sie fahrlässig mit ihren Chancen hantiert hatten. Weil Kapitän Philipp Lahm den agilen Christian Maggio flanken ließ, so dass Holger Badstuber den Ball nur noch ins eigene Tor grätschen konnte (39.). Später, weil Mario Gomez einen umstrittenen Handelfmeter verschoss (49.) - auch wenn er dabei womöglich von einem Laserpointer aus dem Napoli-Block geblendet wurde.

Die Spieler gingen mit ihren eigenen Verfehlungen selbst am Härtesten ins Gericht. "Wer das Spiel gesehen hat, der weiß, dass wir das Spiel gewinnen müssen", sagte Torschütze Toni Kroos. Die Mannschaft hätte "die ein oder andere Kontersituation besser ausspielen können." Bastian Schweinsteiger ergänzte: "Wir haben zwei Punkte liegen lassen. Das ist schade."

Özil und Khedira treffen gegen Lyon
:Königliche Deutsche

Real Madrid gewinnt, die Tore machen die DFB-Spieler: Beim 4:0 der Spanier gegen Lyon gelingt Sami Khedira sein erster Pflichtspiel-Treffer für den Hauptstadtklub -auch Mesut Özil ist erfolgreich. Manchester City hat gegen Villarreal lange Probleme, doch dann beschert Maradonas Schwiegersohn den Engländern einen umjubelten Sieg.

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Auch Gomez, der sich zu Anfang der zweiten Halbzeit den schwächsten Elfmeter seiner Karriere als Bayern-Chefschütze geleistet hatte, haderte. "Es tut mir leid für die Mannschaft", sagte er. "Hätte ich getroffen, hätten wir dieses Spiel gewonnen. Da bin ich mir ganz sicher." An Typen, die im Fall des Misserfolgs nach vorne treten, mangelt es den Bayern derzeit nicht.

Bayern in der Einzelkritik
:Flink im Kopf, lahm in den Füßen

Manuel Neuer ist beim 1:1 in Neapel erst irritiert, dann gelingt ihm trotz des Gegentores ein Klubrekord, Toni Kroos taucht aus dem Nebel auf und trifft mit bemerkenswerter Lässigkeit und Thomas Müller agiert zwar geistig fit, doch ihn lassen seine Fußballerbeine im Stich. Die Bayern in der Einzelkritik.

Carsten Eberts und Klaus Hoeltzenbein, Neapel

Wenige Meter weiter, einmal durch den tiefen Graben, der sich rund um das Spielfeld in San Paolo schlängelt, saß Trainer Jupp Heynckes bei der Pressekonferenz. Und der wollte überhaupt nichts von Selbstvorwürfen wissen. "Leute, das sind doch Menschen. Wir machen auch mal Fehler", sagte Heynckes. Seit er Bayern-Trainer ist, hat sein Team eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht, in der es eigentlich immer nur eine Richtung gab: aufwärts. Zu Gomez ergänzte er: "Der Junge hat in den letzten Wochen so viel für uns geleistet. Da kann er auch mal einen Elfer verschießen."

Heynckes hatte Grund zu solch vehementer Fürsprache. Seine Mannschaft hat in Neapel schließlich nicht enttäuscht, sondern ein gutes Spiel gezeigt. Die Bayern konnten Neapel in dieser erstaunlichen Atmosphäre bis auf die kurze Zeit nach Badstubers Selbsttor dominieren. Angetrieben vom starken Dreieck Kroos-Schweinsteiger-Timoschtschuk erarbeiteten sie sich trefflichste Chancen, die Boateng, Gomez und wieder mal Müller jedoch vergaben.

Der einzige Vorwurf war, dass die Bayern in den 30 Minuten nach dem Führungstreffer nicht nachdrücklicher auf weitere Tore hinarbeiteten. Als sich in Neapels Defensive erstaunliche Löcher auftaten, nutzten die Spieler ihre Möglichkeiten nicht. Sie spielten nur zaghaft in die Lücken, genügten sich mit Ballbesitz und Halbchancen. Zum ersten Mal in dieser Saison war bei den Bayern in einer wichtigen Phase so etwas wie Nachlässigkeit zu spüren.

Ein kleines Kopfproblem, das jedoch für eine Mannschaft dieser Qualität leicht abzustellen sein dürfte.

Auch die Protagonisten an Heynckes' Seite lobten die Mannschaft ausdrücklich. "Ein Punkt gegen eine der stärksten Mannschaften Italiens ist ein herausragendes Ergebnis", sagte Sportdirektor Christian Nerlinger, der ein "hochwertiges Spiel" gesehen hatte, über das er am Ende "hochzufrieden" war. "Man darf nicht glauben, dass wir jedes Spiel 3:0 gewinnen", sagte auch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: "Das sind Träume, die nicht funktionieren."

Trotz des späten 2:1 von Manchester City in der vierten Nachspielzeitminute gegen den FC Villarreal sehen sich die Bayern-Verantwortlichen nahezu am Ziel. "Wir haben jetzt zwei Heimspiele, und die werden wir gewinnen", sagte Nerlinger. Damit stünden die Bayern sicher im Achtelfinale. Rummenigge, sein Boss, wiederholte diesen Satz ein paar Meter weiter. Nahezu wortgleich.

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