FC Bayern in der Champions League:Eine Halbzeit für die Seele

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Lupfer zur 4:0-Pausenführung: Leon Goretzka, bereits Vorbereiter des 1:0 und Schütze des 3:0, lässt hier Pilsens Jindrich Stanek keine Chance (Foto: Joe Klamar/AFP)

Gegen den deutlich unterlegenen tschechischen Meister Pilsen gewinnt der FC Bayern 4:2. Wie viele Spieler den Münchnern fehlten, wurde erst nach der Pause sichtbar.

Von Sebastian Fischer

Es gibt sie gerade schon noch, die Spieltage, an denen Julian Nagelsmann sehr gut gelaunt ist. Sie finden während der Woche statt, unter Flutlicht und auf der größten Bühne, die Europas Vereinsfußball bereithält. Einen "Ruhepol" hat der Trainer des FC Bayern München die Champions League am Dienstag genannt, und "aktuell ganz gut für die Seele" am Mittwoch, jeweils noch vor dem Spiel beim tschechischen Meister Viktoria Pilsen, das seine These bestätigte.

Münchens vierter Sieg im vierten Spiel, der zugleich den vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale in einer Gruppe mit Inter Mailand und dem FC Barcelona bedeutet, war indes ein ungewohnter für diesen Wettbewerb. 11 326 Zuschauer sahen im damit vollen Stadion dabei zu, wie der FC Bayern mit 4:2 (4:0) gewann. Und nicht nur die Kulisse erinnerte manchmal an eine Partie im DFB-Pokal.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Müller verschwindet plötzlich im Kabinengang

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Schon das Hinspiel in München hatten die Tschechen auf manchmal groteske Art und Weise chancenlos mit 0:5 verloren und dabei den Bayern-Angreifern komfortabel großen Raum für ihr Offensivspiel überlassen. Das Rückspiel sah vom Start weg verblüffend ähnlich aus, als hätte der Außenseiter sich wieder genau denselben fatalistischen Plan überlegt. Spätestens nach einer Viertelstunde, als der FC Bayern schon 2:0 durch Tore von Sadio Mané (10.) und Thomas Müller (14.) führte, war der Plan gescheitert. Danach sah man Nagelsmann vor seiner Bank erst mal nur noch gemächlich applaudieren.

Die Bedeutung der Partie hatte er schon vorher angemessen eingeordnet: Es gehe auch um die nötige Ruhe für das Bundesligaspiel gegen den SC Freiburg am Sonntag. Denn in der Bundesliga hat Nagelsmann in dieser Saison ja öfters schlechte Laune, weil der Serienmeister schon fünf Spiele nicht gewonnen hat, zuletzt beim in letzter Sekunde kassierten 2:2 am Samstag gegen Borussia Dortmund, als Vorstandschef Oliver Kahn auf der Tribüne einen Moment lang den wütenden Titan gab.

Am Mittwoch gab sich Kahn Mühe, schon vor dem Anpfiff im Interview beim Sender Dazn zur Ruhe beizutragen. Nagelsmann habe "als Trainer eine unglaubliche Qualität", der Vorstand sei "weiter total überzeugt von ihm". Dass dem 35-jährigen Trainer in den vergangenen Wochen mal mehr oder mal weniger subtil genügend Erfahrung abgesprochen wurde? "Das", sagte Kahn und lachte sein kurzes typisches Oliver-Kahn-Lachen, "ist eine Diskussion, die ist ja fast aberwitzig".

In Pilsen bewiesen die Münchner Profis dann jedenfalls, dass sie sehr elegant Fußball spielen können, wenn der Gegner dabei nur tapfer hinterherläuft. Das 1:0 durch Mané fiel nach einem direkt und quer durch den Strafraum gespielten Doppelpass, das 2:0 durch Müller nach schönem Zuspiel in die Tiefe von Leroy Sané und Flanke von Kingsley Coman. Die Torschützen waren jeweils ganz allein vor Pilsens bemitleidenswertem Keeper Jindrich Stanek.

Der FC Bayern lässt noch überraschend viele Chancen zu

Müller, der in Dortmund wegen einer Corona-Erkrankung gefehlt hatte, bereitete in der 25. Minute noch das 3:0 durch Leon Goretzka mit einer eher verunglückten Flanke vor, aber auch die verunglückten Flanken kamen an. Müller ging danach vom Feld, weil er sich weh getan hatte. "Vom Rücken hatte die Muskulatur etwas zugemacht. Nichts Schlimmes", erklärte Nagelsmann. "Nichts Dramatisches. Kein Risiko fürs Wochenende."

Für Müller kam der 17-jährige Mathys Tel. Das nächste Tor, wieder durch Goretzka, fiel trotzdem leicht: Nach Pass von Sané chippte der Nationalspieler den Ball über Stanek. "Das ist heute eher ein Abend, bei dem man auf die positiven Dinge gucken kann", sagte Goretzka.

Dass den Bayern fünf Stammspieler verletzt oder krank fehlten, wurde dann aber schon noch sichtbar. Es begann zum Beispiel jene Abwehrreihe, die am vergangenen Wochenende in der letzten halben Stunde in Dortmund zum ersten Mal überhaupt gemeinsam auf dem Platz gestanden hatte und dabei die zwei Gegentore zum 2:2- mitverantwortete: Dayot Upamecano und Benjamin Pavard in der Mitte, Josip Stanisic links, Noussair Mazraoui rechts. Anstelle des verletzten Manuel Neuer stand Sven Ulreich im Tor.

In der ersten Hälfte hatte er aufgrund Pilsens Harmlosigkeit kaum etwas zu tun, einmal wurde er angelupft. In der zweiten Halbzeit allerdings, als zunächst Eric Maxim Choupo-Moting, Ryan Gravenberch und später mit Marcel Sabitzer auch der 16-jährige Paul Wanner ins Spiel kamen, wurde es aber doch noch mal etwas lauter im kleinen Stadion. Wie das auch im DFB-Pokal ist, wurden zwei Tore durch Adam Vlkanova (62.) und Jan Kliment (75.) bejubelt, obwohl sie an der Niederlage des Außenseiters nichts mehr änderten.

Wobei: Der FC Bayern ließ noch so überraschend viele Chancen zu, dass es in der Champions League für Nagelsmann in dieser Saison eine neue Erfahrung war.

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