Seit Mittwochabend hatte sich die Fußball-Welt die Frage gestellt: Wie gut kann eine Fußballmannschaft sein? Kann irgendjemand diese Super-Super-Guardiola-Bayern schlagen? Oder rauschen sie noch schwereloser und noch erfolgreicher durch die Saison als die Super-Heynckes-Bayern des vergangenen Jahres? Das 3:1 beim englischen Scheich-Verein Manchester City war derart überzeugend, dass nicht einmal Chefkritiker Matthias Sammer etwas zu kritisieren gehabt hätte. Wenn er noch öffentlich kritisieren würde, seitdem ihm der halbe Klub, wie man in Bayern so sagt, übers Maul gefahren ist, nach seiner Komfortzonen-Aussage.
Sind die Bayern also allen anderen entschwunden in die Fußball-Hemisphäre? Erster Antwortgeber war ausgerechnet Bayer Leverkusen. Letzter Bundesliga-Sieger gegen den FC Bayern am 28. Oktober 2012, im Normalfall aber Immer-Verlierer, wenn es richtig darauf ankommt. Leverkusen gab eine Antwort, eine schnelle: Der beste drittplatzierte der Bundesliga-Geschichte ist von der bayerischen Hemisphäre weiter entfernt als der Leverkusener Karneval vom Münchner Oktoberfest. Von der ersten Minute spielte der FC Bayern den Gegner ganz einfach in Grund und Boden.
Und dennoch endete die Partie 1:1. Das Tor von Sidney Sam (30.) egalisierte die nur 60 Sekunden vorher erzielte Führung der Bayern durch Toni Kroos. Und dabei blieb es. Wie konnte das nur passieren?
Toni Kroos schoss den Ball rechts vorbei (8.), Thomas Müller ebenso (10.). Franck Ribéry verursachte bei den Gegenspielern Schwindelgefühle, in der Mitte retteten Ömer Toprak und Torwart Bernd Leno in letzter Not (12.). Kroos schoss noch einmal, Ribéry schoss noch einmal. Die Überlegenheit der Münchner war so total, dass Pep Guardiola mit seinem Torwart Manuel Neuer schimpfte, weil dieser den Ball einmal ins Seitenaus setzte.
Nach 29 Minuten fiel das überfällige 1:0. Wieder spielte Ribéry mit zwei Leverkusenern Ringelrei, passte präzise in den Strafraum, wo Toni Kroos völlig freistehend den Ball mit links unter das Tordach nagelte. Es machte in diesem Moment den Eindruck, als sei der Gastgeber bereits körperlich und geistig erschöpft vom ewigen Hinterherlaufen und -schauen. Und als begännen die Münchner jetzt endlich die lange Wir-sind-endlich-Tabellenführer-Party. Diese endete aber abrupt.
Der einzige Leverkusener, der in Handlungsschnelligkeit und Ballfertigkeit mit dem Gegner mithalten konnte, war Sidney Sam. Der Offensivspieler widerstand Sekunden nach dem Rückstand einmal dem brutalen Pressing der Münchner im Mittelfeld und spielte tatsächlich einen Pass nach vorne, der beim Mitspieler ankam. Lars Bender flankte, Neuer lenkte den Ball nur zu Sebastian Boenisch. Dessen Schuss lenkte Neuer wieder zum Gegner, diesmal zurück zu Sam, der ins leere Tor zum 1:1 traf. Dieser Ausgleich fiel in etwa so überraschend, als wäre ein Schwarm Flamingos im Stadion gelandet.
Als die Flamingos wieder weggeflogen waren, bzw. der Leverkusener Torjubel beendet war, ging es haargenau so weiter wie zuvor. Thomas Müller ließ nach einer Ribéry-Alaba-Kombination einen Kopfball über das leere Tor segeln (35.), Xherdan Shaqiri schoss Leno das Leder von den Handschuhen (40.).