FC Bayern:Der Zwiespalt des Pep Guardiola

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Pep Guardiola an der Seitenlinie gegen Schalke 04. (Foto: dpa)

"Weniger Lob, bitte! Weniger Lob!", rief Guardiola nach der Partie gegen Schalke. Vor den wichtigen Spielen des FC Bayern befindet er sich in einer Zwickmühle.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Der Vorfall musste durch einen Sachverständigen geprüft werden, also kam ein Sachverständiger. Der Sachverständige, schwarze Lederjacke, dunkle Jeans, modische graue Sneakers, eilte auf der Tribüne der Münchner Arena zu den Monitoren der TV-Kommentatoren, wie das ganze Stadion war er unsicher, ob gerade alles korrekt gewertet wurde. Also schaute er sich die Bilder genau an, fragte noch einmal nach, war schon Abseits, oder? Nickender TV-Kommentator, also nickte auch der Sachverständige. Javier Martínez sah, dass es nicht korrekt war. Er sah also, dass es ganz in seinem Sinne war.

Der FC Bayern schlingelt sich gerade durch den Beginn der sogenannten entscheidenden Wochen der Saison, davon machte sich auch Martínez am Samstagabend ein Bild an den Monitoren. Robert Lewandowski hatte gerade das erste Tor des Spiels erzielt, aus einer Abseitsposition heraus allerdings, der Mittelstürmer traf später noch ein zweites Mal, dazu einmal Arturo Vidal, das reichte für ein zumindest im Ergebnis recht geschmeidiges 3:0 (0:0) gegen Schalke 04. Das reichte aber nicht Pep Guardiola.

Der Trainer des FC Bayern hat in seinen nun fast schon drei Jahren in München einen ganz eigenen Ansatz der Analyse entwickelt. Eigentlich findet er immer alles super. So sehr lobt er mitunter seine Spieler, dass manchmal nicht klar ist, ob er das selbst überhaupt noch glaubt, und wenn klar ist, dass er etwas nicht so super findet, dann lobt er einfach etwas anderes. Mario Götze zum Beispiel ist dann immer ein super Mensch und ein super Profi. Am Samstagabend jedoch, nach diesem 3:0, das die Meisterschaft so gut wie entschieden hat, sagte Guardiola, der Trainer des souveränen Tabellenführers der Fußball-Bundesliga: "Ich bin ein bisschen traurig."

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Minutenlang klagte Guardiola über die Leistung, zwischendurch klang er besorgniserregend nach Matthias Sammer, dem Sportvorstand, der ja nur dann etwas super findet, wenn sonst ganz sicher überhaupt niemand etwas super findet, was seine Analysen allerdings auch irgendwann super durchschaubar gemacht hat. "Weniger Lob, bitte! Weniger Lob!", rief Guardiola irgendwann, da war er dem düsteren Sammer'schen Weltbild besonders nahe.

Anders als der Sportvorstand, der ja nicht nur in seinem Lob ein Anhänger des Antizyklischen ist, konnte sich Guardiola in seiner Traurigkeit jedoch auf konkrete Beobachtungen berufen. Und die waren gegen Schalke in erster Linie Beobachtungen von Dingen, die er nicht gesehen hatte. "Die erste Halbzeit waren wir nicht auf dem Platz, die letzten zehn Minuten waren wir nicht auf dem Platz", sagte er, und das war nun keine neue Form der von ihm hingebungsvoll gepflegten Rotation, durch die gegen Schalke Martínez das Spiel auf der Tribüne und vor den TV-Monitoren verfolgen durfte - und in der Guardiola so weit gegangen war, dass sich sogar Serdar Tasci warmlaufen durfte. Das Klagen über das körperlose Spiel war vielmehr ein Ausdruck der Ratlosigkeit.

Seit mehreren Wochen schon schleppt sich der FC Bayern von einem Arbeitssieg zum nächsten, viele Spieler sind von ihrer Bestform deutlich entfernt. David Alaba fehlt die Souveränität der Hinrunde, Lewandowski befreite sich mit seinen beiden Treffern ebenfalls aus einer Formdelle, der im Spätsommer so furiose Douglas Costa traut sich oft nur noch die falschen Dribblings zu, manchmal auch gar nichts mehr. Gegen Frankfurt passte er einmal von der Mittellinie zurück zu Torwart Manuel Neuer. "Wir sind gut, wenn wir Vollgas geben", sagte Guardiola, der Katalane hat in seiner Verzweiflung sogar zwei neue deutsche Vokabeln gelernt. "Unzufrieden" sei er. Und er vermisse: "eine gute Körpersprache".

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Vollgas und Körpersprache, beides haben seine Spieler zuletzt in den Duellen mit Juventus Turin gezeigt, das ist auch schon wieder ein paar Wochen her. Seitdem beruft sich die Mannschaft auf einen ihr zuvor unbekannten pragmatischen Ansatz, den Guardiola mit seiner Rotation allerdings auch gelegentlich vorgibt. Er findet sich daher in dem Zwiespalt wieder, dass er die Kräfte für die wirklich entscheidenden Partien schonen muss. Und dass er die Spieler dennoch immer wieder daran erinnern muss, dass sie diese verbliebenen Kräfte durchaus nutzen dürfen. Spätestens im Halbfinale in der Champions League gegen Atlético Madrid, einen Gegner, der Vollgas und Körpersprache zu einer ganz eigenen Kunstform gemacht hat.

Um die Mannschaft aus ihrer Frühlingslethargie zu wecken, so sehen sie das im Verein selbst, wäre nun dringend mal ein wirklich gutes Spiel angesagt, am besten schon an diesem Dienstagabend im Pokal-Halbfinale gegen Werder Bremen. Nur wie ihm das gelingen soll, darüber grübelt Guardiola selbst noch. Nicht ausgeschlossen, dass er in seinen letzten Monaten in München noch ein paar neue Vokabeln lernen wird.

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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