Louis van Gaal, das hat er bereits bei seiner ersten Pressekonferenz als Trainer des FC Bayern gesagt, ist ein Freund klarer Aussagen. Und so verwundert es kaum, dass van Gaal vor dem Spiel gegen Bayer Leverkusen deutliche Worte findet für seine Situation in München. "Ich muss etwas leisten. Denn wenn ich nichts leiste, dann werde ich entlassen", sagte van Gaal bei der Pressekonfrenz am Freitag. "Wir müssen gewinnen. Der Klub braucht Erfolge - aber der Trainer auch."
In den vergangenen Tagen hatte es eine wahre Flut an Aussagen zum Trainer gegeben. "Er muss lernen, Vertrauen und Verantwortung zu delegieren", mahnte etwa Präsident Franz Beckenbauer drei Tage vor dem wichtigen Heimspiel am Sonntag gegen Bundesliga-Tabellenführer Bayer Leverkusen via Bild. Manager Uli Hoeneß ergänzte: "Louis van Gaal ist der Meinung, dass er alles selbst regeln muss. Aber alles schafft ein Einzelner nicht. Louis ist auch immer noch überrascht von der Wucht, die hinter dem FC Bayern steckt." Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sagte: "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, wir müssen jetzt einen Befreiungsschlag erringen."
Zuvor hatte bereits Stürmer Luca Toni den Trainer kritisiert. Auf seiner Homepage sprach der Italiener in erstaunlicher Offenheit über das "Unverständnis mit dem aktuellen Trainer". Hoeneß kommentierte den Streit zwischen Toni und van Gaal knapp: "Im Moment gibt es eine gewisse Problematik zwischen Trainer und Spieler." Van Gaal wollte sich zum Disput nicht äußern.
Die öffentliche Kritik der Verantwortlichen am Trainer zeigt, dass die Geduld mit dem als konsequent, kompromisslos und oft knochentrocken geltenden van Gaal aufgebraucht ist und dass die Partie gegen den Tabellenführer Bayer Leverkusen eine Woche vor der Jahreshauptversammlung ein Endspiel für den Fußballehrer sein könnte. Bei den Bayern rumort es gewaltig. "Es steht richtig eng um den Trainer", sagte ein namentlich nicht genannter Spieler der Süddeutschen Zeitung, und Kapitän Mark van Bommel sagte: "Alles steht und fällt mit diesem Ergebnis."
Van Gaal betonte dagegen, dass er trotz der durchwachsenen Situation - die Mannschaft ist derzeit Achter mi sechs Punkten Rückstand auf Leverkusen und in der Champions League so gut wie gescheitert - die Rückendeckung des Vereins spüre: "Ich spreche jede Woche mit dem Vorstand. Ich weiß alles, was sie meinen, denken und fühlen. Wir sind immer ehrlich, direkt und sachlich. Wir haben dasselbe Ziel."
Kapitän van Bommel bemühte sich am Freitag deshalb auch, den Eindruck zu zerstreuen, dass es einen Riss zwischen Trainer und Team gebe. "Ich schätze den Trainer, er ist ein guter Trainer für uns. Es wird suggeriert, dass der Trainer gefeuert wird, wenn wir am Sonntag verlieren. Das habe ich aber nicht gesagt." Die Abendzeitung hatte ein Interview van Bommels auf der Homepage der niederländischen Nationalmannschaft frei übersetzt und gefragt, ob van Gaal im Falle einer Niederlage in der Bundesligapartie am Sonntag gegen Bayer Leverkusen vor dem Aus stehe. "Das kann sein. Bei diesem Verein ist das möglich. Bei Bayern bekommst du einfach keine Zeit, auch wenn du van Gaal heißt", wurde van Bommel zitiert. "Ich ärgere mich seit heute Morgen, das stört mich enorm", sagte van Bommel. "Es ging in diesem Interview um die Zeit um Weihnachten, nicht um das Leverkusen-Spiel."
Die öffentliche Meinung über van Gaal ist derzeit alles andere als positiv. Bei t-online.de sprachen sich mehr als 75 Prozent der User (48.970 Stimmen) gegen van Gaal aus. Insgesamt nahmen bis Freitagvormittag mehr als 64.500 User daran teil. t-online gehört zur Unternehmensgruppe der Deutschen Telekom, die ihren Vertrag als Hauptsponsor beim FC Bayern gerade bis 2013 verlängert haben.
In Leverkusen dagegen wird die Brisanz des Spiels für den Bayern-Trainer heruntergespielt. "Die Ausrichtung ist die gleiche wie immer: Wir müssen versuchen, zu null und nach vorne zu spielen", sagt Trainer Jupp Heynckes lapidar. Er warnt jedoch vor den angeschlagenen Münchnern: "Wenn die Bayern mit dem Rücken zur Wand stehen, sind sie zu ungewöhnlichen Leistungen fähig."
Auf diese Stärke des FC Bayern baut auch van Gaal. "Traditionen zählen in der Welt des Fußballs immer etwas", sagte er und verwies auf die Statistik, nach der Bayer Leverkusen seit dem letzten Sieg in München im Jahr 1989 gerade einmal vier Unentschieden erreichen konnte und die restlichen Begegnungen verlor.
Van Gaal muss beim Spiel am Sonntag erneut auf den verletzten Franck Ribéry verzichten, zudem wird auch Arjen Robben nicht von Anfang an spielen können. "Er wird nicht anfangen. Wir dürfen einen weiteren Rückschlag nicht riskieren", sagte van Gaal. Miroslav Klose ist nach seiner Trainingspause noch nicht fit, also wird aufgrund der Problematik mit Luca Toni wohl Mario Gomez eine Chance von Beginn an erhalten.
Am Ende gab sich van Gaal dann wieder optimistisch und kämpferisch. "Wenn wir Erfolg haben, dann bekomme ich auch Zeit", sagte er. Was passieren könnte, wenn er keinen Erfolg hat, das musste der Trainer des FC Bayern nicht sagen.