Basketball:Viel vorbeigesemmelt

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Überragend in Hamburg: Elias Harris (links, hier gegen Brae Ivey) zog viele Fouls und verwandelte alle seiner acht Freiwürfe - es hätte keiner weniger sein dürfen. (Foto: Stephanie Limb/Eibner/Imago)

Aus der Euroleague sind die Bayern fast ausgeschieden - und beim Sieg nach Verlängerung in Hamburg zeigt sich, dass der Fokuswechsel auf die Bundesliga noch nicht vollzogen ist.

Von Christoph Leischwitz

Die Veolia Towers Hamburg mögen zwar keine Spitzenmannschaft in der Basketball-Bundesliga sein, doch am Sonntagnachmittag genossen sie Euroleague-Atmosphäre: Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Mannschaft war sie in die größere Arena neben dem Volksparkstadion umgezogen, knapp 12 000 Leute kamen zum Spiel gegen den FC Bayern - gegen jene Bayern, die sich zuletzt im internationalen Wettbewerb sehr schwergetan hatten.

Richtig laut wurde es in der Schlussminute: Der Außenseiter schien schon geschlagen zu sein, doch dann zog der Gastgeber mit zwei Dreiern gleich und erzwang eine Verlängerung. Bayerns Kapitän Vladimir Lucic war gerade mit seinem fünften Foul aus dem Spiel geflogen, die Körpersprache der Münchner ließ zu wünschen übrig. In der Verlängerung gerieten die Bayern zunächst in Rückstand. Doch mit einer Mischung aus Glück und individueller Qualität bekamen sie die Halle doch noch ruhig: 81:80 hieß es am Ende für die Münchner, den Sieg sicherte in den Schlusssekunden Serge Ibaka mit einem Block. "Wir haben viele offene Würfe vorbeigesemmelt", sagte Bayerns Topscorer Elias Harris (14 Punkte) nach dem Spiel beim Streamingdienst Dyn, "es war ein harter Kampf unter den Brettern."

In der Bundesliga mag es manchmal gerade so reichen, in der Euroleague fehlt oft einiges. Der vergangene Freitagabend, kurz vor Mitternacht: Niels Giffey ist sichtlich müde und erschöpft, die Enttäuschung über die letztlich deutliche 74:89-Niederlage gegen Maccabi Tel Aviv tut ihr Übriges. Rein rhetorisch wollen die Bayern zu diesem Zeitpunkt zwar noch keinen Haken hinter die internationale Spielzeit machen, aber sie sind kurz davor. Die Chance, noch die Playins in der Euroleague zu erreichen, "ist ja nur noch eine mathematische", sagt Giffey, "wir hatten es mit den letzten zwei Spielen in den eigenen Händen". Und nun hatten sie den Einzug in die Playins mit zwei Niederlagen aus den Händen gegeben.

Um im Frühjahr noch ein paar zusätzliche Flugreisen zu unternehmen, wäre Tabellenplatz zehn nötig. Doch die Bayern stehen auf Rang 15, müssten zwei Teams ein- und drei Teams überholen, gegen die man den direkten Vergleich verloren hat - und das in gerade einmal drei ausstehenden Partien. In diesen trifft das Laso-Ensemble auf die Teams Nummer zwei, drei und vier in der Tabelle, als Nächstes am Donnerstagabend auf Barcelona, immerhin in der heimischen Halle. "Eine kleine Chance haben wir noch", sagt Trainer Pablo Laso. Es sei deshalb falsch, jetzt schon ein Euroleague-Fazit zu ziehen - doch eigentlich tat er das nach der Niederlage schon, wenngleich erst einmal nur im Präsens, nicht im Perfekt: "Ich habe das Gefühl, wir geben nicht jeder Situation die nötige Bedeutung. Das ist etwas, das uns das ganze Jahr wehtut."

Wenn die Bayern nicht in Bestbesetzung sind, reicht es nicht gegen die besseren Euroleague-Teams

Am Freitagabend gegen Tel Aviv mündete die fehlende Konstanz in eine besonders extreme Berg- und Talfahrt: Die Bayern verloren das zweite Viertel deutlich, gewannen das dritte Viertel deutlich, drehten zu Beginn des Schlussabschnitts sogar die Partie - und gerieten dann in einen 0:18-Lauf von Tel Aviv. Über annähernd sechs Spielminuten gelang kein einziger Punkt. Auf die Frage, wie das in so einer entscheidenden Phase der Saison zu erklären sei, sagte Chefcoach Laso: "Ich kann es nicht erklären."

Offensichtlich ist aber auch: Wenn die Bayern nicht in Bestbesetzung sind, dann reicht es nicht gegen die besseren Teams in der besten europäischen Liga. Unter dem Korb fehlten in Devon Booker und Danko Brankovic gleich zwei Center, und die schwache Dreierquote gegen Tel Aviv (28 Prozent) hätte mit Andreas Obst womöglich besser ausgesehen. Außerdem fehlt den Bayern bisweilen die nötige Cleverness. Zum Beispiel dann, wenn Tel Aviv die Abwehr umstellte, den Bayern schon im Spielaufbau den Ball abluchste und den Rhythmus nahm. "Das ist einfach ärgerlich. Ich glaube, dass wir besser spielen können", sagte Giffey.

Ob dieses Spiel dann vielleicht ein Abbild der Euroleague-Saison gewesen sei: Rückstand aufholen, um sich dann wieder selbst um die Früchte der Arbeit zu bringen? "Ein bisschen schon", fand Trainer Laso. Obst fehlte mit seiner Oberschenkelverletzung übrigens auch in Hamburg, was die "vorbeigesemmelten" Würfe bescheinigen; auch bei den Towers kamen die Bayern nur auf 29 Prozent aus der Distanz. Doch es genügt dann eben in der Liga oft, wenn etwa ein 2,03-Meter-Forward mehr Aufgaben unter dem Korb übernimmt. Harris zog viele Fouls und verwandelte alle seiner acht Freiwürfe - es hätte keiner weniger sein dürfen.

Giffey meinte nach der jüngsten Euroleague-Niederlage: "Die Chance ist noch da. Aber sobald sie nicht mehr da ist, muss der Fokus-Switch kommen", also ein nahtloses Umschwenken, ein voller Fokus auf die Liga, denn die deutsche Meisterschaft ist "ganz klares Ziel". In Hamburg war der Fokus noch nicht ganz da, und es wäre beinahe schiefgegangen.

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