Champions League:Bayern hat den schwersten Gegner

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Die Spielerinnen des FC Bayern treffen im Viertelfinale der Champions League auf Olympique Lyon. Die Französinnen setzen seit Jahren Maßstäbe im Frauenfußball.

Von Anna Dreher, Bilbao/München

Ein Kopfball von Wendie Renard ist sehr wahrscheinlich zu sehen gewesen. Wie die Französin in der Luft allein schon wegen ihrer Größe von 1,87 Metern alle überragt. Und genau an den richtigen Stellen lauert. Egal übrigens, ob sie bei Standards Tore erzielen oder diese in der Defensive verhindern soll. Es werden Szenen von Amandine Henry dabei gewesen sein, der durchsetzungsstarken Mittelfeldspielerin, und von Sarah Bouhaddi, der erfahrenen Torhüterin. Dzsenifer Marozsán wird es auch ziemlich oft in die Auswahl geschafft haben, wie sie kreativ wichtige Akzente im Angriffsspiel setzt und den Ball präzise bei Freistößen und Pässen in die gewünschte Richtung lenkt. Schwer zu kontrollieren, immer und überall gefährlich. Nikita Parris, wie sie aufs gegnerische Tor zu sprintet, um dann frech abzuschließen. Und nicht zu vergessen, klar, die Weltfußballerin Ada Hegerberg.

Aussagekräftiges Anschauungsmaterial ist den Spielerinnen des FC Bayern München sicher nicht ausgegangen, als sie sich auf das Viertelfinale des Champions-League-Finalturniers am Samstag (20 Uhr, Sport1) vorbereitet haben. Alle haben detaillierte Zusammenschnitte von Szenen bekommen. Und besonders in diesem Fall ist keine Wiederholung zu viel. Denn der FC Bayern trifft direkt zum Auftakt auf jenen Gegner, dem alle Teams lieber erst so spät wie möglich begegnen wollen, damit nicht gleich wieder die Koffer gepackt werden müssen: Olympique Lyon, Titelverteidiger und sechsmaliger Gewinner des international wichtigsten Klub-Wettbewerbs, mit einem Kader hochveranlagter Fußballerinnen. "Jede weiß genau, was auf sie zukommt und wer ihr gegenübersteht", sagte Bayerns Trainer Jens Scheuer am Telefon vor der Abreise nach Bilbao. "Olympique hat auf jeder Position die weltbesten Spielerinnen. Aber natürlich gibt es auch gegen dieses Team Möglichkeiten, sich durchzusetzen."

Das Finale beim Coupe de France sieht Bayerns-Trainer Jens Scheuer als Beweis, dass der klare Favorit zu schlagen ist

Welche Möglichkeiten ihm genau vorschweben, wollte Scheuer auf der Pressekonferenz am Freitag dann lieber nicht verraten. Nicht, dass der ohnehin als klarer Favorit geltende Gegner noch zusätzliche Hilfe für den Auftakt im San-Mamés-Stadion bekommen könnte. Dessen Trainer wiederum zeigte das gewohnte Selbstbewusstsein, gespeist aus so vielen gewonnenen Endspielen - allein in der Champions League die vergangenen vier Mal in Serie. Die Schwächen des FC Bayern, sagte Jean-Luc Vasseur, habe er schon ausgemacht. Welche, wurden dann aber auch von ihm nicht Preis gegeben. Dieses Viertelfinale fängt eben schon deutlich vor dem Anpfiff an. Das Vertrauen, das Lyon ohnehin schon in sich hat, wurde durch den Gewinn des Coupe de France gegen Paris St. Germain vor zwei Wochen noch einmal aufgefrischt. "Meine Spielerinnen sind außergewöhnlich in ihrer Fähigkeit, ihre Emotionen zu kontrollieren", sagte der 51-Jährige danach, und: "Sie haben das Siegen in ihrer DNA".

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Genau diese Partie aber sieht Scheuer als Beweis, dass Lyon eben doch zu schlagen ist. Entschieden wurde sie gegen das Pariser Team um die deutsche Nationalspielerin Sara Däbritz schließlich erst im Elfmeterschießen. Sofern seine Fußballerinnen ihr eigenes Spiel in den entscheidenden Momenten durchziehen können, ist Scheuer zuversichtlich, dass mehr drin ist als nur eine Statistenrolle auf dem Weg von Lyon zum nächsten Triumph. Und überhaupt: "Wir wollen gar nicht so auf Olympique achten und beim Gedanken an all ihre Titel verkrampfen. Es geht um unser Spiel und darum, unsere fußballerische Qualität zu zeigen - die haben wir", sagte Scheuer. "Wenn wir wie die Karnickel vor der Schlange abwarten, was passiert, wird Lyon zuschlagen. Der Respekt darf nicht zu groß sein. Unser Ziel ist es, frech aufzutreten."

Auf das bislang beste Abschneiden der Münchnerinnen vor einem Jahr, als erst im Halbfinale gegen den FC Barcelona Schluss war, soll nun erst gegen Lyon die große Überraschung gelingen - um dann auf den FC Arsenal oder Paris zu treffen. Auch wenn dem FC Bayern sehr bewusst ist, wem er da im Viertelfinale gegenübersteht. Lyon setzt seit Jahren Maßstäbe im Frauenfußball, auf dem Platz und in Sachen Professionalisierung. Der dreizehnmalige französische Meister und achtmalige Pokalsieger hat dank seines investitionsfreudigen Klubpräsidenten Jean-Michel Aulas die Branche nachhaltig verändert. Und auch wenn die englischen Vereine aufholen, nach Lyon wechseln die Besten nach wie vor gerne.

Top-Anreiferin Ada Hegerberg wird Lyon gegen den FC Bayern fehlen

Nach München kamen unter anderem die DFB-Nationalspielerinnen Klara Bühl (SC Freiburg), Lea Schüller und die erfahrene Marina Hegering (beide SGS Essen). Im Gegensatz zum Champions-League-Turnier der Männer dürfen bei den Frauen sechs Zugänge zum Einsatz kommen. Bühl fehlt verletzt, aber Schüller hat in der Vorbereitung schon deutlich gezeigt, warum der FC Bayern an ihrer Verpflichtung so interessiert war: Die 22-Jährige ist eine der besten deutschen Offensivspielerinnen. Ihre Torgefahr könnte gegen Lyon gebraucht werden. "Wir sind in der kurzen Zeit schon eng als Team zusammengewachsen, der Teamspirit ist gut", sagte Kapitänin Lina Magull am Freitag auf der Pressekonferenz. "Das wird ausschlaggebend sein. Wie auch, dass wir mutig sind."

Auf der anderen Seite, auch das könnte helfen, kann zumindest eine der weltweit besten Spielerinnen gegen den FC Bayern nicht eingreifen: Ada Hegerberg. Die Norwegerin hatte sich im Training Anfang des Jahres das Kreuzband gerissen. Bis dahin hatte sie 14 Tore in der französischen Liga und neun in der Champions League erzielt, wo sie mit 53 Treffern auch die erfolgreichste Schützin in der Geschichte des Wettbewerbs ist. Das Finale 2019 entschied sie quasi im Alleingang, mit einem Hattrick gegen Barcelona. Lyon führte 4:0 nach einer halben Stunde. "Vielleicht", sagte Lina Magull noch, "ist Lyon gerade zum richtigen Zeitpunkt verwundbar."

© SZ vom 22.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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