FC Bayern: Louis van Gaal:Kampf den Papageien

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Bayerns Trainer Louis van Gaal muss sich vor dem Spiel gegen Hoffenheim vielen kritischen Fragen stellen. Dabei polarisiert er nicht nur wegen seines autoritären Naturells,sondern auch fachlich. Die Gefahren seines Stils nimmt er aber in Kauf.

Moritz Kielbassa

Fans des FC Bayern, die in Kneipen oder Internetforen die Aufstellung ausbrüten, haben für diesen Samstag viel Diskussionsstoff. Alle Nationalspieler sind unversehrt zurückgekehrt, auch die Trainingsgruppe in München war klein, aber oho. Zwar beaufsichtigte Louis van Gaal zeitweise nur fünf Feldspieler, darunter jedoch: Arjen Robben, Franck Ribéry und Mario Gomez, drei zuletzt krankgeschriebene Offensivgrößen.

Muss sich zurzeit vielen kritischen Fragen stellen: Bayerns Trainer Louis van Gaal. (Foto: Bongarts/Getty Images)

X Varianten gibt es daher für die Startelf gegen Hoffenheim. Allerdings mag es der Trainer nicht, wenn sich andere für ihn den Kopf zerbrechen - wie jener wagemutige Fan, der ihn zuletzt persönlich fragte, warum der Mittelfeldspieler Timoschtschuk Innenverteidiger spiele, nicht Breno. Van Gaal entbot ihm seinen neuen Lieblingsfluch: "Sie sind ein Papagei!"

Van Gaal, 59, ist niemand, der Menschen fröhlich erträgt, die er für Narren hält, und weniger Ahnung von Fußball bescheinigte er fast allen Erdbewohnern. Insofern erlebt er harte Zeiten, denn gerade werden viele Fragen gestellt, die ihm nicht gefallen: Warum sind die Bayern Bundesliga-Fünfter? Woher kommen auswärts die vielen seltsamen Einbrüche in der zweiten Halbzeit, peinlicher Tiefpunkt zuletzt: 2:3 in Köln, nach 2:0?

Warum gab es gegen die drei Schlusslichter der Tabelle neun Gegentore? Wieso kontern Gegner die weit aufrückende Abwehr nach Herzenslust aus? Warum spielen Müller und Schweinsteiger nicht auf den Positionen, auf denen sie van Gaal im Vorjahr zur Weltklasse formte? Wieso wurde der Torwart getauscht? Warum all die Stellungsfehler und Kopfball-Schwächen hinten, auch bei Standards? Weshalb spielten zwei brave, mittelmäßige, Kicker (Ottl/Pranjic) im Zentrum, wo das Spiel angekurbelt und kontrolliert werden muss? Hat van Gaal überhaupt ein Defensivkonzept? Und so weiter.

Van Gaal wirkte auch am Freitag nachdenklich und dünnhäutig. Den Alarmruf von Vorstandschef Rummenigge, wegen der "fahrlässigen Punktverluste" seien "unsere Ziele gefährdet", hielt er entgegen, er "finde nicht", dass man sich um Platz zwei, Bayerns Mindestanspruch, sorgen müsse.

Einige der personellen Verlegenheitslösungen kann der Trainer immerhin beenden. Die Flügelzange Ribéry/Robben, bisher dramatisch selten gemeinsam fit, spielt wohl von Beginn an. So kehren Schweinsteiger (Sechser) und Müller (Zehner) auf ihre bevorzugten Arbeitsplätze zurück, das soll dem Mittelfeld wieder Halt und ein Gesicht geben. Offen ist der zweite Sechser, Tendenz: Pranjic: Luiz Gustavo erfuhr vor seinem Wiedersehen mit Hoffenheim, dass er links verteidige, vorerst nichts ins Mittelfeld rücke. Auch die Innenverteidigung bleibt ein kritisch beäugtes Provisorium.

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Den Reinfall in Köln werteten die Bayern intern als "Schuss vor den Bug", als Anlass, Dinge nicht mehr schönzureden, sondern grundsätzlich zu überdenken. Sie wollen jetzt in allen Wettbewerben die Kurve kriegen - mit van Gaal. Denn würde der Trainer scheitern, wäre die Außenwirkung, dass wieder alle guten Vorsätze für mehr Kontinuität beim Teufel sind - nur wenige Monate, nachdem Van-Gaal-Fußball sogar Leute vom Hocker riss, die den FC Bayern nicht mögen.

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Van Gaal polarisiert aber nicht nur wegen seines autoritären Naturells, er polarisiert auch fachlich. Gegner schwärmen einerseits über die Flachpassmuster, die Positionsspiele und das diagonale Pressing, das er den Bayern beibrachte. Hoffenheims neuer Trainer Marco Pezzaiuoli lebte zeitweise in Amsterdam, er studierte jene Ajax-Schule, die van Gaal mitbegründet hat, er erzieht seine Elf gerade auch zu mehr Ballbesitz. Andererseits entschlüsseln Trainer Bayerns Spielweise mit Wonne, sie sabotieren sie mit Forechecking (siehe Mainz, Dortmund) oder der Banaltaktik: Hinten dicht machen und bei Ballgewinn ruckzuck in die Löcher stoßen (Inter Mailand, Köln).

Van Gaal kennt diese Gefahren, er nimmt sie in Kauf. Sein Buch "Vision" ist ein literarischer Feldzug für "angriffsbetonten Fußball". Er gibt zu: "Es ist ungerecht von mir, aber mit Klubs, die Spiele defensiv gewinnen, kann ich schlecht umgehen." Er teilt Kollegen daher in Weiß (Sacchi, Lobanowski) und Schwarz (Capello, Hiddink, Mourinho) ein und behauptet von sich selbst, den "schwierigsten Weg zu wagen" - obwohl es für seine Abwehr Probleme birgt, "weit vom Tor entfernt zu verteidigen, mit viel Raum im Rücken". Doch er kann nicht anders.

An der Säbener Straße verlangen sie jetzt keinen radikalen Stilwandel. Aber van Gaals Koketterie, dass ihm Attraktivität manchmal mehr bedeute als das Ergebnis, kann sich der FC Bayern nicht leisten. Er braucht Siege. Sofort. In Serie. Der berechtigte Wunsch ist, im Spiel auch mal den Rhythmus zu wechseln, mit Kalkül zu gewinnen, notfalls schmutzig, wie früher; ein 2:0 wie in Köln zu verwalten und die Reihen auf dem Feld kompakter zu staffeln - zur Entlastung der Verteidiger, die oft quer übers ganze Feld in Zweikämpfe stürzen, zudem anspruchsvolle Aufgaben im Spielaufbau haben. Van Gaal findet indes, nicht Taktik sei schuld an Betriebsunfällen wie Köln, es sei "Kopfsache", wenn alle Spieler plötzlich die Laufbereitschaft drosseln.

Wie auch immer: Am 1.1.2011 habe die "Zeit der Wahrheit" begonnen, hat Präsident Uli Hoeneß gesagt, der zu van Gaal trotz des Rotwein-Friedens in Rumänien vorigen Herbst keine innige Beziehung hat. Kehren Robben und Ribéry dauerhaft zurück, gäbe es definitiv keine Ausreden mehr.

Auch das Thema Hierarchie ist kein Alibi. Dass van Gaal altgediente, unbequeme Spieler ziehen ließ, zuletzt Kapitän van Bommel, und nun kein kantiger Häuptling das Team kommandiere - dieser Punkt wird allgemein übertrieben bewertet. "Wir sind nicht bei der Bundeswehr", sagt dazu Stürmer Gomez. Aber auch diese Leithammel-Debatte beendet nur: Erfolg.

© SZ vom 12.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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