FC Bayern:Sechs von sechs möglichen Titeln

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Manuel Neuer mit dem Weltpokal. (Foto: MOHAMMED DABBOUS/REUTERS)

Der FC Bayern gewinnt nach einem 1:0 gegen Tigres UANL auch die Klub-WM. Den Münchnern gelingt damit ein Pokal-Grand-Slam, den bisher nur eine Mannschaft jemals geschafft hat.

Von Philipp Schneider, Doha/München

Die beste Mannschaft des FC Bayern der Geschichte musste sich nun ein bisschen gedulden. Aber was waren denn bitteschön die paar Sekunden, die nun vergingen, eine halbe Minute vielleicht, zäh wie Honig, auf dem Weg zur Unsterblichkeit? Schiedsrichter Esteban Ostojich aus Uruguay fasste mit der Hand an sein Ohr, so stand er regungslos da und wartete auf die Meldung des Kollegen. Draußen an der Seitenlinie hatte Hansi Flick, der beste Trainer in der Geschichte des FC Bayern München, schon vor Freude einen Luftsprung hingelegt. Zu früh? Auch Flick musste sich ja noch gedulden. Nur einer sah schon während des Wartens so aus, als wisse er schon ganz genau, wie die Geschichte ausgehen würde.

Täuschte es, oder hatte Robert Lewandowski, dessen Position und Einsatz beim Treffer von Benjamin Pavard gerade noch überprüft wurde, sogar kurz gegrinst? Gut, von einem Stürmer, kürzlich gekürt zum besten Fußballer des Planeten, darf man vielleicht schon mal etwas Hellsicht erwarten in wichtigen Momenten wie diesen.

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Und dann, endlich, blies Ostojich in die Pfeife. Das Tor zählte! Der Weltfußballer und Vorlagengeber hatte bei der Verlängerung einer Flanke von Joshua Kimmich nicht im Abseits gestanden. Er hatte auch den Torwart im Luftzweikampf nicht gefoult. Und dass der Ball leicht seinen Arm berührt hatte, schien den Video-Schiedsrichter nicht zu stören. Dann war es amtlich: Der FC Bayern, der sich 59 Minuten lang arg gemüht hatte gegen die robusten, aber harmlosen Fußballer des mexikanischen Klubs Tigres UANL, rettete nun dieses 1:0 (0:0) über die Ziellinie der Klub-WM in Katar.

Zuvor war es nur Barcelona gelungen, sechs Titel in einer Saison zu gewinnen

Und so endete für Trainer Flick am Donnerstagabend eine Reise, von der er es sich bei Reiseantritt niemals ausgemalt haben dürfte, dass sie so farbig sein würde. Sechs Titel hat er nun in seiner ersten Saison beim FC Bayern gewonnen. Sechs Pokale, die holte vor ihm nur der FC Barcelona 2009 mit dem Übungsleiter Pep Guardiola. Und beim FC Bayern: bisher niemand. "Wir wissen, was es bedeutet - nicht nur für die Geschichte von Bayern München, sondern für die Fußballgeschichte", das hatte auch Lewandowski schon in der erwartungsfrohen Haltung gesagt, bald auch noch diesen Pokal stemmen zu dürfen. Der Titel sei "die Kirsche auf der Torte".

Die Bayern spielten ja vor dem Hintergrund einiger turbulenter Tage in Katar. Flick musste - so es denn so was beim FC Bayern überhaupt gibt - recht kurzfristig eine Art Notelf auf den gepflegten Rasen von Katar schicken. Drei Spieler fehlten wegen Corona-Infektionen: Leon Goretzka und Javi Martínez waren nach ihren positiven Tests gar nicht erst mitgereist zur Klub-WM. Jérôme Boateng reiste wegen eines Trauerfalls aus privaten Gründen ab, am Finaltag dann wurde bekannt, dass das Virus am Mittwoch auch bei Thomas Müller nachgewiesen worden war. Er reiste im Privatjet nach München, um sich dort in Isolation zu begeben. Flick sagte auf der späten Pressekonferenz über Müller: "Er ist müde, aber das ist normal, wenn man so eine Diagnose bekommt. Da geht einem einiges durch den Kopf."

Und "wenn man alles so betrachtet", resümierte Flick: "die Anreise, und dass auch in den letzten Tagen sehr viel Unruhe da war". Dafür sei es doch sehr beachtlich, "dass der Sieg in keiner Weise gefährdet" gewesen sei. Auch Flick wirkte müde. Aber er sprach die Worte eines sehr zufriedenen Trainers.

Süle in der Abwehr, Alaba im Mittelfeld, Sané in der Offensive

Anstelle von Boateng orderte Flick Niklas Süle in die Innenverteidigung; für den zuletzt nominierten Marc Roca spielte im defensiven Mittelfeld diesmal der aus der Innenverteidigung vorgerückte David Alaba. Dessen Vertreter in der Abwehrkette gab Lucas Hernández. Und anstelle von Müller durfte im vorderen Mittelfeld nun Leroy Sané den Passempfänger von Joshua Kimmich auf dem Flügel geben. Gemeinsam mit den ebenfalls schnellen Serge Gnabry und Kingsley Coman sollte Sané, das war wohl die Idee, wie ein Wüstensturm über die Mexikaner herziehen. Zu spüren war aber zunächst nur ein warmes Lüftchen, das als Föhn an gewissen Tagen über die Alpen nach München zieht.

Fünf Minuten waren gespielt, da entstand aus einer Kombination von Gnabry, Sané und Coman zumindest mal die erste Chance der Münchner. Auffällig war auch: Die Protagonisten der neu formierten Abwehrkette der Münchner fremdelten - ihrer Säulen Alaba und Boateng beraubt - zunächst untereinander.

Kimmich trifft, doch Lewandowski steht im Abseits

Dem Spiel der Münchner fehlte ein wenig die gewohnte Leichtigkeit. Sie passten weniger kurz und schnell, vielmehr betont häufig diagonal und in den Lauf. Entsprechend war es ein Kraftakt, ein wenig artistischer, prosaischer Gewaltschuss von Kimmich, der scheinbar die Bayern-Führung bewerkstelligte. Die nachträgliche Begutachtung der TV-Bilder bewies aber, dass Lewandowski mit einer hektischen Hampelei in Abseitsstellung den mexikanischen Torwart Nahuel Guzmán zuvor durchaus irritiert hatte. Das Tor zählte nicht, aber die Bayern nahmen den Ärger darüber zum Anlass für einen Sturmlauf: Erst schoss Alphonso Davies nach einem Konter Guzmán an, kurz darauf blockte dieser einen Distanzversuch von Coman.

Nach 30 Minuten musste Manuel Neuer erstmals die Arme gemächlich in Richtung Grasnarbe strecken, weil dort der Ball tatsächlich mal auftauchte. Die Mexikaner waren bemüht, aber sie stießen immer wieder an die Grenzen ihres fußballerischen Vermögens. Ihr Glück war, dass Sané nach einer schnell ausgeführten Ecke nur an die Grenzen des Tores stieß, als er den Ball an das Lattenkreuz donnerte.

"Jetzt haben wir das Sixpack"

In der Halbzeit dürfte Flick noch einmal über taktische Änderungen nachgedacht haben. Aber nach all den Narben, die das Coronavirus und das Leben in seiner Mannschaft hinterlassen hatten, gab es nicht mehr viele Optionen, die ihm zusagten. Dieses dritte Spiel innerhalb von sechs Tagen kostete Kraft. Und das Bollwerk, mit dem die Mexikaner auch den Rio Grande vor allerlei Ungemach aus dem Norden hätten verteidigen können, blieb für die Bayern weiter unüberwindbar. "Man hat gesehen, dass der eine oder andere am Limit war", sagte Flick.

Gnabry schoss nach Wiederanpfiff und einer schönen Vorlage von Alaba knapp drüber. Und dann mühte und ackerte sich die offiziell beste Mannschaft des FC Bayern der Geschichte weiter - bis zum erlösenden Tor des Rechtsverteidigers Pavard. Es war ein sehr gewöhnlicher, ein schnörkelloser Schuss. Nach Vorarbeit von Lewandowski, der den Torwart in einen Zweikampf verstrickt hatte und der später meinte: "Ich denke, heute wollten wir einfach gewinnen. Jetzt haben wir das Sixpack, und das ist eine große Geschichte."

Eine große Geschichte, mit der sich niemand lange aufhält. Am Montag geht es in der Bundesliga gegen Arminia Bielefeld.

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