FC Bayern in der Champions League:Franck Ribéry lächelt in seiner alten Welt

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Das Gastspiel beim OSC Lille ist für Frank Ribéry ein Ausflug in seine Vergangenheit. Zum Beispiel erinnert er sich an einigen Ärger in der dortigen Schule. Inzwischen hat sich sein Verhältnis zu Frankreich insgesamt verbessert. Für den FC Bayern München ist das vor diesem heiklen Champions-League-Spiel ein gutes Zeichen.

Claudio Catuogno

"Endlich", sagt Franck Ribéry und blickt durch die Glasfront des Hotels, gleich hinter dem Europa-Bahnhof von Lille: "Der Duft des Nordens." Von unten dringt das Klappern von Besteck herauf, dazu der Geruch von Gegrilltem. Aber das scheint Ribéry nicht wahrzunehmen während der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Gruppenspiel des FC Bayern beim OSC Lille.

Der Duft des Nordens, das ist für ihn mehr so ein grundsätzliches Heimatgefühl. Zwar hat Ribéry auch am Montagmittag wieder berichtet, was er in München ebenfalls ständig erzählt: dass der FC Bayern der "perfekte Klub" für ihn sei, ein Glücksfall, "wie eine Familie". Aber nach einer Stunde Flug, weg aus dem Münchner Nebel, hinein in den nordfranzösischen Spätsommer, hat er halt auch festgestellt: "Ich bin zurück in meiner Welt."

In Boulogne-sur-Mer, einer Kleinstadt am Nordwestzipfel Frankreichs, ist er geboren. In Lille kam er einst auf die Fußballakademie, 1995 war das, da war er 13. Und es gab damals ein paar Probleme, nicht wahr? Was waren das denn für Probleme?

Vor nicht allzu langer Zeit hätten die französischen Journalisten solche Fragen noch mit inquisitorischem Unterton gestellt, vor nicht allzu langer Zeit, sagt Ribéry, "war es immer komisch, wenn ich nach Frankreich zurückgekehrt bin". Da war der in München verehrte Offensivkünstler ziemlich unten durch in seiner Heimat. Das Disziplin-Desaster bei der WM 2010, dazu eine Prostituierten-Affäre: Noch Anfang 2011 sprach sich eine Mehrheit der Franzosen dafür aus, Ribéry dauerhaft aus der Nationalelf zu entfernen. Jetzt in Lille heißt man ihn wieder so freundlich willkommen wie einem verlorenen Sohn.

"Ja", erzählt Franck Ribéry also aus seiner Jugend, "Probleme." Er habe "mal einen Mitschüler geschubst, der hat sich dabei den Ellbogen gebrochen, da wollten sie mich rausschmeißen". Weil er angeblich zu klein war, wollte man ihn auch rausschmeißen. "Überhaupt hat die Direktorin damals eine Menge Lügen über mich erzählt, das hatte wohl auch mit Eifersucht zu tun. Aber im nächsten Spiel habe ich zwei Tore geschossen - also wollten sie mich lieber behalten."

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Ehe es mit 16 dann doch an den Schulnoten scheiterte. So war das also, als Ribéry noch ein pubertierender Halbstarker war. Das wirklich Schöne an der Rückschau ist allerdings, dass die alten Geschichten mit Ribérys Wirken im Jahr 2012 kaum noch in Verbindung stehen. Für den FC Bayern, der in der Liga entspannt von Sieg zu Sieg eilt, in der Champions League aber schon mächtig unter Druck steht nach der 1:3-Pleite beim weißrussischen Klub Bate Borissow, ist das eine ziemlich gute Nachricht.

"Franck ruht jetzt in sich", hat sein Trainer Jupp Heynckes, 67, festgestellt, "er ist auch von der Psyche her ein ganz anderer." Auch Heynckes erinnert sich noch, wie der Franzose etwa beim letztjährigen Viertelfinalspiel der Bayern bei Olympique Marseille sichtlich übermotiviert ans Werk gegangen war - "da fühlte er sich in der Bringschuld, nach all den Schlagzeilen".

Doch spätestens seit dem formidablen Auftritt vor einer Woche in Madrid, wo die vom 29-jährigen Bayern-Wirbler angeführte Équipe Tricolore Weltmeister Spanien ein 1:1 abtrotze in der WM-Qualifikation, "hat er Kredit zurückgewonnen", glaubt Heynckes. Und bei den Bayern präsentiere sich Ribéry sowieso "in der Form seines Lebens": nicht nur unbändig kreativ in der Vorwärtsbewegung, sondern auch ungewohnt mannschaftsdienlich in der Arbeit nach hinten.

"Diesmal", sagt Franck Ribéry, "bin ich nach Frankreich mit einem Lächeln gekommen."

© SZ vom 23.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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