FC Bayern:"Ich habe das Gefühl, dass wir Freiwild sind"

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Mit Schmerzen ausgewechselt: Bayern-Profi Corentin Tolisso. (Foto: dpa)
  • Der FC Bayern gewinnt 3:1 gegen Bayer Leverkusen - doch Corentin Tolisso und Rafinha müssen verletzt ausgewechselt werden.
  • Mittelfeldspieler Tolisso hat bei einem unglücklichen Zweikampf einen Kreuzband- und Außenmeniskusriss im rechten Knie erlitten. Rafinha zog sich einen Teilriss des Innenbandes am linken Sprunggelenk zu.
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Aus dem Stadion von Matthias Schmid, München

Fast eine Stunde nach Spielende trat Corentin Tolisso aus dem Souterrain der Fröttmaninger Arena ins Freie. Er ging auf Krücken, ganz langsam, wie in Zeitlupe, eine lange Manschette war um sein rechtes Knie gelegt. Jeder Schritt eine Qual, das konnte man auch daran erkennen, dass der 24-Jährige vor dem Mannschaftsbus kurz stehen blieb, ausruhte, durchschnaufte, bevor er die Stufen in Angriff nahm. Ein Physiotherapeut war mitgelaufen und half ihm nun sanft von hinten hinauf.

Tolisso, der französische Weltmeister, war die traurige Figur beim 3:1-Sieg des FC Bayern gegen Bayer Leverkusen am Samstagnachmittag. Er hatte den frühen Rückstand der Gäste durch einen Handelfmeter (5.) von Wendell fünf Minuten später mit einem wunderbaren Dropkick ausgeglichen. Alles lief gut, er spielte sehr auffällig, mit viel Wucht und Präzison, bis zu dem folgenschweren Zweikampf mit Kevin Volland in der 39. Minute.

Tolisso hatte versucht, Volland den Ball vom Fuß zu spitzeln, er blieb im Gras hängen, sein Knie verdrehte sich. Er wusste, schon auf dem Boden liegend, sofort, dass er ausgewechselt werden musste. Er schlug vor Schmerzen schreiend mit der rechten Hand ins Gras. Die Trage lag bereits neben ihm, als er gestützt von zwei Betreuern doch noch aufrecht vom Rasen in die Katakomben humpeln konnte. Sein Landsmann Franck Ribéry war von der Bank zu ihm gelaufen, er übersetzte kurz für Tolisso und nahm ihn anschließend tröstend in den Arm. Dann verschwand Tolisso in der Kabine, wo erste Untersuchungen begannen. Am späten Abend folgte die für ihn verstörende Diagnose: Tolisso erlitt einen Kreuzband- und Außenmeniskusriss im rechten Knie. Er wird am Sonntag operiert und monatelang fehlen.

Als das Bulletin noch nicht bekannt war, hatte Arjen Robben nach dem Schlusspfiff aus der Kabine kommend über Tolissos Gesundheitszustand berichtet: "Es sieht ganz schlimm aus." Der schon häufig verletzte Niederländer, der das 2:1 mit einem ähnlichen formvollendeten Tor für die Bayern geschossen hatte, weiß am besten, wie sich sein Mitspieler fühlte. "Wir müssen nun für ihn da sein." Der für Tolisso eingewechselte James bescherte kurz vor dem Schlusspfiff noch den 3:1-Endstand, mit dem die Münchner mit drei Siegen in drei Spielen die Tabellenführung festigten.

"Dafür gehört er drei Monate gesperrt"

Tolisso war nicht der einzige Bayern-Spieler an diesem Nachmittag, für den das Spiel abrupt beendet war. Kurz vor dem Ende musste auch der Linksverteidiger Rafinha, gestützt von zwei Betreuern, vom Feld humpeln, nachdem ihm Karim Bellarabi auf Höhe der Mittellinie auf rabiate Weise aufs Standbein getreten und dafür von Schiedsrichter Tobias Welz die rote Karte gesehen hatte. Die Diagnose bei Rafinha: Teilriss des Innenbandes am linken Sprunggelenk. Er wird laut Klub-Mitteilung "mehrere Wochen" fehlen.

Es war vor allem diese Szene, die später Uli Hoeneß richtig wütend machte. "Bei Tolisso gibt es keinen Vorwurf", sagte der Bayern-Präsident zunächst zurückhaltend, um dann drastische und schrille Worte folgen zu lassen: "Aber das Foul von Bellarabi war geisteskrank, das war vorsätzliche Körperverletzung, dafür gehört er drei Monate gesperrt." Nach einer kurzen Pause fügte er noch fast genüsslich hinzu: "Für Dummheit."

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Aus dem Stadion von Matthias Schmid

Bayern-Trainer Niko Kovac schloss sich dieser Interpretation erst an, nachdem er sich noch mal die Bilder vom Foulspiel im Fernsehen angesehen hatte. Zuvor, von der Bank aus, "dachte ich noch, dass es keine rote Karte war", gab der 46-Jährige auf der Pressekonferenz zu. Dann aber revidierte er seine Meinung und sprach nun von "doppelt rot". Die Erfahrungen der vergangenen Wochen - etwa das Foulspiel von Hoffenheims Nationalspieler Nico Schulz an Kingsley Coman, der anschließend ebenfalls operiert werden musste - hatten sich nun zu einem Bild in seinem Kopf verfestigt, das Kovac der Öffentlichkeit nicht weiter vorenthalten wollte. "Ich habe das Gefühl", schimpfte er, "dass wir Freiwild sind."

Kovac hoffte unmittelbar nach dem Spiel noch, dass seine Spieler nicht länger ausfallen würden. "Dafür bin ich ein zu optimistischer Mensch", merkte er an. Doch es kam anders, viel schwerwiegender noch, als er es sich vorstellen konnte. Das Spiel gegen Leverkusen hat zumindest gezeigt, dass die Bayern Ausfälle in der Bundesliga kompensieren können. Sie sind zu spielstark, zu selbstbewusst und erfahren, um sich von einem Rückschlag beeindrucken zu lassen. Neben Coman waren am Samstag auch Mats Hummels (Achillessehne) und Leon Goretzka (Hüfte) absent. Aber in der nächsten Woche beginnt nun die Champions League mit der Reise nach Lissabon.

"Da brauchen wir jeden Spieler", hob Arjen Robben hervor. Die Bayern haben im internationalen Wettbewerb viel vor, "mit Wut im Bauch", wie es Thomas Müller zuletzt in einem Interview erklärte, treten sie dort an, sie wollen mal wieder ins Finale vorrücken. Dramatisieren wollte die Ausfälle am Samstag trotzdem niemand, weil sowohl Hummels auch als auch Goretzka am Mittwoch wieder so weit genesen sein werden, dass sie auflaufen können. "Es sind noch genügend Spieler da", sagte Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidžić. Als er das kundtat, lief gerade fröhlich pfeifend Thomas Müller an ihm vorbei.

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