FC Bayern München:Ein Klub steht still

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Guter Geist der Säbener Straße: Gerd Müller (hinten) hielt sich auf dem Vereinsgelände immer seltener auf. (Foto: imago)

Zwei Tage nach dem 1:1 zum Saisonauftakt bei Borussia Mönchengladbach rücken alle sportlichen Fragen beim FC Bayern hinter die Trauer um Gerd Müller zurück.

Von Sebastian Fischer, München

Um die ganze Größe des Trainingsgeländes des FC Bayern an der Säbener Straße zu sehen, muss man eine Anhöhe hinaufgehen, ein paar Meter hoch. Auch Spaziergänger und Fans kommen dort vorbei, Schilder weisen auf die Abstandsregeln hin. Normalerweise erkennt man von dort aus gelegentlich die Nachrichten des Tages: Welche Fußballer des deutschen Rekordmeisters ins Training zurückkehren, wer nach einer Verletzung wieder joggt und wer pausiert, solche Dinge.

Am Sonntagnachmittag sah man die Rückseite der Geschäftsstelle samt Glaskuppel und kaum einen Menschen. Man sah sieben leere Fußballplätze, fünf aus Rasen und zwei aus Kunstrasen, leere Tore. Man hörte vor dem Rauschen der Stadt nur das Zischen der Rasensprenger, die das Gras bewässerten.

"Ohne die Tore von Gerd Müller würden wir uns heute immer noch in dem Holzhäusl an der Säbener Straße umziehen", das hat Franz Beckenbauer einmal gesagt. Die ganze Größe der berühmten Anlage des Vereins erzählt somit auch etwas über die Größe des größten Stürmers der Geschichte. 566 Tore schoss er in 607 Pflichtspielen für den FC Bayern, unerreichte 365 Bundesligatreffer gelangen ihm, sieben Mal wurde er Torschützenkönig. Aber es sind nicht nur diese Zahlen, die seine Leistung greifbar machen. Dort, wo mal ein Holzhaus stand, umfasst das Gelände heute rund 80 000 Quadratmeter, so ist es auf der Webseite des Klubs zu lesen. Wie alles andere stand es dort am Sonntag nicht in Farbe, sondern in schwarz-weiß.

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"Heute steht die Welt des FC Bayern still", mit diesen Worten begann die Meldung, die der Verein am frühen Nachmittag veröffentlichte, um über Müllers Tod am frühen Sonntagmorgen im Alter von 75 Jahren zu informieren. Seit Jahren war er an Alzheimer erkrankt. "Heute ist ein trauriger, schwarzer Tag für den FC Bayern und all seine Fans", so ließ sich Präsident Herbert Hainer zitieren. "Die Nachricht von Gerd Müllers Tod macht uns alle tief betroffen", sagte Vorstandschef Oliver Kahn. Und alles andere, was den Klub ein paar Stunden zuvor noch beschäftigte, war erst mal egal.

Am Freitag spielten die Münchner zum Auftakt dieser Saison 1:1 bei Borussia Mönchengladbach, am Sonntag war trainingsfrei. Am Montag ist eine Pressekonferenz angesetzt, in der Trainer Julian Nagelsmann sprechen soll. Laut der Ankündigung am Sonntagvormittag, vor der Nachricht von Müllers Tod also, soll es dann um das nächste Spiel gehen, um den Supercup am Dienstag bei Borussia Dortmund.

Robert Lewandowski traf Müllers Frau Uschi im FC-Bayern-Museum

Die Geschichte des Spiels in Gladbach, das waren die zwei nicht gegebenen Elfmeter für den Gegner in der Schlussphase und die holprige Form des Meisters unter dem neuen Trainer Nagelsmann, nach einer kurzen Saisonvorbereitung mit drei Niederlagen in vier Testpartien und einem abgesagten DFB-Pokalspiel, nach den meisten Trainingseinheiten ohne die Nationalspieler, die zum Großteil erst vor drei Wochen aus dem Urlaub nach der Europameisterschaft zurückgekehrt waren. "Wir haben noch jede Menge zu tun. Wir haben einen neuen Trainer dieses Jahr, hatten noch nicht viel Zeit, Dinge einzustudieren", sagte Leon Goretzka, und damit war schon viel erzählt über die sportliche Situation des FC Bayern.

Die Defensive müsse verbessert werden, sagte Nagelsmann, das sei "völlig klar". Die Abwehr ist der einzige im Sommer runderneuerte Mannschaftsteil. Zugang Dayot Upamecano, verantwortlich für die zwei strittigen Szenen im Strafraum kurz vor Schluss, muss seine Rolle noch finden. In der Offensive allerdings, da traf Robert Lewandowski schon wieder.

Es waren die 41 Tore des Stürmers in der Vorsaison, die Gerd Müller zuletzt im Mai beim FC Bayern bereits in den Mittelpunkt aller Gedanken rückten, weil sein Rekord von 40 Saisontoren 1971/72 damit übertroffen war. Lewandowski zeigte damals beim Jubeln ein T-Shirt mit dem Schriftzug "4Ever Gerd" unter seinem Trikot, er traf Müllers Frau Uschi im FC-Bayern-Museum. Es waren seine Versuche, der Geschichte gerecht zu werden. Am Sonntag teilte er in den sozialen Medien ein Schwarz-Weiß-Foto Müllers unter betenden Händen.

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