FC Bayern:Der Herrscher über die Elemente ist zurück

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Genügend Gründe, gut gelaunt zu sein: Thomas Müller (Mitte) legte bei seinem Comeback zwei Tore auf. (Foto: imago/MIS)
  • Thomas Müller musste wegen einer Muskelverletzung sechs Wochen pausieren.
  • Beim 3:1-Sieg des FC Bayern gegen Hannover 96 zeigt er, warum er zum richtigen Zeitpunkt in die Mannschaft zurückkehrt.
  • Nach der Verletzung von Thiago verbindet Müller die Mannschaftsteile - aber auf seine eigene Art und Weise.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Am erfolgreichsten ist der Fußballspieler Thomas Müller immer dann, wenn er selbst nicht weiß, was mit dem Ball passieren wird, nachdem er, Müller, ihn berührt hat. Müller hat Tore von der Seitenauslinie geschossen, er hat Tore von der Torlinie aus nicht geschossen, er hat Muskelverletzungen überstanden, weil er ausgerechnet diesen soeben gerissenen Muskel in seinem Körper nicht im Angebot hatte. Ein Fußballspiel von Thomas Müller ist also erst dann gut, wenn ihm all das gelingt, was nach wissenschaftlicher Einschätzung aller natürlichen und übernatürlichen Kräfte nicht gelingen kann.

Dass der Samstag ein guter Tag für Thomas Müller werden würde, dass er all diese Kräfte auf seiner Seite wusste, war erstmals in der 14. Minute zu ahnen. Müller war auf dem rechten Flügel, er flankte. Es war eine grässliche Flanke, der Ball flog meterweit an allen Mitspielern vorbei. Oliver Sorg hätte unbedrängt klären können, aber so einfach war das nicht. Es war ja eine Müller-Flanke. Sorg klärte ohne Not zur Ecke und schaute dann verwirrt um sich, um zu verstehen, was soeben passiert war.

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Dass der Samstag auch das eine oder andere Mal alle guten und böswilligen Kräfte gegen Müller vereinte, war in der 57. Minute zu ahnen. Da stand Müller an der Seitenlinie, der Ball rollte direkt auf ihn zu. Müller plante womöglich schon die nächste Aktion, vielleicht eine Flanke, vielleicht mal wieder ein Tor von der Seitenlinie. Als er sich entschieden hatte, war der Ball ins Aus gerollt, über seinen Schuh hinweg.

Das 3:1 (1:1) des FC Bayern gegen Hannover 96 fand also in all seinen Höhen und Tiefen eine passende Hauptfigur in Thomas Müller, zurückgekehrt aus einer sechswöchigen Verletzungspause nach einem Muskelfaserriss im Oberschenkel. Es war phasenweise ein gutes Spiel des Teams gewesen. Phasenweise war es aber auch so schwerfällig, dass selbst alle Kräfte des Universums kaum gereicht hätten für etwas mehr Schwung. Und es war ein Spiel, das zeigte, dass irgendwo in diesem Kräftemessen des Universums auch Jupp Heynckes ein Wörtchen mitredet.

Als der 72-Jährige Anfang Oktober zum dritten Mal als Trainer zum FC Bayern zurückgekehrt war, sprach er gleich bei seinem ersten öffentlichen Auftritt über Müller. Er sagte, dass dieser sein Potenzial nicht abrufe. Und dass er, Heynckes, das ändern werde. Zu diesem Zeitpunkt hatte Müller schwere Monate hinter sich, nahezu ohne Tor, bemüht, glücklos. Dann kam Heynckes. Zwei Wochen später verletzte sich Müller. Und auf einmal fehlte er, mehr als es sich alle vorgestellt hatten in den Monaten zuvor. Das lag auch an der Verletztenmisere, in der jede Offensivkraft mindestens ein Spiel pausieren musste. Es lag aber auch daran, dass einer fehlte, der die Kräfte dieses Angriffs zusammenführte.

Gegen Hannover nun war Müller einer der auffälligsten Spieler, die Tore von Arturo Vidal (17.) und dem furiosen Kingsley Coman (67.) bereitete er vor. Er war auch der Ausgangspunkt der kuriosesten vier Minuten der Partie, nach einer Flanke von ihm traf Robert Lewandowski - der Videoassistent erkannte das Tor jedoch ab, wegen einer Abseitsstellung (24.). Zwei Minuten später, im ersten Gegenangriff, foulte FCB-Torwart Sven Ulreich Niclas Füllkrug. Der schoss den Elfmeter selbst, traf - der Treffer wurde aberkannt, weil mehrere Spieler zu früh in den Strafraum reingelaufen waren. Den Nachschuss parierte Ulreich (28.).

Müllers eigentliche Leistung jedoch war es, alle Offensivkräfte besser aussehen zu lassen. "Durch ihn ist unser Spiel weniger statisch", lobte Mats Hummels, "er schafft Platz für sich und andere. Er ist mit seinen Bewegungen für unser Spiel unheimlich wichtig."

So hatte James Rodríguez den Platz, um das Spiel zu gestalten; er war derjenige mit den meisten Ballkontakten, Pässen, Schüssen - und den meisten Tacklings. Coman hatte Platz, um seine Schnelligkeit auszuspielen. Lewandowski hatte den Platz für so viele Tore, um bis Weihnachten in der Torschützenliste uneinholbar zu sein; er traf vom Elfmeterpunkt (87.). All das verdankten sie auch Müller, den Heynckes als "belebendes Element" bezeichnete - dann, wenn er alle Elemente beherrscht.

In der Phase gerade vor der Halbzeit, als die Leichtigkeit fehlte, war das jedoch auch Müller anzumerken. Der Ball rutschte ihm über den Schuh. Der Ball sprang ihm bei der Annahme weg. In dieser Phase war zu erkennen, dass die herbstliche Personalnot nicht spurlos an der Mannschaft vorbeigegangen ist, dass die Energiespeicher nicht mehr voll aufgeladen sind. Und das vor der Partie am Dienstag gegen Paris. "Wenn wir gegen Paris so spielen wie in der ersten Halbzeit, dann schießen sie uns ab", warnte Jérôme Boateng.

Müller selbst fand, sein Comeback sei "gut gelaufen", er müsse nur noch an seiner "Eigensinnigkeit arbeiten". An den Szenen also, in denen selbst das Universum gegen ihn chancenlos ist.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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