FC Bayern gegen BVB:"Gegen Dortmund muss geliefert werden"

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"Am Samstag, 18.30 Uhr, darf es keine Ausreden geben", sagt Uli Hoeneß. (Foto: dpa)
  • Beim 5:4 im DFB-Pokal gegen Heidenheim musste Trainer Niko Kovac wieder erleben, wie sein Team die Defensive vernachlässigt.
  • Vom Ergebnis im Spitzenspiel am Wochenende gegen den BVB wird abhängen, ob sich das Heidenheim-Spiel als klassische Pokalschrulle verharmlosen oder doch tiefer blicken lässt.

Von Christof Kneer, München

Uli Hoeneß stammt aus Ulm, er hat dort mit Fußballspielen angefangen. Wer damals in Ulm kickte, der kannte natürlich die großen Vereine in der Umgebung, im Westen den VfB Stuttgart und im Osten den FC Bayern, von dem damals noch niemand wusste, dass Uli Hoeneß ihn noch mal neu erfinden sollte. Wer damals in Ulm wohnte, kannte auch die Stadt Heidenheim, die 40 Kilometer nördlich von Ulm liegt, aber von Heidenheimer Fußballern war damals nicht viel bekannt. Die pendelten meist so zwischen Landes- und Verbandsliga hin und her, ein regionaler Amateurklub halt, bei dem man, wenn er brav ist, als FC Bayern vielleicht mal zum Jubiläumskick vorbeischaut.

Es kann nicht schaden, Uli Hoeneß' Biografie mitzudenken, wenn man jetzt die neuesten Bilder sieht. Hoeneß beim Jubeln auf der Tribüne, Hoeneß beim Irritiert-dreinschauen, Hoeneß beim Händefalten, Hoeneß beim Grummeln, Hoeneß wieder beim Jubeln. Der von ihm erfundene Verein quälte sich beim 5:4 im Pokal-Viertelfinale bedenklich gegen Fußballer aus Heidenheim, und tief drinnen in Uli Hoeneß dürfte es gedacht haben: gegen Heidenheim! Heidenheim dürfte er dabei in etwa so betont haben wie "Swasiland", das für ihn ebenso wie "FC Tegernsee" eine Chiffre für Gegner darstellt, gegen die man sich früher nicht mal umgezogen hätte - selbst dann nicht, wenn man 75 Minuten in Unterzahl spielt wie die Bayern, die wegen eines Platzverweises nach Notbremse früh den Abwehrspieler Niklas Süle einbüßten.

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Beide Profis kehren gegen den BVB wohl zurück. Nach dem Heidenheim-Spiel erklärt der Trainer das Verteidigen auch zu einer Frage des Willens - und ruft wegen einer geplanten Feier von Jérôme Boateng zu Besonnenheit auf.

Natürlich weiß Hoeneß, dass das aktuelle Heidenheim etwas anderes ist als Swasiland, nicht nur, weil die Hauptstadt von Swasiland Mbabane heißt, die Hauptstadt von Heidenheim dagegen Frank Schmidt und Marc Schnatterer. Hoeneß weiß ja, dass in Heidenheim ein Zweitligist spielt, der der ersten Liga näher ist als der dritten. Aber seine Emotion dürfte ihm doch signalisiert haben: Ihr Schlaumeier, vier Gegentore gegen Heidenheim! Ein Witz!

"Ein wildes, offenes Spiel, was ich in der Form nicht mag", beklagte Kovac

Noch ist nicht abzusehen, was dieses wunderbar theatralische 5:4 mit den Bayern anstellt. Würde man diesen vorzüglichen Pokal-Abend einfach für sich stehen lassen, dürften sich alle Beteiligten als Sieger fühlen: die Bayern, weil sie ein spöttisch gelauntes Spiel am Ende doch auf ihre Seite zwangen; die Heidenheimer, weil sie sich mit mutigem Plan und Spielern wie Marc Schnatterer und Robert Glatzel selbst übertrafen; und die Besucher, weil sie ein Schlachtengemälde sehen durften, das man nicht in jedem Museum findet.

Beim FC Bayern darf ein Abend aber selten einfach nur ein Abend bleiben, zurzeit wohl weniger denn je und schon gar nicht vor dem Gipfeltreffen mit Borussia Dortmund am Samstag. Jedes Tor und jedes Gegentor, jede Trainer-Aktion und jede Nicht-Trainer-Aktion, jeder Hoeneß-Jubel und jeder Nicht-Hoeneß-Jubel werden auf jene Zukunft bezogen, die im Juli beginnen soll. Und hinter allem Getöse um neue Superstars hört man, leiser intoniert, stets dieselbe Frage: Ist Niko Kovac jener Trainer, dem man guten Gewissens den Schlüssel zu einer neuen Bayern-Elf aushändigen kann?

"Ein wildes, offenes Spiel, was ich in der Form nicht mag", beklagte Kovac nach dem 5:4, das es ihm schwer machte, sich vorschriftsgemäß über den Einzug ins Halbfinale zu freuen. Vieles von dem, was Kovac vor der Presse sagte, klang, als sei es in Wahrheit an seine Spieler gerichtet: "Angreifen macht am meisten Spaß", sagte Kovac, "aber Verteidigen gehört auch dazu." Man müsse "die Kompaktheit wieder herstellen, das ist die Grundvoraussetzung".

Und dann sagte Kovac: "Du kannst nicht vier Gegentore kassieren." Das "vier" sprach er dabei mindestens kursiv, wahrscheinlich sogar in Großbuchstaben.

Es muss nicht immer der FC Liverpool sein, manchmal reicht ein ambitionierter Zweitligist, um wieder etwas über die Bayern und ihren Trainer zu lernen. Die erste Erkenntnis des Abends war nur eine Bestätigung: jene, dass Kovac das Spiel strikt aus der Defensive denkt, dass sie ihm auch im offensiven München über alles geht und dass seine schöpferischen Ideen etwa darin bestehen, zur Pause Kingsley Coman einzuwechseln und Robert Lewandowski, der das Spiel mit den Toren zum 3:2 und 5:4 sowie einer Vorlage zum 2:2 drehte.

Die Bayern siegten, weil Lewandowski, der sich selbst als Weltfußballer sieht, in der 85. Minute einen Handelfmeter verwandelte. Und weil eine Minute zuvor der Heidenheimer Denis Thomalla, der sich nicht als Weltfußballer sieht, an Bayern-Torwart Sven Ulreich gescheitert war. Sonst wäre das Spiel eher nicht 5:4, sondern vermutlich 4:5 ausgegangen.

Das führt zur zweiten Erkenntnis des Abends, und es ist keine, die Kovac gefallen kann. Die Erkenntnis ist, dass die Mannschaft die Liebe ihres Trainers zur Defensive nur teilt, wenn es - wie beim 0:0 in Liverpool - wirklich nicht anders geht. Ansonsten wirkt es in beunruhigender Häufigkeit so, als würden die Spieler ihre Handys auf lautlos stellen, wenn ihr Trainer "Kompaktheit!" ruft. In enormer Sorglosigkeit haben etwa James und Thiago gegen Heidenheim vor sich hin gekünstlert, und so fand sich auch beim Stand von 4:2 keine Autorität auf dem Platz, die dieses Spiel seriös ins Ziel führte. "Nicht bayern-like" sei das gewesen, meinte der Neu-Bayer Leon Goretzka, und Kovac bekundete seinen "Ärger, dass wir dieses Spiel nicht so runterspielen, wie das sein muss".

Das Dortmund-Spiel wird nun alle Debatten zuspitzen und neu belichten, vom Ergebnis am Wochenende wird abhängen, ob sich das 5:4 gegen Heidenheim als klassische Pokalschrulle verharmlosen oder ob es doch tiefer blicken lässt. "Am Samstag, 18.30 Uhr, darf es keine Ausreden geben. Da muss gegen Dortmund geliefert werden", rief Uli Hoeneß nach dem aufreibenden Pokalabend. Wer die Reflexe in München kennt, der ahnt: Hoeneß meint mit solchen Sätzen schon die Mannschaft, aber halt immer auch den, der sie trainiert.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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