Vor Duell mit dem BVB:Zeit für den strengen Hans

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Da schau her: Trainer Hansi Flick erklärt seinem Linksverteidiger Alphonso Davies Taktik und Laufwege. Gegen den BVB wird es auch auf die Tempoläufe des jungen Kanadiers ankommen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Vor dem Gipfel in Dortmund schärft Bayern-Trainer Flick die Sinne seiner Spieler. Zuletzt haben ihn offenbar Konzentrationsmängel gestört.

Von Christof Kneer, München

Was in dieser aktuellen Kalenderwoche alles passiert sein könnte: Es hätte in München eine leidenschaftliche Debatte darüber geben können, ob der FC Bayern nach dem Gewinn des Doubles schon auf dem Marienplatz feiern darf. Die Befürworter hätten gesagt, dass man ein Double nicht jedes Jahr gewinnt, und dass zumindest eine kleine Party erlaubt sein müsste. Die Gegner einer Party hätten angemerkt, dass man die Kräfte doch lieber sparen solle, schließlich sei ein Triple noch seltener als ein Double, und am Samstag stehe nun mal dieses Champions-League-Finale in Istanbul an, gegen Barcelona oder Paris oder Leipzig. Der Trainer Flick hätte gewiss zu den Mahnern gehört, der Sportlehrer in ihm hätte lieber noch mal ein paar Videos vom Gegner geschaut und noch mal das Spiel im letzten Drittel überprüft.

Nicht ausgeschlossen ist, dass das Fußballland in der aktuellen Kalenderwoche auch noch mit einer zweiten leidenschaftlichen Debatte beschäftigt gewesen wäre. Womöglich hätten Uli Hoeneß oder Karl-Heinz Rummenigge oder beide sehr laut betont, dass übrigens der FC Bayern die Spieler bezahle und nicht der DFB, und dass der rechtzeitig genesene Niklas Süle durchaus im Champions-League-Finale spielen könne. Dass sich Joachim Löw oder Oliver Bierhoff oder beide aber unterstehen sollten, diesen keineswegs rechtzeitig genesenen Spieler mit zur EM zu nehmen.

Hätte man gerne gehört, so einen Streit, bestimmt sehr prächtig wäre der gewesen. Aber was soll man machen? Die EM ist verlegt, und ob DFB-Pokal und Champions League noch mal aufgenommen werden, weiß nicht mal das Coronavirus.

Bayern muss sich in Ermangelung von Champions-League-Spielen andere Prüfungen suchen

Die Wochen im Mai sind traditionell die entscheidenden bei einem Verein wie dem FC Bayern, der sich weniger über Siege gegen Frankfurt definiert als über Siege gegen Barcelona. In diesem Jahr haben die Bayern den Mai mit noch etwas mehr Spannung als sonst erwartet, der Mai galt ihnen als umfassender Prüfungsmonat, für die junge Mannschaft und den dienstjungen Trainer. Beim FC Bayern reden sie in hohen bis höchsten Tönen von ihrem Trainer Hansi Flick, den sie demnächst wahrscheinlich noch "Jupp" nennen werden, weil er sie so sehr an den großen Heynckes erinnert. Aber das hätten sie schon gerne noch mal gesehen: wie dieser Trainer sich schlägt, wenn es in der Schlussviertelstunde eines Champions-League-Halbfinales darum geht, sich einen widerspenstigen Spielverlauf untertan zu machen.

In Ermangelung von Champions-League-Spielen muss sich der FC Bayern im Mai 2020 aber erst mal andere Prüfungen suchen. Als größtmögliche gilt einstweilen das Auswärtsspiel in Dortmund am Dienstagabend, nach diesem Spiel könnte der FC Bayern sieben Punkte Vorsprung auf den BVB haben oder auch nur einen. Nach Lage der Dinge ist diese Aufgabe auf jeden Fall groß genug, um das Innenleben dieser Mannschaft zu überprüfen. Am vergangenen Wochenende, beim sehr bunten 5:2 gegen Eintracht Frankfurt, gab es eine sehr engagierte Bayern-Mannschaft zu sehen, man hat viel gelernt über dieses Team, weil man in einem leeren Stadion auch die interne Hierarchie hören kann.

Thomas Müller und David Alaba haben nach dem Spiel ein Sonderlob vom Trainer empfangen, nicht zufällig jene beiden Spieler, deren Kommandos am prägnantesten zu hören waren. Flick hat schon gefallen, was er in diesem Spiel gehört und gesehen hat, trotzdem hat er später auch ein paar Defizite angesprochen - Sätze, die, wie man inzwischen ahnt, eher Signale nach innen als nach außen waren. Die Standards hätte man "besser verteidigen müssen", mahnte Flick und auch, dass man noch an der "Balance" zwischen Offensiv- und Defensivspiel arbeiten müsse. Flick hält viel von seiner Mannschaft, er kennt ihre hohe Qualität, aber er hat halt auch schon zweite Halbzeiten erlebt, in denen sich seine begabten Buben für ein paar Momente aus dem Spiel verabschiedeten - wie am Samstag, als sie Frankfurts Hinteregger nach Eckbällen zwei Tore erzielen ließen.

Niemand bestätigt es offiziell, aber womöglich waren Flicks mahnende Sätze vom Wochenende nur die Fortsetzung von anderen mahnenden Sätzen, die er schon am vorigen Donnerstag gesprochen hat. Am Mittwoch soll Flick das Training abgebrochen und die Spieler in die Kabine geschickt haben, weil ihm wohl Schärfe und Konzentration gefehlt hatten, tags darauf bat er offenbar zur internen Besprechung.

Flick, der in der Branche den Beinamen "Der nette Hansi" führt, hat offenbar beschlossen, dass er sich mal kurz vom Verniedlichungs-i am Ende seines Vornamens verabschieden muss. Er fand wohl, dass es jetzt mal Zeit sei für den strengen Hans, der die Sinne der Spieler für die entscheidenden Saisonwochen schärft.

Im Hinspiel haben die Bayern den BVB 4:0 besiegt, es war Flicks erstes Spiel als Interims-Chef. Vor diesem Spiel hat er damals nur drei Trainingseinheiten mit seinem Team absolvieren können - und keine davon abgebrochen.

© SZ vom 26.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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