FC Bayern:Bissl müde in die stille Nacht

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Weihnachtsfeier auf dem Platz: Robert Lewandowski, Franck Ribéry und Arturo Vidal (von links). (Foto: Bernd Feil/imago/MIS)
  • Der FC Bayern schleppt sich etwas ramponiert der Winterpause entgegen.
  • Soll eine ebenso erfolgreiche Rückrunde wie 2013 gelingen, müssen die Kräfte gebündelt werden.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Als eigentlich schon nichts mehr zu sagen war, durfte Thomas Müller ans Mikrofon. Der Medizinerchor hatte ausgesprochen andächtige Lieder gesungen, vom grünen Tannenbaum, von der stillen Nacht, von der oh so fröhlichen Weihnachtszeit, und auch vom Ros, dem entsprungenen; begleitet von der Blaskapelle Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Die Spieler des FC Bayern waren eine ausgesprochen andächtige Stadionrunde gelaufen, ergriffen mitgesungen hatte niemand. Nun standen sie vor den singenden Medizinern und der Blaskapelle, und Müller, der Kapitän, musste also ans Mikrofon. Er dankte den Fans für die Unterstützung in diesem Jahr, fügte hinzu, dass die Mannschaft in den vergangenen Wochen auch das Ihrige dazu beigetragen habe. Ja, sagte Müller, "und jetzt sind wir ein bissl müde".

Kurze Unterbrechung in der Weihnachtsansprache, Müller lauschte jetzt David Alaba, der sich in eine weihnachtsrote Decke gewickelt hatte. Müller lachte. Er sprach wieder ins Mikrofon.

"A bissl is' gut, sagt der David Alaba." Daraufhin freuten sich alle sehr.

Welcher Eindruck zählt - erste oder zweite Halbzeit?

Zum Ende dieses kuriosen Jahres 2017 gelingt es dem FC Bayern sogar, lässig mit der eigenen Schwäche umzugehen. Der stillen Nacht schleppen sie sich doch etwas ramponiert entgegen, erledigt von den Strapazen, die diese Hinrunde und überhaupt dieses Jahr mit sich gebracht haben. Aber es ist ja noch mal gut gegangen.

Das 2:1 (2:0) am Mittwochabend im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen Borussia Dortmund passte erstaunlich gut zum gesamten Jahr des FC Bayern. Es war, im Großen und Ganzen, eine gute Partie der Mannschaft, phasenweise sogar eine sehr gute, sie hätte sogar noch erfolgreicher sein können; es hätten mehr Tore fallen können als die durch Jérôme Boateng (13.) und Müller (40.). Phasenweise war es aber auch eine Partie, in der sie sich selbst nicht erkannt haben, in der sie nicht nur ein bissl müde über den Platz schlichen.

War der Eindruck, der zählte, nun der aus der ersten Halbzeit, in der der FC Bayern den BVB vorführte? Oder zählte der Eindruck der zweiten Halbzeit, in der die Mannschaft mit jeder Minute nur mehr vorführte, wie ihr die Kräfte ausgingen?

"Wir sind nicht topzufrieden", sagte Müller, als er in die Diktiergeräte der Reporter sprach, "es gibt auch Dinge, die nicht gut waren." Müller sprach nur kurz darüber, dass die Mannschaft höher hätte führen können - vor allem, wenn BVB-Torwart Roman Bürki in der 64. Minute den Ball nicht so abgefälscht hätte, dass Robert Lewandowski knapp daran vorbei rutschte. Ausführlicher sprach Müller darüber, was nicht geklappt hatte.

"Wir waren zu passiv, wir haben uns zu sehr hinten reindrängen lassen. Wenn du merkst, es ist das letzte Spiel vor der Pause, dann machst du eher den Schritt zurück, verschiebst ein bisschen, anstatt dass du sagst: Ich setze die Jungs unter Druck", sagte Müller, "auch in Ballbesitz haben wir zu wenig Risiko genommen, waren ängstlich, haben nur noch lange Bälle gespielt." Müllers Fazit bestätigte auch die Statistik: In den FC-Bayern-Lieblingsdisziplinen Ballbesitz (52 zu 48 Prozent), Passquote (86 zu 84 Prozent) und gespielte Pässe (543 zu 487) lag nach der Partie jeweils der BVB vorne - obwohl die Gäste erst nach dem 0:2 begonnen hatten, an ein Spiel in der Hälfte des FC Bayern zu denken.

Die Zuversicht müssen sie sich nach diesem Abend beim FC Bayern also aus einzelnen Szenen holen, und da wäre vor allem die Szene aus der 60. Minute. An der Seitenlinie leuchtete auf der Anzeigetafel eine rote "7" auf - Franck Ribéry musste raus. Der Franzose, der auch kein leichtes Jahr hinter sich hat - Verletzungen, Formdellen, Streit mit dem früheren Trainer Carlo Ancelotti - hatte furios angefangen, hatte gedribbelt wie damals, als er nach München gekommen war (die Älteren werden sich erinnern: im Sommer 2007). Er war spielfreudig genug, um zu zeigen, dass eine Fünferkette wie die des BVB sogar mehr Lücken zum Durchschlüpfen bietet. Doch als der BVB den Druck erhöhte, verschwand Ribéry in diesen Lücken.

Als er seine Nummer aufleuchten sah, stapfte er missmutig zur Seitenlinie, er erinnerte an den Ribéry im Spätsommer, der nach der Auswechslung durch Ancelotti sein Trikot gegen die Bank schleuderte. An diesem Abend aber gab es an der Seitenlinie eine Umarmung und ein angedeutetes Küsschen für Kingsley Coman, der für ihn kam. Und auf einmal hatte Ribéry gute Laune, ihn erwartete ja Jupp Heynckes. Noch eine Umarmung, ein Scherzchen.

Wie erfolgreich der FC Bayern im Jahr 2018 sein wird, hängt auch davon ab, wie weit die Kräfte von Ribéry oder auch die Kräfte des noch nicht komplett genesenen Arjen Robben reichen. Ob Heynckes ihre Energie so einteilen kann, dass sie nicht nur die fast schon gewonnene Liga locker zu Ende spielen, dass sie nicht nur - wie nun anzunehmen - den DFB-Pokal gewinnen werden. Sondern ob es ihnen gelingen wird, im März, April nicht abzubauen und Kräfte übrig zu haben, um in der Champions League lange mitzuspielen. Es geht darum, ob die treibenden Kräfte der Triple-Saison 2013 - Ribéry, Robben, Heynckes - noch einmal für große Ziele gebündelt werden können. Die Kräfte auch von drei Männern, die alle keinen Vertrag mehr für die neue Saison besitzen - zumindest mit den Spielern hat sich der Verein fürs Frühjahr zu Gesprächen verabredet. Wobei Ribéry genau beobachten wird, was es bedeutet, dass Coman, sein erster Erbe, seinen Vertrag bis 2023 verlängert hat (was der FC Bayern am Donnerstag bekannt gab). Bei Ribéry ist es ja ganz einfach: Er ist besser, wenn er sich geliebt fühlt. "Die Voraussetzungen sind top, der Verein und die Mannschaft sind gut aufgestellt", sagte Müller, "es hat aber auch viel Kraft gekostet."

Ribéry sagte nichts, was sollte er auch sagen an einem Abend, an dem ohnehin nichts mehr zu sagen war? Lächelnd lief er zum Ausgang, wünschte frohe Weihnachten. Müde war er, aber gut gelaunt.

© SZ vom 22.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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