FC Barcelona:Nichts als Plagen zur Weihnachtszeit

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Nur Ärger in Barcelona, auch für Lionel Messi. (Foto: AFP)

Ärger um Messi und seinen Vater, Untersuchungen der EU und wilde Gerüchte um die angebliche Ablösesumme für Neymar: Der FC Barcelona kommt nicht zur Ruhe. Manch einer wähnt gar den Erzrivalen Real Madrid hinter den vielen Negativschlagzeilen.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Es wollen einfach keine weihnachtlichen Gefühle aufkommen in Barcelona, zumindest nicht im Umfeld des oft gefeierten, reich bescherten Fußballvereins. Die Gerüchte um Sohn und Vater Messi reißen nicht ab. Sportlich oszilliert Barça zwischen chronischen Selbstzweifeln und plötzlicher Euphorie. Brüssel will sich jene Wettbewerbsvorteile genauer anschauen, die dem spanischen Fußball vom spanischen Staat erwachsen. Und nun ist auch noch die spanische Justiz mit einer unangenehmen Aufforderung an Barça herangetreten - einem wahren Festverderber.

Ermittlungsrichter Pablo Ruz von der Audiencia Nacional räumte der Vereinsleitung des FC Barcelona nur einige Tage ein, damit sie viele Zahlen, Tabellen und Verträge der letzten drei Jahre nach Madrid sende - zur Prüfung einer anscheinend dringenden Frage. Es geht um den Transfer des 21-jährigen brasilianischen Stürmers Neymar Da Silva Santos Junior, der im vergangenen Sommer für angeblich 57,1 Millionen Euro vom FC Santos nach Barcelona gewechselt war - und den sie an seiner neuen Wirkungsstätte mittlerweile "Ney" nennen. Schon ein bisschen liebevoll, eine Spur huldigend sogar. In den vergangenen drei Spielen gelangen Neymar ja auch sechs Tore - innerhalb von sieben Tagen.

Aber darum geht es nicht. Es geht um profanere Zahlen, ums Geld eben. Niemand weiß so genau, wie der Wechsel des jungen Brasilianers tatsächlich zustande gekommen war - und wie viel Geld dabei an wen geflossen ist. Die Vertragsparteien hatten einen ausdrücklichen Geheimhaltungspakt geschlossen. Und das machte die Sache natürlich verdächtig. Ein kritisches Vereinsmitglied des FC Barcelona, Jordi Cases von der Gruppe "Go Barça", der ein notorisch angespanntes Verhältnis zu Klubpräsident Sandro Rosell hat, wirft diesem vor, er habe die "Socios" in ihrer Gesamtheit beim Geschäft mit Neymar hinters Licht geführt und dabei womöglich 40 Millionen Euro unterschlagen. Der Richter will nun alle Verträge sehen, die im Rahmen des Transfers unterzeichnet wurden, dazu auch die Vereinsbilanzen von 2011, 2012 und 2013. "Wir händigen alle Details aus, die eine juristische Behörde, welche auch immer, von uns fordert", sagte Klubchef Rosell demonstrativ gelassen.

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Um die Geschichte rund um Neymars Wechsel nach Europa zu verstehen, bedarf es einer kurzen Rückblende ins Jahr 2011. Er war damals 19, ein unerhört begabter junger Mann. Er schien zwar etwas feingliedrig und körperlich fragil zu sein. Doch er brachte alles mit, was Vereinsfunktionäre so lieben: Fußballspektakel und Marketingpotenzial, absolute Starqualitäten. In Brasilien liebten sie ihn schon. Und in Europa regte sich das Interesse.

Neymars erste Wahl wäre Real Madrid gewesen. Die Madrilenen luden ihn 2011 zum Probetraining ein, man machte sofort medizinische Tests. Alles schien zu passen. Dann trat Sandro Rosell auf, ein Mann mit traditionell starken und zweifelhaften Verbindungen nach Brasilien. Der Präsident von Barça traf sich mit Neymars Vater und bot ihm zehn Millionen Euro an, damit sich der Sprössling fortan eher zu Blaurot statt zu Königsweiß hingezogen fühle. In der Buchhaltung schien der Posten als "sportlich immaterieller Vermögenswert" auf. In Madrid bekam man Wind davon und war erzürnt. Es war die Zeit, da Barça alles gewann und überstrahlte, nun schickte es sich auch noch an, Neymar zu verpflichten.

Es vergingen dann noch mal eineinhalb Jahre, und Neymar wurde immer besser. Auch in Brasiliens Nationalelf schwang er sich zum geachteten Leader auf, lächelte mit schnell wechselnden Frisuren aus allen Peoplemagazinen. Das Interesse in Europa wurde noch größer, der Preis wuchs mit. Es hieß, auch Manchester City und Bayern München buhlten um Neymar. Und auch Real versuchte es nochmals, aber ohne Erfolg. Im Mai 2013 unterzeichnete Neymar bei Barça - woraufhin sich Real schnell um eine Alternative bemühte, um die Schmach zu verwinden, und Gareth Bale für knapp unter 100 Millionen Euro engagierte. Eine verrückte Summe, fand man allenthalben, natürlich auch in Barcelona.

Doch wie viel genau kostete denn "Ney"? 57,1 Millionen Euro, wie Rosell im Herbst beteuerte? Oder viel mehr, vielleicht insgesamt über 100 Millionen, wie es die Zeitung El Confidencial vermutet?

17,1 Millionen, so rechnete Rosell vor, sollen dem FC Santos gutgeschrieben worden sein, und 40 Millionen einer Firma, die die Transferrechte Neymars vertritt. Dabei handelt es sich offenbar um die Firma N & N, kurz für Neymar & Neymar. Deren Inhaber soll Neymar senior sein. Vereinbart wurden zudem Kaufoptionen für drei Talente des FC Santos für 7,9 Millionen Euro, eine einmalige Prämie von zwei Millionen, falls es Neymar in den nächsten fünf Jahren (was sehr wahrscheinlich ist) unter die drei Finalisten um den Ballon d'Or , also zur Wahl des Weltfußballers schaffen sollte. Sowie zwei Freundschaftsspiele zwischen Barça und Santos für neun Millionen Euro. Aber war da noch mehr?

Die Sparte Freundschaftsspiele übrigens ist eine Spezialität von Rosell: In Brasilien läuft ein Verfahren, in dem der Manager verdächtigt wird, mit seinem Freund und langjährigen Gesellschafter Ricardo Teixeira, einem früheren Fifa-Cheffunktionär mit lottrigem Ruf, an der Organisation von Spielen der Seleção unlauter viel Geld verdient zu haben. In diesem Fall aber interessiert mehr die Frage, wie es kam, dass mutmaßlich 40 Millionen Euro an die Neymars gingen.

Kann es sein, dass darin ein Teil vom Salär enthalten ist, dass er also in Wahrheit nicht sieben Millionen Euro pro Jahr verdient, wie das halboffiziell herumerzählt wird, sondern viel mehr? Unter den Topspielern des Vereins soll das Thema für viel Unmut gesorgt haben. El País schreibt, Neymar habe wahrscheinlich die Lohnhierarchie gesprengt, was wiederum Weltfußballer Leo Messi dazu animierte, sofort eine Salär-Erhöhung zu verlangen. Den für die Finanzen zuständigen Vizepräsidenten des Klubs, Javier Faus, attackierte Messi in einem Radiointerview ungewohnt scharf: "Herr Faus ist eine Person, die von Fußball keine Ahnung hat."

Nun, weihnachtliche Besinnlichkeit fühlt sich anders an. In Barcelona gibt es Leute, die hinter den drohenden Wirren mit der Justiz ein böses Werk aus Madrid vermuten, eine Verschwörung gegen ihr Barça. Rosell formulierte es so: "Ich hoffe, dass diese plötzlichen Geschichten Früchte eines Zufalls sind - und nicht einer Verfolgung." Die Sportzeitung Mundo Deportivo aus Barcelona sieht in der Kampagne gar einen Versuch, die Entfaltung des "tödlichen Sturmduos" Messi & Neymar zu stören, wie einst Francos Regime eine mögliche Zusammenführung von Alfredo Di Stéfano und László Kubala bei Barcelona verhindert habe. Das ist zwar mehr als ein halbes Jahrhundert her, doch manche Ressentiments sterben nie.

© SZ vom 21.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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