FC Augsburg:Echo im Kopf

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Was in Drochtersen/Assel geklappt hat, soll auch in Augsburg funktionieren: Enrico Maaßen will den FCA sportlich sexy aufpeppen. (Foto: MIS/Imago)

Im Trainingslager in Scheffau kann man sehen und hören, wie der neue Trainer Enrico Maaßen den FC Augsburg aus dem Mauerblümchen-Dasein erwecken will. Zentral für seinen Ansatz ist das Denken in Chancen.

Von Maik Rosner

"Cali, du musst hier vorne mit rein", ruft Enrico Maaßen dem erfahrenen Daniel Caligiuri, 34, zu. Wichtig ist dem neuen Trainer des FC Augsburg, "dass wir die Positionen klar definieren", wie er der Mannschaft sofort erklärt. "Körperkontakt, fest dran", schallt es kurz danach über den Fußballplatz in Scheffau. Und: "Aaron, die linke Hand raus. So, nicht so." Maaßen zeigt dem 17 Jahre alten Linksverteidiger Zehnter, wie er den Arm halten soll und den Kontakt zum Gegenspieler bestmöglich wahren kann, während er zum ballführenden Spieler schaut.

Maaßen, 38, läuft zwischen den Spielern hin und her und gibt immer wieder laut und präzise Anweisungen. Zum Aufbau mit einer Dreierkette, zu den Angriffszügen und gegenläufigen Bewegungen, mit denen Räume und Anspielstationen geschaffen sowie die Positionen neu besetzt werden. Oder zum Verteidigen am und im Strafraum mit vier Abwehrspielern und einem Sechser davor. Vom Hügel hinter dem Platz hallt Maaßens Stimme nach. Es ist ein kleines Echo, das fast gewollt wirkt, als solle es sich in den Köpfen der Spieler festsetzen.

Die Ziege, die hier in der österreichischen Idylle auf dem Hügel direkt hinter dem Fußballplatz durchaus gefährlich lebt, hat in den vergangenen Wochen schon Arminia Bielefeld und den FC Watford trainieren gesehen und dabei mitunter Erstaunliches erlebt. Zum Beispiel, dass der neue Bielefelder Trainer Uli Forte seine Kommandos hintereinander auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und manchmal sogar auf Portugiesisch und Türkisch gibt. Nun wird die Ziege zwar nicht mehrsprachig fortgebildet, dafür erlebt sie einen Trainer, der genauer als seine Vorgänger beim FC Augsburg zu wissen scheint, wie er die Mannschaft formen möchte. Bis ins Detail weist Maaßen seine Spieler an. Auch bei den Laufwegen besteht er auf exakte Abläufe.

"Es gefällt mir, wenn man offensiv denkt", sagt Zugang Ermedin Demirovic

Die Spieler sprechen positiv über Maaßens Methodik, und dass sie angetan sind, klingt glaubhaft. Ermedin Demirovic, 24, gerade im Tausch gegen Michael Gregoritsch vom SC Freiburg zum FCA gestoßen, äußert sich regelrecht begeistert. Der Trainer lehre einen "offensiven Fußball", das "Spielerische" werde betont, es gehe darum, "viel den Ball zu haben". Den Angreifer freut das. "Es gefällt mir, wenn man offensiv denkt und sagt: 'Wir wollen gewinnen und das Spiel machen.' Und ich glaube, wir haben die Mannschaft dafür", findet Demirovic, der nicht der letzte Zugang für die Offensive bleiben könnte.

In den vergangenen Jahren war beim FC Augsburg defensiv gedacht worden, die Ballbesitzwerte blieben mit die geringsten der Bundesliga. Offensiv agieren zu wollen, hatten zwar auch Maaßens Vorgänger Martin Schmidt, Heiko Herrlich und zuletzt Markus Weinzierl angekündigt. Doch eine spielerische Entwicklung blieb aus. Es käme auch deshalb einem revolutionären Akt gleich, wenn es Maaßen gelingen sollte, jenen für seine Mannschaften typischen Stil zu etablieren, mit dem er zuletzt Borussia Dortmund II zu einer attraktiven Bereicherung der dritten Liga geformt hatte. Zuvor hatte Maaßen auch in der Regionalliga beim SV Drochtersen/Assel und SV Rödinghausen mit beachtlichem Erfolg gecoacht und dabei übrigens nicht ein System mit Dreierkette bevorzugt, wie es ihm nachgesagt wird.

Bisher konnte Maaßen nicht beweisen, ob er auch im Misserfolg oder in einer Krise ein guter Trainer ist

Bisher lief es so gut bei ihm, dass er vor seiner Bundesliga-Premiere noch nicht wirklich unter Beweis stellen konnte, ob er auch im Misserfolg oder in einer Krise ein guter Trainer ist. Maaßen weiß selbst nicht so genau, wie es wäre, wenn er diese Erfahrung nun erstmals machen müsste. Aber davon geht er gar nicht aus. Mit seinem Selbstbewusstsein und seiner offensiven Herangehensweise traut er sich nicht nur die Bundesliga zu, sondern auch, den FC Augsburg aus dem Mauerblümchen-Dasein zu erwecken. Die Struktur des Vereins lobt Maaßen stets, und dass dieser seit 2011 in der Bundesliga spielt, nötigt ihm Respekt ab.

Zugleich hat er schon den Geschäftsführern Stefan Reuter und Michael Ströll in den Vertragsgesprächen vermittelt, dass man den FCA sportlich sexy aufpeppen könnte. Jene Spieler, die schon länger beim FCA sind, begrüßen den neuen Geist, den Maaßen reinbringt. "Das hat uns zuletzt gefehlt", sagt einer der langjährigen Profis über die klaren Vorgaben und Leitplanken, mit denen Maaßen das Fundament legt. Steht erst einmal ein stabiles Gerüst, in dem jeder weiß, was zu tun ist, kann sich die Kreativität gewinnbringend entfalten.

Damit dieser Prozess gelingt, feilt Maaßen penibel an der Basis mit seinem "Spielausschnittstraining", wie er das nennt. "Ich schneide Blöcke aus, wenn ich sehe, dass es in einem bestimmten Bereich Schwierigkeiten gibt, lasse die Blöcke üben und füge sie danach wieder ein ins große Ganze", erklärt Maaßen. Zentral ist dabei sein übergeordnetes Denken in Chancen, nicht in Risiken. Auch diesen Mut versucht er seiner neuen Mannschaft am Wilden Kaiser zu vermitteln. Das kommt an bei den Spielern. Gemeckert hat bisher nur die Ziege.

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