Fan-Experte Michael Gabriel im Interview:"Am Ende kostete die Karte drei Bier"

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Vor dem Achtelfinale spricht der oberste deutsche Fanbeauftragte über Besonderheiten in Südafrikas Stadien, geschenkte Karten fürs Eröffnungsspiel und den Plan, gemeinsam mit den englischen Fans die Vuvuzelas zu übertönen.

Thomas Hummel

Die vom DFB unterstützte Koordinationsstelle Fanprojekte (Kos) begleitet zusammen mit der deutschen Botschaft in Südafrika die deutschen Fans. Mit ihrem schwarz-rot-goldenen Fanmobil werden die sieben Mitarbeiter auch beim Achtelfinale in Bloemfontein stehen. Kos-Chef Michael Gabriel spricht über geschenkte Karten fürs Eröffnungsspiel, das Fan-Duell gegen England und die Hoffnung, erstmals die Vuvuzelas zu überstimmen.

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Auf der Fanmeile und im Stadion kommt es auch auf die passende Kleidung an. Zumindest hier liegen die deutschen Fußball-Anhänger ganz weit vorne. Ein echter Klassiker ist in diesem Jahr wieder ziemlich oft zu sehen.

sueddeutsche.de: Herr Gabriel, vor der Weltmeisterschaft musste man den Eindruck bekommen, eine Reise zur WM nach Südafrika sei ziemlich gefährlich. Wie geht's den deutschen Fans?

Gabriel: Wir haben bisher fast ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen. Die Bedenken, vor allem was die Sicherheit betrifft, haben sich nicht bestätigt. Die Südafrikaner sind sehr gastfreundlich.

sueddeutsche.de: Ist denn überhaupt irgendetwas schief gelaufen?

Gabriel: Einem Fan wurde in Durban am Flughafen der Rucksack gestohlen, durch unsere Kooperation mit der Deutschen Botschaft konnte ihm ein neuer Ausweis ausgestellt werden. Ein anderer Fan hat vor dem Spiel in Port Elizabeth gegen Serbien vor dem Stadion ein paar Karten verkaufen wollen und ist von der Polizei mitgenommen worden. Den haben wir aber früh genug rausgekriegt, dass er das Spiel sehen konnte.

sueddeutsche.de: Ein größerer Vorfall blieb bislang aus?

Gabriel: Muss man so sagen. Im Stadion gibt es hin und wieder Ärger, weil deutsche Fans während des Spiels stehen möchten, aber andere Personen im Block sind, die sitzen wollen. In Soccer City sind deshalb drei Deutsche aus ihrem Block verwiesen worden. Abgesehen davon denken die meisten Leute mit einem breiten Grinsen an diejenigen in Deutschland, die sich nicht getraut haben. Es klappt nicht alles gleich, man muss flexibel reagieren und manchmal etwas warten, aber das sind Erfahrungen aus dem wahren Leben, die man hier macht.

sueddeutsche.de: Dennoch ist einiges gewöhnungsbedürftig.

Gabriel: Bei einigen Dingen müssen wir schon stutzen. Das Public Viewing zum Beispiel ist vielerorts ein einziges Desaster, da ist kaum jemand. Die Sicherheitskontrollen am Stadion sind gewöhnungsbedürftig. Mit Metalldetektoren wird Sicherheit suggeriert, doch dann blinkt und piepst es bei jedem und trotzdem wird keiner kontrolliert. Es klafft eine große Lücke zwischen dem, was die Organisatoren sagen, und dem was konkret umgesetzt wird. Im Stadion darf man dann volle Plastikflaschen kaufen, da wird nur der Deckel abgeschraubt. Beim 1:0 gegen Ghana flogen einige volle Flaschen vom Oberrang nach unten. Das würde es in Deutschland nicht geben.

sueddeutsche.de: Wie viele deutsche Fans sind denn in Südafrika?

Gabriel: Ich schätze, dass bisher insgesamt um die 3000 Fans aus Deutschland eingereist sind.

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sueddeutsche.de: Sind das Fans von Vereinen?

Gabriel: Klubfans sind eigentlich selten auch Fans der Nationalmannschaft. Viele erleben zum ersten Mal eine WM und haben Kompaktangebote gebucht. Weil das teuer ist, sind hier durchaus betuchte Leute unterwegs.

sueddeutsche.de: Bei den Spielen waren aber mehr als 3000 Deutsche im Stadion.

Gabriel: Es gibt daneben noch die Gruppe von Deutschen, die zeitweise hier leben, als Studenten oder Mitarbeiter von Firmen. Und dann kommen Südafrikaner dazu, die sich spontan entscheiden, Deutschland zu unterstützen. Wir merken das, wenn wir unser Fanmagazin "Helmut" vor dem Stadion verteilen und Menschen in deutschen Trikots gar kein deutsch lesen können.

sueddeutsche.de: Haben alle Fans ihre Tickets im voraus gekauft?

Gabriel: Einige ja, andere nicht. Aber die kommen bislang über den Schwarzmarkt an Karten, der ist relativ entspannt. Kaum einer hat bisher einen überhöhten Preis bezahlt, die meisten sogar weniger. Ein deutscher Fan hat sogar schon für zwei Spiele Karten geschenkt bekommen.

sueddeutsche.de: Geschenkt?

Gabriel: Einer stand vor dem Eröffnungsspiel vor dem Stadion, und ein Amerikaner gab ihm eine Karte unter der Bedigung, dass er ihm im Gegenzug das Bier bezahlt. Am Ende kostete die Karte drei Bier.

sueddeutsche.de: Beim Spiel gegen England in Bloemfontein ist damit aber nicht zu rechnen, oder?

Gabriel: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Zuschauersituation grundlegend anders sein wird. So viele deutsche Fans werden das planungstechnisch viel unsicherere Achtelfinale nicht gebucht haben. Das Ticketing der Fifa macht es den Fans nicht leicht. Ein Teamticket kostet einen Haufen Geld, und der DFB hat von der Fifa auch kein Kontingent für seine Fans zur Verfügung gestellt bekommen. Deswegen wird es im Stadion auch keine richtige Fantrennung geben. Einige werden es wieder über den Schwarzmarkt versuchen, weil bisher auch bei England-Spielen die Tickets unter Preis vor dem Stadion verkauft wurden.

sueddeutsche.de: Deutschland gegen England ist ein brisantes Duell. Müssen Sie sich da besonders vorbereiten?

Gabriel: Die Engländer haben auch eine Fanbotschaft und wir arbeiten sehr gut zusammen. Wir versuchen gerade, ein Spiel zwischen einer deutsch-englischen Fanmannschaft und einer südafrikanischen Auswahl zu organisieren.

sueddeutsche.de: Das hört sich fast nach Fanfreundschaft an.

Gabriel: Das sicher nicht, aber die Engländer haben durch die unglaublich positive Erfahrung bei der WM 2006 gemerkt, dass es mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes zwischen uns gibt. Es herrscht ein positiver Grundtenor vor diesem Spiel. Dennoch kann es in einer Kneipe mal zu einem Streit kommen. Vielleicht gelingt es beiden Fangruppen aber das erste Mal, mit ihren Gesängen gemeinsam die Vuvuzelas zu überstimmen.

sueddeutsche.de: Geht das Getröte den Fans auf die Nerven?

Gabriel: Die Fanszene lehnt es einhellig ab. Sie leidet darunter, dass die Vuvuzelas alles übedröhnen und Anfeuerungen nicht mehr möglich sind. Bei Spielen der Südafrikaner wäre es noch okay, aber sonst nervt es einfach.

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