FA-Cup:Liverpool über allen Wolken

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Klapps für Jack Grealish: Jürgen Klopp im Spiel gegen ManCity. (Foto: TONY OBRIEN/Reuters)

Das Team von Jürgen Klopp gewinnt das FA-Cup-Halbfinale gegen den großen Rivalen Manchester City. Der deutsche Coach hat nun die Chance, seine Trophäensammlung auf der Insel zu vervollständigen.

Von Sven Haist, London

Am Ende rannte sogar Jürgen Klopp übers Spielfeld im Nationalstadion Wembley. Der Lärm, den der Trainer des FC Liverpool mit seiner Jubeleinlage vor den eigenen Fans entfachte, war derart laut, dass im parallel abgehaltenen Fernsehinterview mit Liverpools Doppeltorschütze Sadio Mané fast kein Wort zu verstehen war - und so dürfte es zuvor auch dem ersatzgeschwächten Manchester City ergangen sein, als Klopps Team den Dauerrivalen mit einer furiosen Leistung quasi übertönte.

Mit gleich drei Toren in der ersten Halbzeit räumte sich Liverpool am Samstagnachmittag den Weg frei zu einem packenden 3:2 (3:0) über ManCity im Halbfinale des prestigeträchtigen FA-Cups. Damit fehlt Klopp nur noch ein Sieg im Endspiel zur Vervollständi­gung seiner Trophäensammlung am River Mersey: Denn bis auf den ältesten Pokalwettbewerb der Welt hat Klopp in seinen sechseinhalb Erfolgsjahren auf der Insel jeden relevanten Pokal gewonnen.

Der Ball liegt im Tor, und Liverpools Sadio Mané dreht jubelnd ab. (Foto: Frank Augstein/AP)

Doch nach dem im Februar eingefahrenen League Cup strebt Liverpool jetzt nach viel mehr, nämlich jenem Coup, den nicht mal die titelreichen Vorfahren des Klubs bewerkstelligen konnten: dem Quadruple. Dafür fehlen neben dem FA-Cup-Triumph noch ein Erfolg in der Champions League und der Gewinn der Meisterschaft, in der Liverpool einen Punkt hinter City liegt.

Von diesem Ziel will Klopp jedoch weiterhin nichts wissen. Er könne "nicht glauben", dass darüber gesprochen werde, so Klopp, vielmehr sei er gerade einfach "über allen Wolken" angesichts des Finaleinzugs. Am 14. Mai trifft sein Team an gleicher Stelle entweder auf den FC Chelsea oder Crystal Palace, die am Sonntag (17.30 Uhr) das zweite Semifinale bestreiten werden.

Liverpool geht vom Anpfiff weg auf die Spieler von ManCity los

Die Entscheidung, das dritte Aufeinandertreffen in dieser Saison und das zweite binnen einer Woche zwischen City und Liverpool in London-Wembley auszutragen, wurde nach der Auslosung stark kriti­siert, da für beide Fanlager aufgrund massiver Gleisarbeiten am Osterwochenen­de keine direkten Zugverbindun­gen nach London bestanden. Dass der englische Fußball-Verband (FA) trotz der logistischen Umstän­de an der Planung festhielt, hatte Klopp als "eine der lächerlichsten Geschichten" getadelt, die er "je gehört" habe.

Als Entgegenkommen stellte die FA den Anhängern zwar jeweils 100 kostenlose Busse zur An- und Rückreise bereit. Allerdings dürfte allein eine Strecke mindestens sechs Stunden Fahrt in Anspruch genommen haben, weil sich auf den Autobahnen wegen der Feiertage unzählige Staus bildeten. Trotzdem blieb im mit rund 90 000 Zuschauern ausverkauften Wembley kein Platz unbesetzt. Denn welcher Fußballfan tritt schon freiwillig seine Eintrittskarte ab fürs Duell der momentan besten Vereinsteams der Welt, deren sportliche Fehde im Falle eines erneu­ten Wiedersehens im dies­jährigen Champions-League-Finale zu einer historischen Trilogie werden könnte?

Titelchance vertan: ManCity-Coach Pep Guardiola (links) bleibt am Ende nur, seine Spieler zu trösten. (Foto: Kirsty Wigglesworth/AP)

Entschädigt wurden alle Stadionbesucher bereits vor dem Spiel: mit einem Königswetter ("Glorious Weather"), dem bei 20 Grad bisher wärmsten Tag des Jahres in London. Der wolkenlose Himmel mit strahlendem Sonnenschein am Horizont sorgte für das dem Anlass angemessene Ambiente. Sichtlich beeindruckt genoss Klopp, trotz obligatorischer Kappe geblendet, die Geräuschkulisse, für die speziell seine Anhänger sorgten - und die seine Spieler dann in Energie umwandelten.

Liverpool ging in den Anfangsminuten des Spiels regelrecht auf City los - als könnten die Reds mit ihrer Intensität gleich alle drei noch zu vergebenen Titel gewinnen. Schon nach neun Spielminuten wuchtete Innenverteidiger Ibrahima Konaté einen Kopfball nach einer Ecke zum 1:0 ins Tor. Auf diese Weise hatte der Zugang von RB Leipzig bereits kürzlich im Hin- und Rückspiel des Champions-League-Viertelfinales gegen Benfica Lis­sabon die Führung erzielt. Während in Liverpool der Ausnahmeangreifer Mohamed Salah als "Klopps König" glorifiziert wird, ließe sich der sprunggewaltige Konaté guten Gewissens als "Klopps Turm" bezeichnen. Der Treffer spiegelte einmal mehr die Statistik wider, wonach Liverpool in dieser Spielzeit mehr Tore nach Standards auf dem Konto hat als jede andere Mannschaft.

Guardiola setzt personell ein Zeichen: Er will vor allem die Champions League gewinnen

Liverpools Powerplay wurde erst durch das souveräne Weiterkommen gegen Benfica drei Tage zuvor ermöglicht, bei dem Klopp - im Vergleich zum Premier-League-Gipfel bei City vor einer Woche (2:2) - sieben Stammspieler schonen konnte, die nun alle in die Anfangself zurückkehrten. City dagegen musste sich nach dem kräftezehrenden Ligaduell mit Liverpool erneut verausga­ben, um einen knappen Hinspiel-Vorsprung beim spani­schen Meister Atlético Madrid am Mittwoch über die Zeit zu retten. Das gelang mit letzter Kraft - jedoch auf Kosten der Ambitionen im FA-Cup.

Um seine wichtigsten Profis vor Überlastung zu schützen, war es nun Guardiola, der sieben Personalwechsel vornahm, darunter der angeschlagene Mittel­feldspieler Kevin De Bruyne. Den Substanzverlust konnte City nicht verbergen: Ersatztorwart Zack Steffen, der Eder­son vertrat, leistete sich einen kapitalen Fauxpas, den Sadio Mané zum 2:0 (17.) nutzte. Kurz darauf erzielte Mané sogar das 3:0 (45.), indem er eine Flanke dem Flow des Spiels folgend mit dem Außenrist ins Netz drosch.

Mit seiner geschwächten Startelf stellte Guardiola in diesem Jahr das Abschneiden in der Königsklasse, die er seit elf Jahren nicht mehr gewonnen hat und sein jetziger Klub noch nie, über die nationalen Wettbewerbe. Sonst verhielt es sich stets eher umgekehrt: Die vielen Titel in England raubten dem Team meist elementare Kraft für die Entscheidungsspiele im Europapokal. Obwohl City sich in der zweiten Halbzeit rehabilitierte - dabei zunächst durch Jack Grealish (47.) und dann in der Nachspielzeit durch Bernardo Silva (90.+1) die Anschlusstreffer erzielte - verzichtete Guardiola darauf, sein Team bis auf die Hereinnahme von Riyad Mahrez offensiv zu verstärken. Dahinter steckt wohl die Hoffnung, dass Manchester City diesmal das letzte Wort im finalen Saisonspiel hat: dem Endspiel der Champions League am 28. Mai.

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