European Championships:Schluss mit dem Olympia-Gerede

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Neue olympische Ringe hat der Olympiapark vor wenigen Wochen bekommen - hier werden sie gerade feierlich enthüllt. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Sportlobby hofft, dass die Multi-EM in München die Akzeptanz einer Olympia-Bewerbung in Deutschland erhöht. Das ist eine unnötige Überladung des Events.

Kommentar von Johannes Aumüller

2022, das nur noch einmal zur Erinnerung, war von der nationalen Sportlobby mal als das Jahr auserkoren worden, in dem Deutschland erstmals seit 1972 wieder Olympische Spiele beherbergen sollte. München und Umgebung als Gastgeber der Winterspiele, das war der Plan - bis die Bevölkerung dies in einem Referendum stoppte.

Statt der Spiele im Winter beherbergt München in den nächsten anderthalb Wochen nun also neun Europameisterschaften von Kanu bis Bahnrad, gebündelt unter dem Slogan "European Championships". Und doch ist das Thema Olympia auf befremdliche Weise allgegenwärtig.

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Von Johannes Knuth und Ralf Tögel

Schon seit geraumer Zeit laufen sich in Deutschland nach insgesamt sieben gescheiterten Anläufen die Sportlobby und Teile des politischen Betriebs für die nächste Olympiabewerbung warm. Jetzt soll die Multi-EM in München offenkundig als Beschleuniger herhalten. Mini-Olympia, Testballon für Olympia, Signal für Olympia, Zeichen für Olympia, Rückenwind für Olympia, was schwirrt da nicht alles an Formulierungen herum. München könne "dazu beitragen, Akzeptanz und Zustimmung für das Thema Olympia in unserem Land zu stärken", sagt etwa Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Und die Politik flankiert das Ganze mit satten 100 Millionen Euro.

Es kann sein, dass die nächsten anderthalb Wochen in München eine nette Sportveranstaltung bieten werden; es kann übrigens auch sein, dass sie das nicht tun werden - oder nur so halb. Die Verantwortlichen haben sich zwar manch schmucke Idee überlegt, inklusive Beachvolleyball am Königsplatz oder BMX im Olympiapark. Aber der Ticketverkauf läuft in vielen Sportarten schwächer als erhofft, was auch nur bedingt verwundern kann, wenn etwa eine vierköpfige Familie eine mittlere dreistellige Summe berappen muss, um den Zehnkampf der Leichtathleten komplett zu verfolgen.

Bezeichnenderweise findet just die Athletensprecherin Karla Borger auch bremsende Worte

Eines ist so oder so gewiss: Mit Olympia und Olympiastimmung hat die Multi-EM in etwa so viel zu tun wie der 72er-Dackel Waldi mit einem fliegenden Elefanten. Die beiden Veranstaltungen unterscheiden sich nicht nur in Dimension, Logistik und Qualität völlig. Die großen Kernprobleme des deutschen Verhältnisses zu den Spielen berühren die "European Championships" gar nicht. Es lag ja nicht an einem Mangel an schönen Beach- oder BMX-Bildern, dass die München-Spiele 2022 von der eigenen Bevölkerung gestoppt wurden - so wie später auch die Hamburg-Spiele 2024 oder zig sonstige Bewerbungen in westlichen Ländern. Sondern eine tief sitzende und gut begründete Abscheu vor dem olympischen Zirkus.

Da geht es um die üblichen Milliardenkosten, die rund um die Spiele entstehen; und in Zeiten, in denen nicht nur die Gaspreise in schwindelige Höhe ansteigen, wird sich der Steuerzahler erst recht fragen, was so eine teure Sause soll. Es geht auch um das unsägliche Gebaren jenes Korruptions- und Affärenstadls namens Internationales Olympisches Komitee, das hinter den Spielen steht. Solange sich das nicht ändert, wird's halt schwierig mit einer verbesserten Olympiastimmung und einem Ja der Bevölkerung.

Es ist bezeichnend, dass im Vorlauf zur Multi-EM just jemand wie die Athletensprecherin Karla Borger auch bremsende Worte findet. "Muss es denn gleich neuer Schwung für eine Olympia-Bewerbung sein, oder kann es erst einmal ein bisschen Schwung in die Vereine in Deutschland bringen und wieder mehr Kinder und Jugendliche zum Sporttreiben animieren?", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur: "Ich denke, da ist momentan mehr Bedarf."

Politik und Sportpolitik täten gut daran, die European Championships einfach mal European Championships sein zu lassen, ohne olympische Überladung und Überfrachtung. Und sollte die Veranstaltung erfolgreich sein, dann auch, weil sie mit Olympia und dem IOC nichts zu tun hat.

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