Europa League:Klopp lullt den BVB ein

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Jürgen Klopp (links) umarmt seinen ehemaligen Spieler Mats Hummels. (Foto: AFP)

Der Hype um den früheren Trainer macht Dortmund beim 1:1 gegen Liverpool zu schaffen. Jürgen Klopp profitiert von der großen Seifenoper.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Kurz nach dem Abpfiff trafen sich Jürgen Klopp und Hans-Joachim Watzke auf dem Spielfeld. Dortmunds Geschäftsführer und Liverpools Trainer umarmten sich, lachten herzlich, dabei hatte Watzke vor dem Anpfiff noch tapfer verkündet: "Bis nach dem Rückspiel liegt der Freundschaftsmodus auf Eis." Doch diese Vorgabe war nun aufgehoben. In diesem Moment habe sich "die Büchse der Pandora geöffnet", berichtete Klopp später: "Da wusste ich, jetzt darf ich auch die Spieler umarmen."

Das tat er dann auch, Klopp herzte Mats Hummels, Shinji Kagawa, auch Thomas Tuchel, seinen Trainerkollegen und Nachfolger auf der Dortmunder Bank. Klopp hatte Grund zum Frohsinn: Das 1:1 (0:1) im Viertelfinal-Hinspiel der Europa League war vor allem für die Engländer ein gutes Ergebnis vor dem Rückspiel in einer Woche an der Anfield Road. "Alles war cool", sagte Klopp über den Abend seiner Rückkehr.

Dieser Freundschaftsmodus, er war tatsächlich nicht gerade förderlich für das Leistungsgefüge des BVB. Jeder weiß das, doch solange Klopp davon Gebrauch machen kann, wird er das natürlich tun, um die Geschicke in seine Richtung zu wenden. Zugunsten seines neuen Arbeitgebers, was zwangsläufig bedeutet, dass sein früherer Verein darunter leidet. Es ist und bleibt eine knifflige Angelegenheit, mit der sich Borussia Dortmund da im Viertelfinale der Europa League konfrontiert sieht.

"Kloppo is coming home"

Klopps Heimkehr an die Stätte seiner größten Erfolge ist medial bis zum Gehtnichtmehr ausgereizt worden. Diese Seifenoper mit dem Titel "Kloppo is coming home" hat das eigentliche Ereignis in den Schatten gestellt. Denn eigentlich spielte doch Dortmund gegen Liverpool. Doch was in erster Linie interessierte, war die Gefühlswelt des verlorenen Sohnes, der das Brimborium um seine Person gar nicht so dramatisch fand: "Es war schön, wieder hier zu sein, aber während der 90 Minuten war ich komplett im Spiel drin."

Doch in diesem Fall geht es ganz offenbar um mehr als die üblichen Parameter eines Fußballspiels. Wer nach Hin- und Rückspiel im europäischen Vergleich überlebt, und wer auf der Strecke bleibt, darüber wird dieses Mal auch entscheiden, welcher der beiden Kontrahenten mit der Ausnahmesituation am besten umgeht. Nach dem Hinspiel heißt es ganz eindeutig: Vorteil Klopp und Liverpool.

Die als Außenseiter ins Ruhrgebiet gereisten Engländer ertrotzten beim 1:1 mehr als einen Achtungserfolg. Divock Origi (36.) hatte Liverpool nach einer Kopfballverlängerung in Führung gebracht, Klopp jubelte kurz, aber nicht ausgelassen. Sein Team erbrachte den Nachweis, dass es dem BVB sowohl mental als auch taktisch mindestens ebenbürtig ist. "Wir haben das sehr gut gemacht", bilanzierte Liverpools deutscher Nationalspieler Emre Can: "Wir haben gegen eine der besten Mannschaften der Welt immer wieder Nadelstiche gesetzt."

Das funktionierte auch deshalb, weil die Dortmunder von Beginn an reichlich indisponiert agierten. So viele Stockfehler und leichte Ballverluste leistet sich nur eine Mannschaft, die mental nicht auf der Höhe ist. Hummels schaffte zwar per Kopf den Ausgleich (48.), mehr gelang dem BVB nicht mehr. Es ist naheliegend, den bis Ultimo gepushten Hype um den Trainer des Gegners, der ja vor nicht allzu langer Zeit noch der eigene war, als Ursache für die vielen Unpässlichkeiten herauszufiltern.

"Da müsste man die Spieler selbst befragen", sagte Dortmunds Trainer Tuchel, der die Vorstellung seiner Mannschaft selbstkritisch in Augenschein nahm. Das Ergebnis sei zwar trotz des Unentschiedens im eigenen Stadion okay, "aber wir können es viel besser".

Tuchel sah seine Mannschaft "zu verbissen, ich hätte mir gewünscht, dass wir das Spiel mit einem Lächeln auf den Lippen bestreiten. Die Dinge gingen uns nicht so leicht von der Hand, wie wir uns das gewünscht haben." Der BVB-Trainer vermisste "die Form, das Vertrauen und das Durchsetzungsvermögen".

Englische Pressestimmen
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Was für ein "cleveres Kerlchen" der Trainer doch sei: Die englische Presse ist von Jürgen Klopps Rückkehr nach Dortmund begeistert. Die Reaktionen.

"Wir fühlen uns in Liverpool alles andere als chancenlos"

Diese Leichtigkeit des Seins, die den BVB in dieser Saison so oft beflügelte, ging der Mannschaft an diesem Abend komplett ab, weil ein Fußballspiel zu einer Messe der Wiederkehr verklärt wurde, der sich niemand entziehen konnte. Die ganzen Nebengeräusche der "Kloppomania" erschwerten es in erster Linie den Deutschen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Was bleibt, ist die Hoffnung, sich von all den Störfaktoren zu befreien, und es in einer Woche beim Rückspiel in Liverpool besser zu machen. Für Tuchel und seine Mitstreiter wird es eine besondere Herausforderung, den Fokus der kickenden Belegschaft einzig und allein auf die 90 Minuten an der Anfield Road zu richten. Der Schwabe glaubt, dieser Aufgabe gewachsen zu sein: "Wir fühlen uns in Liverpool alles andere als chancenlos."

Das beurteilt sein Kollege Jürgen Klopp ganz ähnlich: "Wir haben überhaupt nicht das Gefühl, schon durch zu sein. Davon sind wir weit entfernt. Die Aussichten stehen immer noch Fifty-Fifty." Er sagte aber auch: "Jetzt brennt die Anfield."

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