EU-Gericht kippt Fußball-Exklusivvermarktung:Kleine Revolution im Fußballreich Europa

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Die Exklusivvermarktung für Fußballspiele ist gekippt, weil sie gegen EU-Recht verstößt - so lautet die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Ob Pay-TV-Sender wie Sky deshalb ihre Preise senken müssen und Fußballspiele im Fernsehen billiger werden, ist ungewiss. Für die Klubs bietet das Urteil auch Chancen.

Carsten Eberts

Es begann im kleinen Kurort Southsea, einem Küstenort in Südengland, der zur 200.000-Einwohner-Stadt Portsmouth gehört. Dort hat die Wirtin Karen Murphy ihr Pub "Red White & Blue" - und kam im Jahr 2007 auf eine findige Idee: Sie übertrug wie so viele andere Wirte auch Fußballspiele der englischen Premier League live, wollte jedoch sparen. Und deswegen nutzte sie für die Übertragungen nicht etwa die Gaststättenlizenz des britischen Rechteinhabers Sky, sondern importierte einen deutlich günstigeren Satelliten-Decoder des Anbieters Nova.

Alles neu? Die Vermarktung von Fernsehrechten im Profifußball steht vor einschneidenden Änderungen. (Foto: dpa)

6000 Pfund (7000 Euro) sparte sie so pro Saison - angesichts der gigantischen Beträge im Fußballgeschäft ein lächerlicher Betrag. Doch dieser lächerliche Betrag stellt den europäischen Fußball vor immense Herausforderungen.

Denn die Wirtin wehrte sich gegen die Strafe der Premier League, zog vor Gericht - und bekam nun teilweise recht. Die Exklusivvermarktung sei rechtswidrig und der Empfang via ausländischen Decoderkarten müsse gewährleistet werden, urteilte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, laut Definition das "oberste rechtsprechende Organ der EU". Ein Richterspruch mit Konsequenzen.

Bislang war die Vermarktung folgendermaßen geregelt: Jedes Land konnte exklusive Rechte an Pay-TV-Sender vergeben, was die Preise gewaltig in die Höhe trieb und Live-Spiele für Fans zu einer kostspieligen Angelegenheit machte.

In England mussten sich die Sendeanstalten zudem verpflichten, die Spiele der Premier League verschlüsselt auszustrahlen und das Signal nur Bürgern ihres Landes zugänglich zu machen. Die Liga erhielt dafür von Rupert Murdochs Sendern Sky und ESPN 1,78 Milliarden Pfund (rund 2,1 Milliarden Euro) über drei Jahre.

Damit soll nun Schluss sein. Der EuGH entschied, dass ein derartiges Lizenzsystem gegen geltendes EU-Recht verstoße. Gegen das Urteil aus Luxemburg ist keine Berufung möglich. Fußballspiele über ausländische Satelliten-Decoder zu sehen, ist damit rechtens.

"Sie ist überwältigt vor Erleichterung", sagte Murphys Anwalt Paul Dixon im britischen Fernsehen. Gewonnen hat Murphy den Fall zwar nicht, weil das Gerichtsurteil lediglich für Privatpersonen, nicht für Gewerbetreibende gilt. Dennoch sagt ihr Anwalt: "Es war ein langer Weg für sie, aber sie ist hocherfreut, dass der Fall nun wieder nach London vor den High Court zurückkommt, wo er bald abgeschlossen wird, wie wir hoffen." Das Urteil auf europäischer Ebene muss noch von einem britischen Gericht bestätigt werden, dies gilt jedoch als wahrscheinlich.

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Fußballfunktionäre hatten schon lange vor dem Urteil gewarnt. Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsboss des FC Bayern, sah beispielsweise "gefährliche Zeiten" aufziehen: "Für dieses Preis-Dumping wäre die Politik verantwortlich. Die muss verstehen, wie der Wirtschaftszweig Fußball funktioniert. Und ein wichtiger Bestandteil sind eben die Fernseheinnahmen", hatte Rummenigge bereits im Februar erklärt. Mit dem bisherigen Recht hatten sich vor allem die deutschen Klubs ganz gut arrangiert - derzeit sorgen die TV-Erlöse in Deutschland immerhin für knapp ein Drittel der Gesamteinnahmen der Vereine.

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Die Auswirkungen auf den deutschen Markt sind schwer abschätzbar. Auch in Deutschland verfügt Sky über die Exklusivrechte. Seit der Saison 2009/10 sendet Sky exklusiv über Kabel, Satellit sowie im Web-TV, das Bundesliga-Paket kostet stolze 33,90 Euro im Monat. Nach dem Urteil können Zuschauer nun zwar legal Decoder von ausländischen TV-Anbietern nutzen. Die sind aber entweder ähnlich teuer (beispielsweise Sky Österreich) - oder haben keinen deutschen Kommentar.

Nach dem Richterspruch aus Luxemburg zeigte sich die DFL entsprechend entspannt. "Dieses Urteil hat sich abgezeichnet, die DFL ist daher nicht überrascht", hieß es am Dienstag in einer Stellungnahme: "Dennoch müssen wir feststellen, dass auf europäischer Ebene die von den Rechte-Nachfragern akzeptierte Praxis mit individuellen Rechte-Zuschnitten für unterschiedliche Gebiete trotz zahlreicher Warnungen infrage gestellt wird."

Auch wenn die Bundesliga im Vergleich zu den europäischen Top-Ligen am wenigsten zu befürchten hat: Wie die Situation für die deutschen Klubs wird, ist unklar. Falls die Preise für die Übertragungsrechte in der Bundesliga tatsächlich zurückgehen, bekämen die Vereine weniger Geld. Doch die Situation bietet auch Chancen: Zumindest theoretisch könnten die großen Klubs - sprich der FC Bayern - ab sofort mit den Privatsendern über Exklusivverträge verhandeln. Der Phantasie der Fernsehmacher sind damit keine Grenzen gesetzt.

Für Sky hingegen werden die Zeiten schwerer. Nach Verkündung des Urteils am Dienstagmittag gaben die Aktien des Pay-TV-Anbieters deutlich nach - sie verloren zeitweise mehr als fünf Prozent.

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