BVB-Stürmer Erling Haaland:"Er ist ein Tier"

Lesezeit: 3 min

  • Erling Haaland schießt Borussia Dortmund im Achtelfinale der Champions League mit zwei Toren zum 2:1-Sieg über Paris Saint-Germain.
  • Der Norweger besticht nicht nur mit Torgefahr, auch eine große Ruhe zeichnet den 19-Jährigen aus.
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Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Seit einem Monat wird der 19 Jahre junge Fußballer Erling Haaland nach jedem Spiel für Borussia Dortmund gefragt, wie er das eigentlich mache, was sein Geheimnis sei, wie einem so jungen Burschen so viele Tore gelingen können. Haaland redet nicht allzu gerne darüber - die Selbstanalyse ist nicht sein Ding. Aber im Aphorismus, den er jedes Mal vermeintlich zur verbalen Ausflucht benutzt, steckt eine viel tiefere Philosophie, als man glauben könnte. "Ich genieße mein Leben", hat Haaland als Stürmer des BVB mittlerweile derart oft gesagt, dass sie diesen Sinnspruch auf Fan-Artikel mit seiner Silhouette drucken könnten.

Der Norweger hat mit seinem Doppelpack zum 2:1-Sieg im Champions-League-Krimi gegen Paris Saint-Germain nun elf Tore in sieben Pflichtspielen für Dortmund geschossen. Der 1,96-Meter-Mann ist zurzeit Europas bester Mittelstürmer, aber er ist überraschenderweise auch ein kleiner Philosoph, der die akute Vergegenwärtigung von Genuss und Freude zum Zwecke der Selbstzufriedenheit als Lebenseinstellung predigt.

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Nach seinem Treffer zum 1:0 am Dienstagabend in der 60. Minute setzte sich Haaland mitten in seinem Torjubel für eine Sekunde im Lotussitz auf das Spielfeld, erhöhte die Hände mit zusammengeführten Fingerspitzen und grinste selig mit geschlossenen Augen.

Haaland demonstriert alle Fähigkeiten, die ein Mittelstürmer benötigt

"Ah, er macht sein Yoga", sagte Dortmunds Trainer Lucien Favre nach dem Spiel, als er diese Szene erstmals auf dem Monitor sah. Auch das ist erfrischend neu in einer von ständigen, ermüdenden Wiederholungen geprägten Branche: kaum ein anderer Fußballer macht kurz nach einem Treffer vor 66 000 tosenden Zuschauern im Stadion und Millionen daheim vor dem Fernseher mitten auf dem Spielfeld Yoga. Eine Sekunde später überfielen ihn schon seine jubelnden Mitspieler und beendeten Haalands kurze Besinnung.

Nach dem Spiel reiste der Doppeltorschütze mit leichtem Gepäck. Haaland trug eine mächtige Uhr am Handgelenk - klar, ein Stürmer muss immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. In seiner Hand hielt er die Man-of-the-Match-Trophäe in Form einer Weltkugel, weil er diesen Planeten als Fußballer vermutlich erobert in den nächsten Jahren; und er trug ein langes Schlüsselband um den Hals, an dessen Ende ein Autoschlüssel und ein Haustürschlüssel baumelten. Was wohl zeigen sollte: Während andere 19-Jährige nächtens schnell verloren gehen können, weiß Haaland ganz genau, wo die Schlüssel sind, mit denen er wichtige Türen öffnet.

Auch das ist eine Fähigkeit und womöglich ursächlich für seine klare Struktur auch auf dem Fußballfeld. In Form seiner beiden Treffer gegen Paris als eines der besten Teams der Welt hat Haaland am Dienstagabend binnen acht Minuten alle Fähigkeiten demonstriert, die ein Mittelstürmer benötigt: Er hat in der 69. Minute einen unkontrolliert durch den Pariser Strafraum springenden Ball zielsicher abstaubend ins Netz gedrückt und in der 77. Minute aus vollem Lauf und mit einer perfekten Technik einen 16-Meter-Schuss derart ins Tor gedroschen, dass das Scheppern der Metallstangen, die das Tornetz in Form halten, im ganzen Stadion zu hören war. Es ist das Geräusch, das sein Leben bestimmt.

"Wissen Sie eigentlich selbst, wie gut Sie sind?", fragte nach dem Spiel der Interviewer vom Streamingdienst DAZN. "In Dortmund werden die Menschen bald anfangen, ihre Kinder nach ihm zu benennen: Erling Schmidt, Erling Müller, Erling Schulze", witzelte der Reporter.

"Mir fehlen die Worte", sagte zur gleichen Zeit beim Bezahlsender Sky der Taktikanalyst Erik Meijer. Meijer fehlen sonst nie die Worte. "Er ist ein Tier", sagte der deutsche PSG-Trainer Thomas Tuchel. "Sogar die französischen Journalisten auf der Pressetribüne haben bei deinem zweiten Tor applaudiert", behauptete der Interviewer vom Klubsender BVB-TV im Gespräch mit Haaland.

Der so Gelobte lächelt bei solchen Komplimenten ein bisschen verschämt und flieht nur allzu gerne aus jedem einzelnen Interview nach nur wenigen Fragen. Es scheint, als würde ihm alles zu viel, aber es scheint eher nicht, dass ihm alles zu Kopf steigt. Neulich hat BVB-Torwart Roman Bürki erzählt, er habe Haaland gefragt, was er am trainingsfreien Tag unternehme und Haaland habe geantwortet: "Ich habe nichts Besseres zu tun, ich fahre wohl ins Trainingszentrum, lasse mich pflegen oder mache was."

Zehn Treffer in seinen ersten sieben Champions-League-Spielen hat Haaland nunmehr geschossen, davon acht in der Gruppenphase für seinen vorherigen Verein FC Salzburg. Damit hat er einen Champions-League-Rekord aufgestellt - mit 19 Jahren. Wie er das macht? Na, ganz einfach, er genießt sein Leben.

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