Enthüllungen im Radsport:Doping per SMS

Lesezeit: 3 min

Spanien hat einen neuen Doping-Skandal. Weil die Polizei das Handy eines Radsportarztes anzapfte, kamen pikante Details des Aufputsch-Systems ans Licht.

Javier Cáceres

Spaniens Sport wird von neuen Doping-Enthüllungen erschüttert. Wie die Zeitschrift interviú berichtete, hat Spaniens Polizei eine Reihe von SMS-Botschaften abgeschöpft, die nahelegen, dass der Radsportarzt Jesús Losa tief in Doping-Praktiken verstrickt ist. Losa, der einst beim spanischen Profi-Radteam Euskaltel tätig war und dort rausflog, nachdem ihn der schottische Profi David Millar des Epo-Dopings bezichtigt hatte, betreute unter anderem zwei der prominentesten Epo-Dopingsünder der jüngeren Vergangenheit: die spanischen Profis Moisés Dueñas und Maribel Moreno. Beide flogen 2008 auf; Dueñas bei der Tour de France, Moreno lieferte den ersten Dopingfall der Olympischen Spiele von Peking. Die letzte Epo-Spritze soll sich Moreno noch auf dem Flughafen gesetzt haben, unmittelbar vor der Abreise nach China - angeblich gegen den Rat Losas. Moreno bestreitet, dass Losa sein Arzt sei, allerdings legen SMS-Botschaften, die Interviú abdruckte, das Gegenteil nahe. Trotz der belastenden Indizien ist Losa unbehelligt geblieben.

Erklärte 2004, dass er von Losa Epo bekam: der Brite David Millar. (Foto: Foto: Reuters)

Besonders schwer belastet wurde Losa laut interviú von Dueñas. Vor Ermittlern habe der zwischenzeitlich gesperrte Radprofi ausgesagt, dass ihm der Arzt vor der Tour zwei Glasbehälter mit einem Medikament namens TAD überreicht hatte, das in Frankreich nicht zugelassen ist. "Er sagte mir, dass ich sie während der Tour injizieren solle, an einem Tag ja, am anderen nicht, bis sie alle seien. Losa sagte mir, dass ich nie positiv getestet werden würde, wenn ich seine Anweisungen befolge." Sein Vertrauen in Losa muss grenzenlos gewesen sein. So soll Dueñas erklärt haben, dass der Arzt "Spritzen hinter einer grünen Decke präparierte", so dass Dueñas nicht habe sehen können, was er in die Kanülen zog.

Ein anderer Radler, von interviú lediglich als "früherer Toursieger" identifiziert, soll im Februar 2009, also einige Zeit nach Dueñas' positivem Dopingtest, die folgende SMS geschickt haben: "Mit dem Schiss von der Tour hatte ich genug. Zum Glück bin ich nicht ehrgeizig und habe ich nichts von dem genommen, was du mir gegeben hast... - du hast kurz davor gestanden, mich in die Arbeitslosigkeit zu schicken und meine Karriere zu ruinieren." Und: "Ich werde nicht einen einzigen weiteren Euro abdrücken."

"Wann immer Du willst, Kerl!"

Losa ist in Sachen Doping kein unbeschriebenes Blatt. 2004 hatte ihn Euskaltel gefeuert, nachdem David Millar in Frankreich vor der Polizei Epo-Konsum gestand. Millar erklärte, das Epo von Losa bekommen zu haben. Später wurde Losa Teamarzt der Mannschaft Relax, die eine Reihe von Profis unter Vertrag nahm, die im Zuge der spanischen Dopingrazzia "Operación Puerto" in Verruf geraten waren, darunter Francisco Mancebo, Oscar Sevilla und Santi Pérez.

Mancebo ist offenbar weiterhin mit Losa im Geschäft. Ihm wird eine SMS vom 28. Januar an Losa zugeschrieben: "Ruf mich an, damit wir uns zum Essen verabreden und Du mir was mitbringst... Wir haben Krise". - "Ha, ha", habe Losa geantwortet. Losa willigte einem Treffen zu: "Wann immer du willst, Kerl!" Auch der Paris-Nizza-Sieger Luis León Sánchez zählt offenbar zu den Losa-Klienten. Ein nicht identifizierter Absender schrieb an Losa: "Dein Freund hat Paris-Nizza gewonnen." - "Da war er wie ein Champion", habe der Arzt geantwortet.

Zurzeit ist Losa am Regionalen Zentrum für Sportmedizin (CRMD) in Valladolid tätig, ebenso seine Frau Luisa Fernanda Nurueña. Wie die Zeitung Público berichtet, sind an diesem Institut jahrelang Dopingproben analysiert worden. Nurureña wird die Chance zugesprochen, dort möglicherweise positive Dopingproben verhindert zu haben. Der Direktor des Zentrums, Melchor Andrés, habe bestätigt, dass Losa weiterhin für das Zentrum arbeitet. Sowohl er als auch seine Frau seien Beamte. Von "privaten" Aktivitäten habe er keine Kenntnis.

Auch zu Spaniens Radsportverband hat Losa offenbar beste Verbindungen. Als Losa wegen des Dopingfalls Dueñas in Frankreich vor Gericht aussagen sollte, bat Losa laut Ermittlungsakten Luis Sanz um Rechtsbeistand - er ist der Anwalt von Spaniens Radsportverband. Sanz hat allerdings dementiert, Losas Mandat übernommen zu haben.

Der Tod von Bruno Neves

Unterdessen wird ein anderer spanischer Doping-Experte, Marcos Maynar, immer stärker belastet. Der portugiesische Radsportverband hat den Mediziner für zehn Jahre gesperrt. Maynar habe Radsportlern des portugiesischen Rennstalls LA-MSS verbotene Substanzen verabreicht. Dafür drohen Maynar auch seitens der portugiesischen Justiz Konsequenzen, die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben. Maynar und dem LA-MSS-Manager Manuel Zeferino drohen Gefängnisstrafen bis zu acht Jahren. Die Ermittlungen waren nach dem Tod des Radprofis Bruno Neves aufgenommen worden. Er war im Mai 2008 bei einem Rennen vom Rad gefallen, nachdem ihm das Herz versagte. Per Autopsie konnte der Tod offenbar nicht auf Medikamentenmissbrauch zurückgeführt werden.

Bei einer Razzia am Sitz des Rennstalls hatten portugiesische Polizisten allerdings große Mengen an Dopingsubstanzen sowie Ausrüstung zum Zweck von Bluttransfusionen gefunden. Unterdessen lehrt Maynar weiter an der Universität Extremadura Physiologie. Wie die Zeitung El País berichtete, wird nun Spaniens bislang untätige oberste Sportbehörde CDS tätig. Der Sportrat werde der Polizei eine Liste mit 20 verdächtigen Medizinern übergeben, um Ermittlungen einzuleiten.

© SZ vom 27.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Prominente Dopingfälle
:Von Johnson bis Pechstein

Die Liste der Sportler, die des Doping überführt oder verdächtigt wurden, ist lang. Eine kleine Auswahl in Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: