Corona in der Premier League:Liga der Ungeimpften

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Ein Ungeimpfter ist ein Ungeimpfter zu viel: Liverpool-Trainer Jürgen Klopp ist ungehalten. (Foto: David Klein/Reuters)

Nach zuletzt zehn Spielabsagen wird klar, wie schlecht die superreiche Premier League dasteht: Ein Viertel der Profis kickt ohne Schutz vor Corona - das Problem dürfte sich noch zuspitzen.

Von Sven Haist, London

Manchmal kann man Zweiter werden und trotzdem ein bisschen gewinnen. Als die BBC am Sonntag den Preis für die "Jugendpersönlichkeit des Jahres" verlieh, da musste sich der Fußballer Jude Bellingham zwar knapp der Skateboarderin Sky Brown geschlagen geben, der mit 13 Jahren und 28 Tagen jüngsten Olympiamedaillengewinnerin des Vereinigten Königreichs. Der begehrte Mittelfeldspieler Bellingham vom Bundesliga-Zweiten Borussia Dortmund bewies aber erstaunliche Reife und Höflichkeit, als er sich an jedem Saaltisch erkenntlich zeigte und sich bei den Mitarbeitern des Events bedankte.

Sein Auftreten fand umgehend Beachtung, Engländer legen seit jeher viel Wert auf Einhaltung der Etikette. Zumal der erst 18 Jahre alte Nationalspieler auf Nachfrage sogar noch ein Plädoyer für die Impfung zum Schutz vor Corona hielt. Er selbst habe zwei Impfungen erhalten sowie bereits eine weitere Auffrischung bekommen, sagte Bellingham, weil er "sein Möglichstes" tun wolle, um das Virus nicht an seine Familie zu übertragen und auch selbst keine Fußballspiele zu verpassen. Zwar stehe es ihm nicht zu, sagte Bellingham, andere zur Impfung zu verdonnern. Aber empfehlen würde er sie auf jeden Fall.

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Bellinghams eindrücklicher Appell, der ja auch an viele ungeimpfte Berufskollegen gerichtet war, legte den Finger in die Wunde der Premier League. Seit Monaten wirbt die fahrlässig agierende Liga, bestehend aus den 20 Erstligaklubs in England, weitgehend vergeblich um eine höhere Impfquote unter den Spielern. Wie am Montag bekannt geworden ist, gelten nach wie vor rund ein Viertel der Profis als nicht geimpft. 16 Prozent von ihnen seien gänzlich ungeimpft, sieben Prozent hätten immerhin in den vergangenen Tagen eine erste Dosis des Impfstoffs erhalten. In den darunter gestaffelten Profiligen sieht es noch düsterer aus: Dort sind bloß 59 Prozent der Spieler vollständig geimpft, also nicht einmal zwei Drittel - und zusätzlich gaben 25 Prozent der Profis kürzlich an, nicht einmal daran zu denken, sich bald impfen zu lassen.

Das Problem mit den nicht impfbereiten Spielern dürfte sich weiter zuspitzen, weil die Liga über gesonderte Maßnahmen beratschlagt

Nach allein zehn Premier-League-Spielabsagen in der Vorwoche wegen mehrerer Corona-Ausbrüche in den Vereinen gerät der höchste englische Fußballbetrieb stark in Bedrängnis. Die Vereine meldeten 90 positive Corona-Tests von Spielern und Klubangestellten in der Vorwoche, davon 41 zwischen Freitag und Sonntag - ein trauriger Höchstwert. Neben täglichen Schnelltests wurden dabei zwei PCR-Testreihen durchgeführt. Im Vergleich mit den ausländischen Ligen steht die Premier League erschreckend schlecht da.

Die europäischen Konkurrenzligen melden jeweils eine Impfquote von weit über 90 Prozent, in Italien liegt sie angeblich sogar bei 98 Prozent. Weder in Deutschland, noch in Frankreich, Italien oder Spanien mussten in dieser Saison bisher Erstligapartien aufgrund von Corona-Fällen abgesagt werden. In England konnte laut der Times mindestens eine Partie (Burnley gegen Watford) allein deshalb nicht stattfinden, weil ungeimpfte Spieler sich nach Kontakt mit Corona-infizierten Personen für zehn Tage in Quarantäne begeben mussten - so dass kein ausreichend spielfähiger Kader (13 Feldspieler plus Torwart) mehr zur Verfügung stand.

Das Problem mit den nicht impfbereiten Spielern dürfte sich indes weiter zuspitzen, weil die Liga über gesonderte Maßnahmen beratschlagt. So wird etwa eine isolierte An- und Abreise an Spieltagen für diese Personengruppe erwogen, was den Klubs einen erheblichen organisatorischen Mehraufwand abnötigen würde. Dazu haben mehrere Trainer, allen voran Jürgen Klopp vom FC Liverpool, vor der Wintertransferperiode angekündigt, zukünftig vorwiegend geimpfte Spieler verpflichten zu wollen. Der Impfstatus werde "definitiv einflussreich" sein in den Transferplänen, sagte Klopp: "Wenn ein Spieler nicht geimpft ist, stellt er eine Bedrohung für uns alle dar."

Wie unangenehm der häufig von Selbstzweifeln und Größenwahn gleichermaßen geprägten Premier League die eigenen Impfstatistiken anscheinend sind, veranschaulichte der platte Versuch, die Zahlen zu schönen. In einem Statement auf der Webseite, das das Ergebnis der Corona-Notfallsitzung des Ligagremiums mit den Vereinen zu Wochenbeginn zusammenfasste, stellte die Premier League ziemlich unverhohlen voran, dass jetzt 92 Prozent geimpft seien. Allerdings bezog sich die Berechnung nicht allein auf spielberechtigte Profis, sondern auch auf Klubangestellte. Erst im weiteren Verlauf hat die Liga schließlich die oben genannten Impfquoten kommuniziert - und angekündigt, fortan ab Januar jeweils zum Ende jeden Monats die Prozentzahlen zu veröffentlichen.

Während die Premier League trotz der misslichen Corona-Situation an ihrem eng getakteten Spielrhythmus über die Feiertage festhält (und gleichermaßen die English Football League am umstrittenen Hin- und Rückspiel im Halbfinale des Ligapokals), hat sich der englische Fußball-Verband entschieden, die Wiederholungsspiele im FA Cup in dieser Saison auszusetzen. Das trifft vor allem klassentiefere Klubs, denen jetzt bei einem Unentschieden die Chance verwehrt bleibt, über ein zusätzliches Spiel weitere Einnahmen zu generieren und definitiv in den Stadien der Topvereine zu spielen.

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