Deutsches Basketball-Nationalteam:Spiel eins nach dem großen Wurf

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Rückkehrer: Oscar da Silva lief bereits für die deutsche Nationalmannschaft auf, wie hier beim Testspiel gegen Schweden im vergangenen August. (Foto: Tilo Wiedensohler/Imago)

Die Weltmeisterschaft ist Vergangenheit, jetzt geht es um Olympia: Bei Deutschlands Basketballern ist der Konkurrenzkampf im Team eröffnet, in der EM-Qualifikation wollen sich Profis wie Oscar da Silva empfehlen - er profitiert von einer Neuerung im Kalender.

Von Jonas Beckenkamp

Über früher will Oscar da Silva gar nicht viel sprechen, aber eines ist nach einem zünftigen "Servus" am Telefon noch zu klären. Als einziger deutscher Basketball-Nationalspieler gilt er als "echter Münchner", was einerseits die Frage aufwirft, was ein unechter Münchner wäre. Anderseits: Wo genau kommt dieser 2,06 Meter lange Kerl denn nun her? "Pasing, Laim, also aus dem Westen", sagt er, "meine Familie lebt immer noch dort." Deutsche Mutter, brasilianischer Vater, erste Würfe auf den Korb beim DJK SB München, danach beim MTSV Schwabing, College an der Stanford University - so fing es an bei da Silva, 25, den man jetzt beim Lehrgang mit dem Deutschen Basketball Bund (DBB) in Ludwigsburg erreicht.

Dass den deutschen Basketball derzeit alle verfügbaren Sterne küssen, ist auch bei da Silva durchzuhören. Der Profi des FC Barcelona spricht ohne Verbitterung über seine DBB-Rückkehr, nachdem er im Sommer als einer der letzten Anwärter die Nominierung für den finalen WM-Kader verpasst hatte. Weltmeister kann er sich zwar nicht nennen, dieses Privileg trifft bei den anstehenden Partien in der EM-Qualifikation gegen Montenegro (Donnerstag, 19.30 Uhr) und in Bulgarien (Sonntag, 16 Uhr, beide auf Magentasport) ohnehin nur noch auf einen Aktiven zu: auf David Krämer, Flügelspieler von CB Granada, den letzten Verbliebenen aus den triumphalen Tagen von Manila. Der Rest der Goldtruppe darf sich ausruhen oder ist anderweitig gebunden.

Oscar da Silva im Training des DBB hinter dem einzigen verbliebenen Weltmeister im Kader: David Krämer. (Foto: Sandy Dinkelacker/Imago)

Wobei: "Unsere Coaches", sagt da Silva, "sind natürlich auch Weltmeister." Bundestrainer Gordon Herbert und sein Trainerteam personifizieren den Übergang von der immer noch fantastisch anmutenden Vergangenheit in die Gegenwart, in der es gilt, eine geeignete Gruppe für die Spiele in Paris zu finden - Oscar da Silva steht für die Zukunft. "Zwei Siege - das ist es, worum es geht. Nach diesen beiden Spielen denke ich an Olympia", beschreibt Herbert die Lage. Und da Silva? Er hoffe "natürlich auf eine Chance", lässt er durchblicken, "schließlich wird der Kader für Olympia noch mal ein anderer sein". Wie groß die Veränderung wird, ist die Frage. Es ist davon auszugehen, dass Herbert sein Versprechen einlöst und den meisten Weltmeistern schlicht eine Olympiagarantie ausstellt. Warum viel ändern, wenn es läuft?

Bestenfalls drei oder vier Kaderplätze dürften nach den Erfolgen mit WM-Gold und vorher EM-Bronze für Anpassungen infrage kommen. Justus Hollatz (Efes Istanbul) musste für die aktuellen Länderspiele verletzt absagen - er gilt zwar als Steuermann für die Jahre nach Dennis Schröder, hat sich bei seinem Klub aber auf der Bank verheddert. Niels Giffey (FC Bayern) wird im Sommer 33 Jahre alt und hatte bei der WM ebenso nur Kurzauftritte. Und Maodo Lo (Mailand) zwickt es schon lange in Hüfte, Handgelenk und Knöchel, er ist somit weniger Olympia-Kandidat als ein anderer Münchner (wenn auch kein waschechter): Dreierschütze Andreas Obst.

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Aber auch auf den großen Positionen, dem Terrain da Silvas, herrscht Gerangel. NBA-Profis wie Daniel Theis oder die Wagner-Brüder haben mehr oder weniger für Olympia zugesagt, auch 2,13-Meter-Center Isaiah Hartenstein (New York Knicks) will nach langer Pause mit dem Bundestrainer seine Möglichkeiten ausloten - der 25-Jährige hat aufgrund bemerkenswerter Leistungen in der NBA gute Argumente. Hinzu kommen Johannes Voigtmann (Mailand), Isaac Bonga (FC Bayern) und Johannes Thiemann (Alba Berlin) mit all ihrer internationalen Erfahrung.

Dahinter meldet da Silva nun Ambitionen auf ein Plätzchen im Zwölferkader an. "Von der Qualität her passe ich gut rein", lautet das aufrechte Plädoyer des Power Forwards, der nach Stationen in Ludwigsburg, Berlin und derzeit bei Barça sein Spiel verfeinert hat. Mehr Konstanz hat er sich angeeignet, einen "Wurf, bei dem es in die richtige Richtung" geht, gepaart mit den vielleicht athletischsten Sprungbeinen im deutschen Basketball. Oscar da Silvas Spezialität sind Dunkings, die bringen Energie und Momentum, das kann man immer gut gebrauchen. Doch er will den Bundestrainer noch mit einer anderen Eigenschaft überzeugen: seinem "Commitment".

Der Basketball-Kalender ist so eng getaktet, dass Spieler nicht immer für Nationalteams antreten können

Der wohl meist strapazierte Begriff im DBB-Kontext bezieht sich auf die Forderung Herberts, dass Spieler sich in seiner Amtszeit für längere Phasen zum Nationalteam bekennen sollen. Wer stets bereit ist, soll bevorzugt berufen werden. Und da Silva ist bereit. "Letztlich war's auch meine Initiative, hier sein zu wollen" erklärt er. Ihm kommt eine Änderung im europäischen Basketball-Kalender zupass, denn während der anstehenden Länderspiel-Fenster pausieren neuerdings nationale Ligen sowie Euroleague.

Im Terminstreit zwischen dem Weltverband Fiba, der die Qualifikationsspiele austrägt, und der europäischen Königsklasse ist etwas Kompromissbereitschaft eingetreten. So können aktuell auch einige Euroleague-gestresste Profis der Bayern (etwa Nick Weiler-Babb) und von Alba Berlin (Jonas Mattisseck, Malte Delow, Louis Olinde) beim DBB vorspielen. "Klar wäre Freizeit auch mal fein", sagt der gleichfalls begünstigte Oscar da Silva, "aber ich bin hier, um mich zu zeigen, um den Schwung mitzunehmen in den Sommer." Ein weiteres "Servus", dann muss er zum Training.

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